Er war jahrelang auf der Suche nach einem tieferen Sinn seines Lebens gewesen und hatte sich schließlich für eines der Armut und an der Seite der Armen und Hilfsbedürftigen entschieden. Auch die zum ihm gestoßenen Gefährten gaben ihren Besitz dahin. Im Frühjahr 1209 zog Franz mit den mittlerweile zwölf nach Rom, wo ihnen Papst Innozenz III. seinen Segen erteilte und ihnen das Predigen erlaubte. Aus dieser Brüderschaft ist die inzwischen weltweite franziskanische Bewegung entstanden. Die Anzahl der Angehörigen der drei Zweige des Ersten Ordens (Männer) ist derzeit ungefähr 35 000, wozu eine größere Anzahl, Männer und Frauen, großteils Laien, des Dritten Ordens kommt.
Ein Angehöriger des Kapuzinerzweigs, Niklaus Kuster, vermittelt in einem Buch zum "Franziskusjahr" - so der Verlag - vom Leben des Franz von Assisi und seiner Spiritualität ein detailreiches und auch aktuell gedeutetes Bild - "Franziskus. Rebell und Heiliger" (Verlag Herder, Freiburg, 240 S., 16,95 Euro, ISBN 978-3-451- 301153-7).
Schon auf der ersten Seite nennt der Autor das kleine Assisi, 170 km nördlich Roms, den Ort "an dem Menschen aller Länder, Sprachen und Generationen deutlicher als anderswo ihre innere Verwandtschaft erfahren" und wo "die Religionen der Welt" im Januar 2002 "ein gemeinsames Zeichen setzten". Im Kapitel "Aktualität" kommt er erneut auf das Thema, dass sich hier auf Einladung von Papst Johannes Paul II. vier Monate nach dem Schock des Terroranschlags in New York im September 2001 die Religionen versammelten, "um bei Beratungen und im Gebet dem bedrohten Weltfrieden Wege in die Zukunft zu weisen".
Er erwähnt nicht, dass der damalige Kardinal Joseph Ratzinger, jetzt Papst Benedikt XVI., das Ereignis prägnant würdigte. In dem in Rom veröffentlichten Text heißt es, von Franz, dem Menschen aus Assisi, gehe "auch heute noch der Glanz eines Friedens aus, der auch den Sultan überzeugte und so wirkliche Mauern niederriss". Dies bezieht sich auf die Begegnung mit Sultan Malik al-Kamil 1219 in Ägypten, wo sich damals die Heere der christlichen Kreuzfahrer und der Muslime gegenüberstanden und zu dieser Zeit Waffenruhe herrschte. Franz und ein Bruder ließen sich gefangennehmen, wurden gefesselt zum Sultan geführt und stellten sich ihm mit dem Wunsch vor, ihm die Botschaft Jesu bringen zu dürfen. Franziskaner berichteten später, der Sultan sei "berührt gewesen" von Franz' "Armut und Losgelöstheit von irdischen Dingen". Der italiensche Autor Pacifico Stella machte 2005 in einer Publikation deutlich, dass es Franz in Ägypten nicht um einen Bekehrungsversuch gegangen sei, sondern eine Friedensmission.
Franziskus ist seit einigen Jahrzehnten vor dem Hintergrund neuer weltweiter sozialer und anderer Problem zunehmende Beachtung zuteil geworden - vor allem im Sinne einer Herausforderung, eines Appells an das moralische Bewusstsein. Zur allgemeinen Nachahmung ist sein Leben ungeeignet, allein schon wegen der seit dem Mittelalter total veränderten Lebensverhältnisse. Besonders pointiert drückte das der österreichische Theologe Adolf Holl in einem Buch aus: Franziskus habe etwas unternommen, was man bei Politikern, in Schulen und im Elternhaus ganz sicher nicht lerne - den sozialen Abstieg. Das schließt nicht aus, dass er als inspirierende Leitfigur gesehen wird - im Sinne eines Lebens in der Nachfolge Jesu, gemäß dessen Botschaft der Menschenliebe und der Selbstlosigkeit anstelle von Selbstdurchsetzung.
Heute engagieren sich franziskanische Gemeinschaften sozial auf allen Kontinenten und in den unterschiedlichsten Milieus, konstatiert Niklaus Kuster - dazu gehören Drogensüchtige in Europa oder Slumbewohner auf der südlichen Erdhalbkugel. Die Missionszentrale der Franziskaner (Bonn) nennt in ihren Informationen über Aktivitäten und Einrichtungen von Franziskanern und Franziskanerinnen zwei Dörfer für Kinder und Jugendliche in Bolivien und die Betreuung 70 behinderter Kinder in der bolivianischen Stadt Trinidad, ein "Haus der Armen" in Mexiko, ein Ausbildungszentrum für arbeitslose Jugendliche in Brasilien, in Indien eine Frauenhaus und andere Hilfe für weibliche Gewaltopfer. Im Nahen Osten unterstützen Franziskaner die 1983 gegründete Friedensinitiative "Re'ut Sadaka" in Jaffa (Israel). Der Name bedeutet "Freundschaft" - sowohl auf Hebräisch als auch auf Arabisch, ähnlich wie "Shalom" und "Salam".