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Kunstkrimi: Gurlitt-Recherchen beendet

Kunstkrimi

Gurlitt-Recherchen beendet

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    Prof. Dr. Gilbert Lupfer, Kunsthistoriker und Leiter der Abteilung Forschung und wissenschaftliche Kooperation SKD Museum.
    Prof. Dr. Gilbert Lupfer, Kunsthistoriker und Leiter der Abteilung Forschung und wissenschaftliche Kooperation SKD Museum. Foto: Ronald Bonss/dpa-Zentralbild/dpa

    Hildebrand Gurlitt war ein skrupelloser Geschäftsmann. Der Kunsthändler in Hitlers Auftrag nutzte Strohmänner und Decknamen, er log, ließ Quittungen fälschen und frisierte seine Geschäftsbücher.

    Sein Sohn Cornelius schmuggelte noch in den 1960er Jahren Werke, die der Vater unter deutscher Besatzung in Frankreich gekauft hatte, über die Grenze. Bei ihm wurde vor rund acht Jahren der spektakuläre "Schwabinger Kunstfund" beschlagnahmt. Nun sind die systematischen Recherchen zur Herkunft der rund 1500 Kunstwerke zumindest von deutscher Seite weitgehend beendet. Ein neuer Sammelband mit Aufsätzen ("Kunstfund Gurlitt. Wege der Forschung") bringt einige Erkenntnisse.

    Zum formalen Abschluss der Arbeit der Provenienzforscher bleibt die drängendste Frage weiter unbeantwortet: Wie viele der Werke aus der Kollektion, die Cornelius Gurlitt (1932-2014) jahrzehntelang in München und Salzburg hütete, sind NS-Raubkunst?

    Nur insgesamt 14 Werke von Künstlern wie Max Liebermann, Henri Matisse, Thomas Couture oder Adolph von Menzel wurden bisher eindeutig als Raubkunst identifiziert und an die rechtmäßigen Eigentümer restituiert. 445 Positionen wurden als "unbedenklich" kategorisiert. Doch es bleiben weit mehr als 1000 Werke, deren Herkunft nicht eindeutig geklärt werden konnte. "Es gibt eine ganz große Grauzone", bilanziert der Kunsthistoriker Gilbert Lupfer, der den Sammelband mit herausgegeben hat. Er ist Vorstand des Deutschen Zentrums Kulturgutverluste in Magdeburg, das seit 2016 die Forschungsarbeit zum Kunstfund Gurlitt fortführte.

    Nachdem Experten aus Deutschland, Frankreich, Israel oder den USA jahrelang zum Gurlitt-Fund geforscht hätten, müsse man jetzt aber sagen: "Was möglich war an Recherche, das haben wir ausgeschöpft." Das Kunstmuseum Bern, dem Cornelius Gurlitt die Sammlung vermacht hatte, betreibe noch eine eigene Provenienzforschung. "Und wenn neue Anhaltspunkte oder Quellen auftauchen, werden wir dem nachgehen", sagt Lupfer der Deutschen Presse-Agentur.

    Schon früh sei klar gewesen, dass es sich nicht um den anfangs vermuteten "Milliardenschatz der Nazis" handelte. "Es ist eine gute Kollektion, aber es war nicht die absolute Top-Sammlung."

    Auch einige Fälschungen hatte sich Hildebrand Gurlitt (1895-1956) unterjubeln lassen, etwa eine allegorische Szene von Marc Chagall. Manche Grafik, angeblich von Auguste Rodin, stammte wohl ebenfalls aus Fälscher-Hand. Auch das kapitale Ölgemälde "Don Quichote et Sancho Pansa", das Honoré Daumier zugeschrieben wurde, "wirft Zweifel an seiner Authentizität auf", heißt es in dem Buch.

