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Kritik und Trailer: "Leid und Herrlichkeit" entwickelt eine erstaunliche Sogwirkung

Kritik und Trailer

"Leid und Herrlichkeit" entwickelt eine erstaunliche Sogwirkung

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    Antonio Banderas spielt den alternden, angesehenen Filmemacher Salvador Mallo – unübersehbar angelegt als ein Alter Ego von Pedro Almodóvar.
    Antonio Banderas spielt den alternden, angesehenen Filmemacher Salvador Mallo – unübersehbar angelegt als ein Alter Ego von Pedro Almodóvar. Foto: Studio Canal Deutschland

    Pedro Almodóvars „Leid und Herrlichkeit“ ist ein Film, den man umarmen und nicht mehr loslassen möchte. Kein aufgeplustertes Meisterwerk, aber ein Juwel gerade durch die zurückgenommene Art, mit dem sich hier ein Filmemacher im fortgeschrittenen Alter seinem Publikum öffnet und das eigene Sein zur Disposition stellt. Dass Almodóvar in seinen Werken immer wieder autobiografische Elemente einfließen lässt, ist kein Novum. In „Schlechte Erziehung“ reflektierte er die eigenen Erfahrungen in einer Klosterschule, in „Volver“ kehrte er zurück in seine Heimat La Mancha und in den zahlreichen Frauenfiguren seiner Filme atmet die tiefe Liebe zur eigenen Mutter mit.

    „Leid und Herrlichkeit“ kommt weniger schrill, weniger melodramatisch, weniger extravagant daher, als man es von dem Regisseur gewohnt ist, der in den 80er Jahren mit seinen frei atmenden Werken den autoritären Mief des Franco-Regimes hinwegblies. Antonio Banderas spielt den angesehenen Filmemacher Salvador Mallo, dessen Figur unübersehbar als Alter Ego Almodóvars angelegt ist.

    Darum geht es in "Leid und Herrlichkeit"

    Der Regisseur ließ sogar die eigene Wohnung im Studio nachbauen, um die erwünschte autofiktionale Authentizität herzustellen. Hier residiert Salvador zumeist hinter zugezogenen Vorhängen. Migräne, Rückenversteifung, Muskelschmerzen, Schluckbeschwerden, Tinnitus und eine Menge anderer Krankheiten plagen den Mann, dessen Leiden in einem selbstironischen Animationsfilm anatomisch erörtert werden. Die körperlichen Gebrechen haben dazu geführt, dass er seit vielen Jahren keinen Film mehr gemacht hat.

    Nach dreißig Jahren nimmt Salvador wieder Kontakt zu dem Hauptdarsteller des Films, Alberto (Asier Etxeandia) auf, mit dem er sich damals verkracht hatte, weil der junge Schauspieler seine Drogensucht nicht in den Griff bekam. Die erste Begegnung ist von Misstrauen geprägt, aber langsam kommen sich die beiden Weggefährten wieder näher. Weil die Medikamente schon lange nicht mehr wirken, raucht Salvador mit Alberto ein paar Züge Heroin. Die Droge wird zum Begleiter des Schmerzpatienten und mit dem Rausch versinkt auch der Film immer wieder in Erinnerungen an die Kindheit in einem Dorf, wo die verarmte Familie in einer weiß getünchten Höhle lebt.

    Kritik: Antonio Banderas glänzt in "Leid und Herrlichkeit"

    Der Zehnjährige gibt einem jungen Mann aus dem Dorf Unterricht in Lesen, Schreiben und Rechnen und die Schwärmerei für seinen erwachsenen Schüler führt zu ersten homoerotischen Sehnsuchtserlebnissen. Die Strenge und Liebe der Mutter (Penélope Cruz) hat Salvador ein Leben lang begleitet. „Es tut mir leid, dass ich nicht der Sohn sein konnte, den du dir gewünscht hast“, sagt er zu ihr kurz vor ihrem Tod. Dann ist da noch Frederico (Leonardo Sbaraglia). Die große Liebe aus jungen Jahren steht plötzlich vor der Wohnungstür. Wie Almodóvar die Begegnung mit Vertrautheit, Wärme, Melancholie, erotischer Spannung und dem Gefühl der Vergänglichkeit anfüllt, ist phänomenal und wird gekrönt von einem Abschiedskuss, der die Erde für ein paar Filmsekunden stillstehen lässt.

    Die biografischen Aufräumarbeiten des kränkelnden Künstlers entwickeln eine erstaunliche Sogwirkung, weil sich hier ein ganzes Leben in all seiner widersprüchlichen Schönheit und Traurigkeit auf der Leinwand ausbreitet. Antonio Banderas liefert hier eine Vorstellung von hinreißender Sensibilität und hat sich seine Palme in Cannes redlich verdient. Hier hat Pedro Almodóvar persönlich und künstlerisch zu sich selbst gefunden.

    Wertung: 5 / 5

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