Also die Mimi. Ohne Krimi würde die heute immer noch nicht ins Bett gehen. Aber ihr Geschmack hätte sich komplett verändert. Mimis Schlaflektüre wäre mittlerweile deutlich brutaler als noch in den 60er Jahren, als Bill Ramsey Mimis Leidenschaft besang. „Frauen lesen die viel grausameren Kriminalromane als die Männer“, sagt Monika Dobler. Peng!
Es ist ein heller Nachmittag. Monika Dobler, beige Hose, beiger Strickpulli, praktische Kurzhaarfrisur, sitzt im kleinen Café neben ihrer Kriminalbuchhandlung „Glatteis“ . Den Frauen könne es oft gar nicht brutal genug sein, sagt sie. „Die mögen düstere Krimis mit Folter und üblen Psychopathen.“ Thriller der amerikanischen Autorin Karin Slaughter etwa. Da täusche sie sich auch in manch ganz harmlos aussehenden Damen. „Die holen sich nicht selten die heftigsten Bücher“.
Seit 18 Jahren gibt es Münchens einzige Kriminalbuchhandlung in der Corneliusstraße. Benannt ist sie übrigens nach „Glatteis“, einem inzwischen vergriffenen Kriminalroman von Hans Werner Kettenbach. Der Laden ist eine Institution im mittlerweile schick gewordenen Glockenbachviertel. Überwiegend Kriminalromane stehen vom Boden bis zur Decke in den Regalen. Gut 3000, schätzt die Inhaberin. Klassische Kriminalromane, Kinder-Krimis, nur wenige regionale Krimis, aktuelle Bestseller und echte Kenner-Kost. Sie selbst, sagt Monika Dobler schelmisch lächelnd, habe übrigens „beim Lesen ein Männer-Gen“. Aha! Männer lesen gerne Kriminalromane, die politisch sind. Harte, ehrliche Gewalt ja, aber keine Psychospielchen. Und hinzukomme: Männer wollen eine gute Story.
Ehrliches Männer-Gen, grausames Frauen-Gen … Wie auch immer, das Ansehen des Genres habe sich total verändert, erklärt Monika Dobler. „Der Krimi ist raus aus der Schmuddelecke“. Er ist längst gesellschaftsfähig geworden. Auch bei den Bildungsbürgern. Dass die Deutschen erst spät ihre Liebe zu den Mordgeschichten entdeckten, habe seine Gründe. In der Nazizeit waren Kriminalromane verboten, dann hätten sie den Ruf gehabt, schlichte Schundlektüre zu sein. Dabei habe es schon immer gute und anspruchsvolle Kriminalliteratur gegeben. Man denke nur an die Bücher des schwedischen Autorenduos Sjöwall und Wahlöö.
Die Deutschen seien jedoch im Gegensatz zu den Engländern, Schweden und Amerikanern sehr spät draufgekommen. Nun sei die Liebe aber flammend und nachhaltig. Auslöser waren die Wallander-Krimis von Henning Mankell. Ein Treffer voll ins Herz. Da hätten auch die Deutschen gemerkt, dass es um mehr gehe als nur darum, nach 200 Seiten einen Mörder zu finden. Heute gebe es kaum noch einen deutschen Verlag, der keine eigene Krimi-Reihe auflege. Sogar Suhrkamp habe eine und das sei vor einigen Jahren „noch undenkbar“ gewesen, sagt die Kennerin.
Einen guten Krimi könne man als ernst zu nehmenden Gesellschaftsroman einordnen. Er erzähle vom Leben, wie eine Stadt oder ein Land tickt. Die Hintergründe der Handlung seien oft so intensiv recherchiert wie ein Sachbuch – würden dann aber eben nur in eine Krimihandlung eingebettet. So, wie die Bücher von Dominique Manotti aus Frankreich etwa. Oder Oliver Bottini, der in „Die dunklen Winkel des Todes“ über spekulative Landaufkäufe in Rumänien schreibt. Dafür wurde er in diesem Jahr mit dem Deutschen Krimipreis ausgezeichnet. Oder die Algerien-Krimis von Yasmina Khadra. Der Autor, der mittlerweile in Frankreich im Exil lebt, thematisiert in seinen Büchern die Geschichte seines Landes. Oder Leonardo Padura, der in seinen Kuba-Kriminalromanen mit dem Sozialismus abrechnet. Früher habe er kritische Reportagen geschrieben. Nun schreibe er Krimis.
