Ein Ende bedeutet oft auch Anfang, Hinwendung zu etwas Neuem, aber auch Vertiefung des Vertrauten. Julius Berger – er feiert im Oktober seinen 65. Geburtstag – hat den Lehrberuf als Professor am Leopold-Mozart-Zentrum der Universität Augsburg (LMZ) mit dem zurückliegenden Sommersemester beendet. Seine Cello-Klasse wird trotzdem in bewunderter Erinnerung bleiben. Und er wird die zahlreichen Talente vermissen, die aus aller Welt bei ihm entscheidende Prägung erhielten und in gehobene musikalische Positionen gelangten. Junge Begabungen voranzubringen, gehört zu den Leidenschaften des Pädagogen Julius Berger.
Das beweist seine eigene Karriere: Als einer der seinerzeit jüngsten Professoren wurde er 28-jährig an die Würzburger Hochschule berufen; es folgten Stationen in Saarbrücken und Mainz. Und die Förderung des internationalen Top-Nachwuchses fand auch in seiner Klasse an der Sommerakademie am Salzburger Mozarteum statt. Von 2000 an spielte er in den Entwicklungsstufen des Augsburger Konservatoriums, über das Experiment der Hochschule Augsburg/Nürnberg bis zum heutigen LMZ eine führende Rolle – wenn auch eine sporadisch stark umstrittene. Als langjähriger Künstlerischer Leiter hob er den Stellenwert des weltweit hoch angesehenen Internationalen Violinwettbewerbs Leopold Mozart.
Partner von Bernstein, Messiaenund Gidon Kremer
Dies ist der akademisch-pädagogische Weg des gebürtigen Augsburgers, der in München bei Walter Reichardt und Fritz Kiskalt studierte und am Mozarteum Assistent von Antonio Janigro war. Bergers musikalische Persönlichkeit manifestiert sich auch in der internationalen Präsenz als Cellovirtuose, der im Konzertaal, bei wichtigen Festivals und als Juror Aufmerksamkeit und Achtung von Veranstaltern, Publikum und Kollegen erhielt. So gab es Begegnungen und Partnerschaften mit Größen wie Leonard Bernstein, Eugen Jochum, Olivier Messiaen und Gidon Kremer – besonders durch das Mitwirken beim legendären Lockenhaus-Festival, wovon auch eine CD-Kassette zeugt.
Entscheidend für Bergers künstlerische Relevanz war nicht nur das Karriere-Podium, sondern sein Wirken, das über den Vollzug der Noten hinausgeht. Der Cellist, der auch als Musikhistoriker Leidenschaft und Kompetenz beweist, ist natürlich mit der großen Literatur vom frühen Barock bis zu Klassik, Romantik und klassischer Moderne vertraut. Aber allein das würde ihm nicht genügen. So ist seine Entdeckerfreude für die unbekannteren und für das Begreifen der klingenden Historie wichtigen Nischen von Bedeutung.
Verdienste um das Gesamtwerkvon Luigi Boccherini
Seine Edierungs-, Konzert- und Aufnahmetätigkeit erstreckt sich vom Gesamtwerk Luigi Boccherinis und des Neapolitaners Leonardo Leo (1694 – 1744) bis hin zur faszinierenden CD „Birth of the Cello“, auf der mit Werken der frühbarocken Meister Gianbattista Degli Antonii und Domenico Gabrielli die Entwicklung des Cellospiels genussreich dokumentiert ist. Hier spielte Julius Berger auf einer Amati Carlo IX.
Vor allem aber: Julius Berger bringt die Aura der alten Klänge immer in Zusammenhang mit der neuesten, durchaus auch extremen Avantgarde. So verwundert es nicht, dass er vor kurzem das folgende Experiment wagte: die Einspielung der sechs Cello-Suiten von Johann Sebastian Bach – kombiniert mit John Cage. Jeweils einem Suiten-Paar ließ er die flirrenden Ur-Klänge, die sphärischen Geräusche-Anmutungen aus Cages „One 8“ vorangehen, aus denen sich dann Bachs Kosmos, von Berger bewegend gespielt, hervorhebt. Eingeflochten sind zudem auch drei von seinem Sohn Immamuel Jun mit Knabenstimme gesungene Choräle. In Sachen Bach stellte Berger auch auf der CD „Inspired bei Bach“ Verbindungen her: Sie zeigt auf, wo Brahms, Beethoven und Reger sich vom Übervater der Musik inspirieren ließen.
Cello-Doppelkonzert von Sofia Gubaidulina
Extreme Pole können sich also bei Berger treffen, Altes berührt das Heutige. Komponisten wie Wilhelm Killmayer, Mikis Theodorakis, Krzysztof Meyer haben für ihn Werke geschrieben, allen voran aber die Russin Sofia Gubaidulina. Sie hat unter anderem Berger und seiner koreanischen Ehefrau Hyun-Jung Berger, ebenfalls Cellistin, ein Doppelkonzert gewidmet. Gubaidulina erklärt: „Musik hat sich für mich auf natürliche Weise mit der Religion verbunden, der Klang wurde für mich zu etwas Sakralem“ – für Julius Berger das eigene Credo.
Das Bekenntnis ist auch in „Tautropfen“ zu lesen, Bergers kürzlich herausgebrachtem Buch, in dem lyrisch komprimierte Texte und Schwarz-Weiß-Fotos faszinierender Tautropfen-Motive poetisch zusammenklingen.
Natur, die Allgäuer Berge vor allem, spielen darin eine fast spirituelle Rolle. Sie wird es verstärkt weitertun, wenn Julius Berger sie jetzt intensiver – neben weiterem international-musikalischem Wirken, im geliebten Heimatort Hohenschwangau erlebt.