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Interview: Kulturforscher: "So funktioniert der Populismus von Andreas Gabalier"

Interview

Kulturforscher: "So funktioniert der Populismus von Andreas Gabalier"

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    Gabalier: Das Publikums antwortet wie gewünscht.
    Gabalier: Das Publikums antwortet wie gewünscht. Foto: Expa/Stefan Adelsberger/APA, dpa (Archiv)

    Herr Wietschorke, Sie haben Werk und Auftreten von Andreas Gabalier analysiert. Mit welchem Ergebnis? Ist etwas dran an dem Vorwurf, der „Volks-Rock’n’Roller“ sei anschlussfähig für heimattümelndes und rechtspopulistisches Gedankengut?

    Jens Wietschorke: Anschlussfähig trifft es auf jeden Fall, ja. Ich würde sagen, Gabalier schafft in seinen Konzerten einen symbolischen Raum, in dem rechtspopulistische Politikvorstellungen einen Platz finden können. Es ist nicht etwa so, dass er selbst aktiv bestimmte politische Ideen in Umlauf bringen würde. Aber dadurch, dass er so stark auf die Heimatkarte setzt, produziert er einen Möglichkeitsraum für diese Ideen. Und auf der alltagskulturellen Ebene propagiert er beispielsweise Geschlechterrollen und Familienbilder, die stockkonservativ und antipluralistisch sind. Ich versuche das mit einem Begriff des Populismusforschers Paul Taggart zu fassen: dem Begriff „heartland“. Das „heartland“ ist der imaginäre Ort, wo sich alle einig sind, wo die Traditionen und die kulturellen Selbstverständlichkeiten noch gelten, wo Männer noch Männer und Frauen noch Frauen sind. Und so weiter. Gabaliers Lieder und Statements zielen alle auf diesen imaginären Ort.

    Aber was macht der Steirer denn so anders als andere im Bereich der Volkstümlichen Musik? Auch ein Hansi Hinterseer singt ja von der idyllischen Bergwelt und Romantik in alten Rollen-Mustern …

    Wietschorke: In der Tat sind Gabaliers Songtexte fast durchweg auf dem Niveau des volkstümlichen Schlagers angesiedelt, auch die Themen sind unglaublich konventionell. Immer und immer wieder die feschen Maderln, die Bergbauernbuam, das Edelweiß, der Großvater, der am Lindenholz schnitzt … Aber in zwei Punkten sehe ich einen Unterschied. Zum einen mischt Gabalier die volkstümliche Musik mit anderen popkulturellen Stilen: Da kommen dann Hubert von Goisern und AC/DC, Heino und Rammstein zusammen. Das ergibt ein rockästhetisch aufgepepptes Produkt, das in die Skihütte genauso perfekt passt wie ins Olympiastadion und natürlich auch sehr viele junge Leute anspricht. Das Zweite ist die permanente „Das wird man doch noch sagen dürfen“-Attitüde, die Gabalier kultiviert. Er gibt sich die Aura eines Rebellen, was seinem Bekenntnis zu Heimat und Tradition von vornherein etwas Trotziges verleiht.

    Gabalier spricht von einer "Bewegung"

    Explizit politische Momente gibt es bei Gabalier aber kaum. Er hat sich mal zu FPÖ-Mann Strache bekannt, und es gibt mit „A Meinung haben“ nur ein Lied, in dem er klagt, das sei keine Demokratie, wenn einer was sage und die anderen seien still. Das er auch noch mit Xavier Naidoo für „MTV unplugged“ eingesungen hat. Und dann ist da noch das angebliche Missverständnis mit dem Hakenkreuz auf einem Albumcover. Zufällige Indizien einer provokativen Spielerei oder Hinweise auf eine Gesinnung?

