Während Berlin verwegen- stolz damit kokettiert, dass es arm, aber sexy sei, freut sich München dieser Tage quasi doppelt diebisch, dass es alles habe, um kulturell reich, sexy und blendend schön dazustehen. Nur leicht übertrieben weiht in Corona-Zeiten und im Wochentakt der Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter frisch herausgeputzte oder gar gänzlich neue Musentempel ein: Ende September war es die neue (Tanz-)Veranstaltungshalle „Schwere Reiter“ im Kreativzentrum an der Dachauer Straße; Anfang Oktober war es die 1900 Plätze umfassende Isarphilharmonie in Sendling als Ausweichquartier für den zu sanierenden Gasteig, am vergangenen Wochenende war es das neu hochgezogene Volkstheater im Schlachthofviertel mit gleich drei Bühnen im Haus.
Und bei all dem bleiben noch die Mittel, in den kommenden Jahren eben den Gasteig zu sanieren (450 Millionen Euro) und unter anderem das Stadtmuseum (200 Millionen). So viel zum uralten kommunalkulturellen Wettlauf zwischen Berlin und München, bei dem eine eher rappelschlanke Gestalt auf einen anscheinend in Saft und Kraft stehenden Athleten trifft.
Sinnvoller, effizienter wäre gewesen: kleiner Aufschub der Gasteig-Sanierung und schnellerer Bau des Konzerthauses am Ostbahnhof
Warum aber kann sich München doppelt diebisch freuen? Nun ja, im Hintergrund stehen – an der Spree wie an der Isar – ja auch noch Bund und Freistaat. In der Hauptstadt Berlin finanziert der Bund auch aus Repräsentationsgründen so einiges, womit sich die Sex-Appeal-Stadt ansonsten nicht aufbrezeln könnte, und in München ist es der Freistaat, der die Landeshauptstadt als Leuchtturm heftig blinken lassen will. Der aparte Reiz, die diebische Freude liegt nun darin, dass der Freistaat – parteipolitisch betrachtet – traditionell schwarz, die Landeshauptstadt aber traditionell eher rot ist.
Und jetzt zeigt München eben dem Land auf, was es aus eigener kulturpolitischer Kraft zusätzlich noch stemmen kann – ganz abgesehen davon, dass München darüber hinaus die gesamte Republik vorführt, indem sie planvoll bauen lässt – ohne Kostensteigerung und Verzögerung. Gelang bei der Isarphilharmonie (40 Millionen) ebenso wie beim Volkstheater (131 Millionen Euro). Den Schlüssel dazu dreht auch ein Bau-Generalunternehmer im Schloss um, der alles, darunter die zu koordinierenden Arbeitsabläufe, im Blick zu halten hat.
Mal sehen, was der Freistaat nun an Trümpfen für das geplante Konzerthaus am Ostbahnhof aus dem Ärmel zieht
Was nun den Eifer, die klammheimliche Rivalität zwischen dem schwarzen Freistaat und dem derzeit rot-grünen München angeht, dafür ist gerade die erstaunlich taugliche Isarphilharmonie ein hübsches Illustrationsobjekt. Während der Freistaat versprochen hat, am Ostbahnhof ein neues Konzerthaus vornehmlich für das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks zu errichten, plante München vornehmlich für sein städtisches Orchester, die Philharmoniker, munter und parallel das Interim Isarphilharmonie. Auf dass jedes Ensemble eine eigene Adresse und Visitenkarte vorzeigen kann.
Sinnvoller, effizienter wäre gewesen: kleiner Aufschub der Gasteig-Sanierung und schnellerer Bau des Konzerthauses am Ostbahnhof, wo dann die Münchner Philharmoniker solange hätten Heimstatt finden können, bis der Gasteig eben fertig saniert ist. So oder so ähnlich hätte jedenfalls ein Familienoberhaupt mit Blick auf die Haushaltskasse gehandelt.
Jetzt aber sind die Karten neu gemischt durch die flott überrumpelnde Landeshauptstadt, die mit der Isarphilharmonie ein Faktum von Ausstrahlungskraft geschaffen hat, das in sechs oder sieben Jahren als Konzertsaal durchaus weiterverwendet werden dürfte...
Mal sehen, was der Freistaat nun an Trümpfen für das geplante Konzerthaus am Ostbahnhof aus dem Ärmel zieht.