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Kommentar: Warum interessieren sich die Kirchen so wenig füreinander?

Kommentar

Warum interessieren sich die Kirchen so wenig füreinander?

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    Auf dem Frankfurter Römerberg spiegelt sich der Buchstabe U aus dem Motto "schaut hin" für den 3. Ökumenischen Kirchentag in einer Pfütze.
    Auf dem Frankfurter Römerberg spiegelt sich der Buchstabe U aus dem Motto "schaut hin" für den 3. Ökumenischen Kirchentag in einer Pfütze. Foto: Arne Dedert, dpa

    Auf dieses Zeichen warten die deutschen Katholiken wohl noch einige Zeit: Ziemlich überraschend hat die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland jetzt die 25-jährige Studentin Anna-Nicole Heinrich zur jüngsten Präses gewählt und damit zwei Generationen übersprungen. Ihre Vorgängerin Irmgard Schwaetzer war immerhin 79 Jahre alt. Hier will eine Kirche mutig in die Zukunft aufbrechen, anstatt sich ängstlich ans Altvertraute zu klammern.

    Einen solchen Aufbruch wünschte man sich auch vom 3. Ökumenischen Kirchentag, der an Christi Himmelfahrt in Frankfurt eröffnet wird. Die Erwartungen hat jedoch nicht nur die Corona-Pandemie sehr gedämpft, die den Kirchentag nahezu komplett ins Digitale verbannt. Es drängt sich auch der Eindruck auf, als sei das Interesse an Ökumene zurzeit eher gering. Flau und ohne Schwung fiel kürzlich die Eröffnung der Woche für das Leben im Augsburger Dom aus. Der gemeinsame Auftritt beider großen Kirchen wirkte wie eine Pflichtübung, die man halt vollzieht.

    Aufsehenerregende Provokationen gehören der Vergangenheit an

    Die katholische Kirche ist extrem mit sich selbst beschäftigt. In den Grundfesten erschüttert hat sie die Missbrauchsdebatte, insbesondere seit das brisante Kölner Rechtsgutachten vorliegt, das auch persönliche Verantwortung bis hinauf zu Bischöfen benennt. Deutlich milder fallen entsprechende Vorwürfe gegenüber der evangelischen Kirche aus. Katholischerseits kommen dazu erhebliche Spannungen mit Rom. Die Deutschen werden wegen ihres Synodalen Wegs äußerst kritisch im Vatikan beäugt. Es geistert die Behauptung herum, man lasse es auf eine nationalkirchliche Abspaltung ankommen. Das bindet Kraft und lässt die Akteure der Bischofskonferenz vorsichtiger werden.

    Auf dem Frankfurter Römerberg spiegelt sich der Buchstabe U aus dem Motto "schaut hin" für den 3. Ökumenischen Kirchentag in einer Pfütze.
    Auf dem Frankfurter Römerberg spiegelt sich der Buchstabe U aus dem Motto "schaut hin" für den 3. Ökumenischen Kirchentag in einer Pfütze. Foto: Arne Dedert, dpa

    Von einem gemeinsamen Abendmahl, das ein katholisch-evangelischer Studienkreis der Kirchen vor zwei Jahren für theologisch durchaus vertretbar gehalten hat, wagt inzwischen kein katholischer Bischof mehr zu träumen. Aufsehenerregende Provokationen wie die gemeinsame Eucharistiefeier des Rebellen Gotthold Hasenhüttl beim ersten Ökumenischen Kirchentag 2003 in Berlin gehören der Vergangenheit an. In Frankfurt will man „ökumenisch sensibel feiern“ und beim Empfang von Abendmahl oder Eucharistie die individuelle Gewissensentscheidung achten. Als wäre dies nicht schon lange jeden Sonntag übliche Praxis in den meisten Gottesdiensten.

    Die Kirchen eint die Krise und treibt sie zur Erneuerung

    Können die Zukunftsprozesse, die beide Kirchen angeleiert haben, wieder neuen ökumenischen Schwung verleihen? Durchaus, wenn sie sich auf das Wesentliche besinnen, also auf die Verkündigung eines menschenfreundlichen Gottes. Es eint sie eine Krise, die zur Erneuerung drängt. Beide Kirchen sehen sich bedrängt von zurückgehenden Zahlen ihrer Mitglieder und dem Verlust gesellschaftlicher Relevanz. Gerichtsurteile wie das zum ärztlich assistierten Suizid zeigen einen Liberalismus im Vormarsch, der den Menschen als absolut selbstbestimmtes Wesen begreift. Christen wissen sich jedoch einem allen gemeinsamen Geber des Lebens verpflichtet.

    Ökumene steht heute eher bei der praktischen Seelsorge im Vordergrund. Die Pandemie hat die Gläubigen monatelang vom Besuch von Gottesdiensten abgeschnitten, sodass sich eine mediale Ökumene ergab. In den Bildschirmgottesdiensten ebneten sich konfessionelle Unterschiede ein. In Pflegeheimen und Krankenhäusern wurde ebenso wenig nach kirchlicher Zugehörigkeit gefragt, wenn es um geistliche Begleitung schwerkranker, isolierter Menschen ging. Nun wird es darauf ankommen, Vertrauen wieder zu stärken – und die Bereitschaft, sich zu versöhnen. Was für eine Chance, das Beste des christlichen Glaubens zu beweisen.

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