    Wietschorke: Ich glaube nicht, dass Andreas Gabalier eine explizite politische Agenda hat. In erster Linie geht es ihm sicherlich um den kommerziellen Erfolg. Allerdings setzt er bewusst ein paar Strategien ein, die sich strukturell als populistisch beschreiben lassen und die diesem Erfolg natürlich sehr zugutekommen: So appelliert Gabalier immer wieder an eine angebliche Volksmeinung der „normalen“ oder „einfachen“ Leute, die sich gegen die Zumutungen einer politisch korrekten linksliberalen Öffentlichkeit zur Wehr setzen müssen. Das Lied „A Meinung haben“ dreht sich ja genau darum. Wie viele Populisten wendet sich Gabalier tendenziell an eine schweigende Mehrheit, und er bedient sich dabei einer Geste des heimlichen Einverständnisses: Heutzutage darf man seine Meinung ja gar nicht mehr öffentlich sagen, aber Ihr und ich, wir wissen Bescheid … So holt er sein Publikum ins Boot. Und er selbst inszeniert sich auch immer als „einfacher Steirerbub“, der für sich eine generelle Unschuldsvermutung vom Land in Anspruch nimmt, wie der Standard einmal ganz treffend geschrieben hat. Das alles öffnet natürlich Resonanzräume für rechtsgerichtete politische Ideen.

    Wietschorke zu Gabalier: "Diese Formulierung hat mich auch sehr irritiert"

    Die Breitenwirkung ist enorm: Nummer-1-Alben, viermal in Folge das Münchner Olympiastadion ausverkauft, zuletzt auch zahlreiche andere bis nach Hamburg – und 2020 nun bis zu 170.000 Zuschauern im Sommer auf der Münchner Messe – was kommt da zusammen? Gehören Gesinnung und Weltbild zum Erfolgsrezept?

    Wietschorke: Man darf hier nicht den Fehler machen, den Fans von Gabalier pauschal ein bestimmtes Weltbild oder eine bestimmte Gesinnung zu unterstellen. Die meisten Fans sind sicherlich einfach von dem Typen Gabalier, seiner Bühnenshow und der Mischung aus Rockabilly-Ästhetik und volkstümlicher Musik begeistert. Dann gibt es sicherlich viele, die es schlicht gut finden, dass Gabalier kollektive Situationen schafft, in denen man Dialektrock hören und Trachtenmode tragen kann. Aber hier gibt es eben fließende Übergänge zur politischen Gesinnung. Denn man muss ja nur einen Schritt weiter gehen: Wer dann auf die Idee kommt, dass man die Heimat nicht nur besingen, sondern auch schützen sollte, bewegt sich sofort im Bereich politischer Forderungen. Da stellt sich dann die Frage, vor wem oder was die Heimat geschützt werden soll und was jetzt getan werden muss. Und schon sind wir in ganz problematischen Assoziationsketten drin.

    Sein Konzertpublikum ist im Vergleich zur Gesellschaft jedenfalls homogen – noch dazu uniform in Tracht. Mehr als Fasching? Immerhin spricht Gabalier selbst von einer Bewegung…

    Wietschorke: Diese Formulierung hat mich auch sehr irritiert. Denn genau an diesem Punkt deutet sich dann doch so etwas wie eine Agenda an: Wer ein solches popkulturelles Heimat- und Trachtenspektakel nicht einfach nur als Show, sondern als Katalysator einer Bewegung versteht, der will möglicherweise mehr. Der will auch so etwas wie eine kulturelle Hegemonie erobern. Zurück zu den echten Werten, zurück zum Bekenntnis zur eigenen nationalen und regionalen Identität. Das ist dann nicht mehr politisch unschuldig, sondern ein echtes Statement.

    "Gabalier gibt sich weder als Nationalist noch als Rassist"

    Warum ist überhaupt das Volkstümliche und der Schlager über die Generationen hinweg beliebt wie nie zuvor?

    Wietschorke: In den 1980er oder 1990er Jahren war das Publikum von Schlagersendungen und Formaten wie dem „Musikantenstadl“ ziemlich klar zu verorten. Sozial und generationell. Das hat sich durch die neueren Entwicklungen auf dem Musikmarkt geändert. Jemand wie Helene Fischer repräsentiert nicht mehr einfach nur den Schlager, sondern bietet ein innovatives, hybrides Produkt an: Volksmusik mit internationalem Pop-Glamour, Schlager mit neuen Showqualitäten. Das funktioniert, weil es ganz unterschiedliche Fraktionen des Publikums mitnimmt. Gabalier macht es ähnlich: Er steht nicht etwa für Tradition statt Moderne, sondern er kombiniert Tradition und Moderne. Die erfolgreichsten Vertreterinnen und Vertreter der Genres sind die, die Genregrenzen überschreiten. Und das wirkt dann auf die gesamte Musiksparte zurück. Dagegen wäre ich eher vorsichtig mit Erklärungen, die die Popularität der volkstümlichen Musik aus einem Unbehagen an der Globalisierung oder so ähnlich herleiten. Das ist mir als Zeitdiagnose zu großformatig.

