Dass die bayerische Staatsregierung nun endlich finanzielle Hilfe auch für Selbstständige im Kulturbereich und freie Künstler ankündigt, passiert im letzten Moment. Es bleibt nicht die einzige Maßnahme in Sachen Corona, bei der der Eindruck entsteht, im Sommer hätte bereits mehr an prophylaktischer Vorbereitung auf das anstehende, absehbar schwere Winterhalbjahr getan werden können, als getan wurde.
Die Situation für die Kreativwirtschaft wird sich weiter zuspitzen
Auch ist noch keineswegs sicher gewährleistet, dass die angekündigte finanzielle Unterstützung die üblichen bürokratischen Hürden zügig überspringt und dort ankommt, wo sie dringend gebraucht wird: bei all denen, die – ohne Management und Betriebsbüro – ihr ureigenes Ding drehen und dieses planen, organisieren, einstudieren, aufführen und hernach steuererklären. Also die vielen, vielen freien Kulturschaffenden und Künstler im Land – vom DJ über den Kabarettisten und Jazzer bis hin zu den Schauspielern und Sängern, die für Werkverträge auf Honorarbasis von Bühne zu Bühne, von Theater zu Theater reisen. Ohne sie – plus den dahinterstehenden Crews aus Tontechnikern und Beleuchtern etwa – gäbe es weder Kleinkunst noch repräsentative Festivals, dessen muss man sich bewusst sein.
Freistaatliche Hilfe hin oder her: Die Lage hat sich längst zugespitzt – und wird sich im beginnenden Winterhalbjahr wohl weiter zuspitzen. Nur die Diskretion untersagt, jene sogar namhaften Künstler zu benennen, die derzeit geradezu um Auftrittsmöglichkeiten betteln – und dieses gewiss nicht wegen des sogenannten „Brot des Künstlers“, sprich: Applaus, sondern wegen der tatsächlichen Semmeln, die Familien zum Frühstück nun einmal brauchen, um über den Tag und die Runden zu kommen.
Da tröstet und hilft auch nicht, dass es in Großbritannien, Italien und den USA noch schlimmer steht, weil dort selbst angestellte Künstler in eine rabenschwarze Zukunft schauen müssen. Könnte bei uns aber auch noch kommen. Denn dass die Hilfsmaßnahmen in Bayern tatsächlich im allerletzten Moment bekannt gegeben werden, dies hängt ja auch mit den neuerlich verschärften Corona-Sicherheitsmaßnahmen der vergangenen Woche zusammen: Nun ist in den Städten wegen hoher Inzidenz nur noch eine Zuhörerschaft von 50 Personen pro Kulturveranstaltung erlaubt, was wiederum zu Absagen und Einnahmeausfällen führen wird, wahrscheinlich über die kommenden Monate hinweg.
In Bayern gilt praktisch ein Kultur-Lockdown
Ein Auftritt lohnt sich für Bühnenkünstler und Veranstalter schlichtweg nicht; in vielen Fällen wäre es sogar noch ein Zuschussunternehmen. Mit der kategorischen Regelung ist praktisch ein abendlicher und nächtlicher Kultur-Lockdown verhängt. Und so stellt sich zum x-ten Mal in der Pandemie die Frage nach den Verhältnismäßigkeiten. Im Flugzeug, im Nahverkehr, in Gottesdiensten gilt nämlich keine numerische Besetzungsbegrenzung. Und damit liegt der pikante Gedanke alles andere als fern, dass Wirtschaft, Infrastruktur und Glaubensvermittlung womöglich doch ein wenig „gleicher“ sind als die Kultur – mithin weniger Beschränkungen erfahren. Das würde durchaus ins Bild passen zur bislang in vielen Ländern und Staaten hintangestellten Kultur.
Ein wenig verschämt wird von Politikern ins Feld geführt, dass mit gesetzten Publikumsobergrenzen automatisch auch die Zahl der An- und Abfahrten zum Veranstaltungsort gedrosselt würden – was letztlich im Sinne jedes Lockdown und auch im Sinne der Kanzlerin ist: möglichst zu Hause zu bleiben. Freilich gilt auch: Wenn Masken im Bus-Berufsverkehr helfen und im Drogeriemarkt, dann helfen sie – bei Abstand – erst recht in den Sitzreihen vor Konzertbühnen.
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