Serienmörder sind etwas aus der Mode gekommen
Endlos könnte man Monika Dobler zuhören, wenn sie über außergewöhnliche Kriminalromane und ihre Autoren spricht. Dabei hat sie ausgerechnet in einer theologischen Buchhandlung begonnen, bevor sie von ihrer damaligen Partnerin Gabriele Fauser, Ehefrau des Schriftstellers Jörg Fauser, überredet wurde, die Krimibuchhandlung zu gründen.
Rückblickend sagt sie, das Niveau der Bücher sei mit den Jahren gestiegen. Dadurch, dass sich die Kriminalromane bei einem breiten Publikum durchgesetzt haben, hatte das Genre die Chance, anspruchsvoller zu werden. Natürlich gibt es in ihrer Buchhandlung die gängigen Bestseller wie den aktuellen Nesbø „Macbeth“ („Das wird der Knaller des Krimiherbstes“). Aber vor allem hat diese Kriminalbuchhandlung Werke in den Regalen, „für die man sich einsetzen, beraten, seine Kunden kennen muss“. Anstrengend sei das, mache aber auch den Spaß aus, sagt die 64-Jährige.
Bei Monika Dobler finden sich Krimis von spezialisierten Verlagen wie Ariadne, Pendragon, Polar, Grafit und sogar dem spleenigen Berliner Verlag Pulp Master, der immer nur ein Buch auflegt und das nächste erst angeht, wenn er mit dem anderen wieder ausreichend Geld verdient hat. Ja, sie müsse „voll in die Nische gehen“, sonst könne sie sich von den klassischen Buchhandlungen nicht abheben. Keine Sorgen also, dass Internethändler „Glatteis“ das Geschäft plattmachen könnten? In all den Jahren hat Monika Dobler festgestellt: „Leser, die in eine so kleine Buchhandlung gehen, kaufen nicht bei Amazon ein“. Das seien anspruchsvolle Menschen, die beraten werden wollten. Mehr Sorgen hätte ihr der Trend zu den E-Readern bereitet. „Krimi-Leser sind Vielleser, die wissen oft gar nicht, wohin mit den Büchern“. Da erschien es ihr nur logisch, dass viele durch einen E-Reader zu Hause Platz sparen wollten, sich die Bücher auf den Computer laden. Dobler ist mit der Zeit gegangen. Auch Sie stellt ihren Kunden mittlerweile E-Books via E-Mail zur Verfügung.
Eine Frau braucht schnellen Rat: Baldacci, ist der gut? „Den kannst du nehmen, bei dem weiß man, dass immer recht schnell etwas passiert …“ Gibt es eigentlich einen Autoren, den sie jedem Kunden empfehlen könnte? Fred Vargas, sagt Monika Dobler. Die preisgekrönte französische Autorin zähle auch zu ihren persönlichen Lieblingen. Drei Bücher liest Monika Dobler jede Woche. Eines in der U-Bahn, eines im Geschäft, und eines liegt auf dem Nachtkästchen. Am Wochenende werden dann alle zu Ende gelesen. Auch Kriminalromane seien Moden unterworfen, sagt die Vielleserin.
Gott sei Dank gebe es derzeit immer weniger depressive Kommissare, die die ganze Aufmerksamkeit auf sich zögen. Auch die große Zeit der Psychokrimis scheine vorüber. Und auch die Serienmörder seien aus der Mode gekommen. Noch immer gebe es aber viele Bücher, in denen Kindern Gewalt angetan werde. Seit kurzem sehe sie eine kleine Asienwelle bei den Autoren, viele Handlungen würden derzeit in Japan angesiedelt. Erstaunlicherweise thematisierten kaum Krimi-Autoren, abgesehen von Max Annas (siehe unten), die Flüchtlingsproblematik. Der Krimi, wagt Dobler eine Prognose, wird sich weiter gesellschaftskritisch entwickeln. Das Internet wird eine große Rolle spielen, es werde mit Sicherheit in Zukunft globaler ermittelt.