    Wietschorke sagt, dass in der vermeintlichen Harmlosigkeit von Andreas Gabaliers Positionen eine Gefahr liegen könne.
    Wietschorke sagt, dass in der vermeintlichen Harmlosigkeit von Andreas Gabaliers Positionen eine Gefahr liegen könne. Foto: Ralf Lienert

    Was bringt die kritische Auseinandersetzung mit einem Phänomen wie Gabalier? Die Fans, die das alles hanebüchen finden und sich mit ihrem Star als Opfer einer Kampagne sehen, könnten gerade dadurch den Argumentationsmustern von Rechtspopulisten näher rücken, die im „Mainstream“ eine links-liberale Dominanz sehen und sich als verleumdet darstellen…

    Wietschorke: Gabalier wurde vor einigen Jahren einmal direkt vor einem Konzert in München mit kritischen Fragen konfrontiert, unter anderem zum Frauenbild seiner Songs. Kurze Zeit später stand er dann auf der Bühne und hat die Frauen in seinem Publikum gefragt, ob er sie „Dirndl“ nennen dürfe und was sie von „Gender“ halten würden. Es kamen natürlich genau die Reaktionen, die er sich ausgerechnet hatte. Insofern ist klar, dass die Kritik von Gabalier und auch von gewissen Fangruppen aufgegriffen und als Argument verwendet wird. Aber eine Kritik nicht zu äußern, weil dadurch die Kritisierten enger zusammenrücken könnten, war noch nie eine sinnvolle Strategie.

    Ein „Wir gegen die“-Gefühl gegen Kritiker pflegen jedenfalls auch Bands wie Freiwild, kritisch beäugt, weil sie ihr Südtirol feiern. Ist Patriotismus das Problem? Nicht jede Heimatliebe ist Heimattümelei und völkisch. Aber bis zu eindeutig Extremen, zu denen man sich ja explizit bekennen muss, gibt es ja eine breite Grauzone? Woran kann man festmachen, was noch harmlos und was schon gefährlich ist?

    Wietschorke: Wie gesagt: Gabalier gibt sich weder als Nationalist noch als Rassist. Völkische Positionen vertritt er nicht. Und auch seine Provokationen sind im Vergleich zu Bands wie Rammstein oder Laibach eher harmlos – denken wir an seine Weigerung, den neuen Text der österreichischen Bundeshymne zu singen. Aber man könnte sagen, dass gerade in dieser vermeintlichen Harmlosigkeit eine Gefahr liegt. Denn Gabalier schafft eine Echokammer für Rechtspopulismus, ohne sich darauf festlegen zu lassen. Er braucht sich nur hinzustellen und sagen, dass man heutzutage konsequent seine Meinung vertreten sollte – und schon brandet im Stadion der Applaus auf. Was das für eine Meinung ist, bleibt unklar, diese Leerstelle kann vom Publikum gefüllt werden. Und das ist dann natürlich eine sehr machtvolle Projektionsfläche. Im Lied „A Meinung haben“ kommt die Zeile vor: „Irgendwann kommt dann der Punkt, wo’s einem reicht, dann wird’s zuviel.“ Wer so etwas vor dem Hintergrund der Flüchtlingsdebatten 2015/16 auf einer Stadionbühne singt, der wird ganz genau verstanden, auch wenn er nicht sagt, worum es ihm da konkret geht. Und das erzeugt eine ganz diffuse Stimmung des Einverständnisses. So funktioniert der Populismus von Andreas Gabalier.

    Über Jens Wietschorke: PD Dr. Jens Wietschorke ist Kulturwissenschaftler am Institut für Empirische Kulturwissenschaft und Europäische Ethnologie der LMU München. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören Stadt- und Architekturforschung, die Kulturgeschichte sozialer Ungleichheit und aktuelle Debatten um Rechtspopulismus.

    Über Musik in der Grauzone nach rechts lesen Sie hier einen Artikel.

    Mehr über Andreas Gabalier finden Sie in folgenden Artikeln:

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