    Klarer wird dagegen das Bild des Kunsthändlers Hildebrand Gurlitt und seiner Geschäftspraktiken im besetzten Frankreich. Gurlitt war eine ambivalente Person. Er hatte eine jüdische Großmutter und litt zu Beginn der Nazi-Diktatur selbst unter Repressionen, zumal er ein Verfechter der von den Nazis als "entartet" verfemten modernen Kunst war. "Aber man weiß jetzt, dass er nicht nur als selbst ernannter Retter der Moderne agiert hat, sondern dass er ganz normal mit Hitler und seinen Beauftragten gehandelt hat, also ein skrupelloser Händler war, der sein Geschäft machen wollte", sagt Lupfer.

    Im besetzten Paris, wo Gurlitt als einer der Haupteinkäufer des "Sonderauftrags Linz" für Hitlers geplantes "Führermuseum" tätig war, habe er "die ganze Klaviatur der legalen und illegalen Methoden" ausgespielt, so Lupfer. Gurlitt ließ nicht nur Quittungen fälschen, sondern prellte auch seine französischen Geschäftspartner. In die Geschäfte verstrickt war auch seine Geliebte Olga (Lola) Chauvet. Die wahren Verkäufer seien oft verschleiert worden. Das verstärke wiederum den Raubkunstverdacht, betonen die Forscher.

    Über 400 Objekte ließ Gurlitt laut Recherche auf offiziellem Weg nach Deutschland bringen. Die Dunkelziffer aber wird fast dreimal so hoch auf 1150 Kunstgegenstände geschätzt. 350 dieser Werke hortete er für sich - sie kamen erst mit dem Kunstfund wieder ans Licht. Zu Gurlitts wichtigsten Kunden in Deutschland zählte laut Forschung das Kölner Wallraf-Richartz-Museum. Nach Ende des Krieges wurden die meisten Werke nach Frankreich zurückgeführt. Auch an die Kunsthallen in Karlsruhe und Hamburg sowie private Sammler vermittelte Gurlitt Kunst aus den besetzten Gebieten.

    Die Frankreich-Geschäfte waren die lukrativsten Jahre für Gurlitt. In wenigen Jahren habe er sich "von einem Leidtragenden zu einem Profiteur des NS-Regimes gewandelt", heißt es im Buch. Noch nach dem Krieg bewahrte der Kunsthändler Raphael Gérard Werke für Hildebrand Gurlitt in Frankreich auf. Nachdem Gurlitt 1956 bei einem Autounfall starb, schmuggelten seine Kinder Cornelius und Benita Objekte nach Deutschland. Sie versteckten sie im Auto oder ließen sie illegal durch einen Spediteur über die Grenze bringen. "So führte der Sohn das weiter", sagt Lupfer. "Vielleicht hatte er auch gar kein Unrechtsbewusstsein, weil er davon ausging, dass das einfach das väterliche Erbe war."

    Hildebrand Gurlitt profitierte auch in der Nachkriegszeit als Leiter des Kunstvereins für die Rheinlande und Westfalen in Düsseldorf von seinen exzellenten Netzwerken. "Wir wissen jetzt auch viele mehr über Mechanismen des Kunsthandels und wie diese über Jahrzehnte ganz diskret weiter funktionierten", sagt Lupfer. "Offensichtlich wusste man auch im Kunsthandel: Der Sohn vom alten Hildebrand hat noch ganz interessante Stücke." Die habe der Handel "immer mal wieder entgegengenommen und verkauft", so dass das Geschäft "relativ ungebrochen weiter funktionierte".

    Spätestens durch den "Kunstfund Gurlitt" ist erneut klar geworden, dass die Suche nach Raubkunst nicht nur auf Museen konzentriert sein darf, sondern auch den Kunsthandel und private Sammler ins Visier nehmen muss. "Diskretion ist für den Kunsthandel zwar wichtig", sagt Lupfer. "Man sieht jetzt aber, welche langanhaltenden Netzwerke es gegeben hat und weiter gibt." (dpa)

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