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Kommentar: Die Demokratie nimmt an der Corona-Krisenpolitik Schaden

Kommentar

Die Demokratie nimmt an der Corona-Krisenpolitik Schaden

Richard Mayr
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    Die nächtliche Ausgangssperre ist nur einen der umstrittenen Corona-Regeln.
    Die nächtliche Ausgangssperre ist nur einen der umstrittenen Corona-Regeln. Foto: Frank Hoermann/Sven Simon (Archiv)

    Vor einem Jahr hat das Coronavirus Deutschland das erste Mal nachweislich erreicht. Damals – Ende Januar – hat man nicht verstanden, welche Folgen das nach sich ziehen wird. Erst im März, als sich das Virus in Deutschland festsetzen und in Windeseile ausbreiten konnte, antwortete der Staat mit Maßnahmen, die bis dahin unvorstellbar erschienen: Unsere demokratisch gewählte Regierung verordnete Lockdown, Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen und beschnitt Grundrechte in einer Weise, wie das keine Bundesregierung bislang getan hat.

    Zu Beginn der Pandemie, als noch wenig über das Virus bekannt war, blieb kaum eine andere Wahl. Die Pandemie einfach laufen lassen, das sieht man nun im Herbst und Winter, ist sicher keine gute Option. Die hohe Zustimmung zu den staatlichen Zwangsmaßnahmen verdeutlicht, dass das vielen Menschen bewusst ist.

    Corona-Regeln: Grundrechte einzuschränken, das muss der letzte Schritt sein

    Auch nach zehn Monaten stehen mehr als 80 Prozent hinter der Coronapolitik. Allerdings sollte man auch auf deren Folgen für die Demokratie achten. Grundrechte einzuschränken, das muss der letzte Schritt sein, wenn es keine andere Möglichkeit gibt. Denn es geht dabei an das Fundament unseres Zusammenlebens. Dass das im Augenblick erheblich gestört ist, spürt jeder schmerzhaft. Abends nach neun Uhr vor die Haustür gehen oder mehr als einen Besucher zu Hause empfangen, ahndet der Staat mit Bußgeldern.

    Von der Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen ist immer die Rede. Mit dieser Formulierung geben die Politiker den Grundrechtseinschränkungen den Charakter von Angemessenheit. Wenn aber – falls die Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen angezweifelt wird – als Gegenargument immer das Wohl aller und nie die konkrete Situation in Betracht gezogen wird, wenn also nicht über die Ansteckungsmöglichkeiten draußen an einem See gesprochen wird, sondern über die hohen Fall- und Sterbezahlen im Land sowie die Belastung des Gesundheitswesens, kann es nie eine Verhältnismäßigkeit, sondern nur maximale Einschränkung geben.

    Es müsste endlich ein klares Ziel der Corona-Krisenpolitik benannt werden

    Genau das bringt immer mehr Menschen zum Verzweifeln. Gehen die Politiker wirklich behutsam und verhältnismäßig mit den extremen Gegenmaßnahmen gegen die Pandemie um? Dann müsste endlich einmal ein klares Ziel benannt werden, wann die Maßnahmen gelockert werden können. Verfolgt die Regierung eine Null-Corona-Strategie oder nur eine Senkung der Sieben-Tages-Inzidenz? Das wird nicht gesagt. Stattdessen werden neue Einschränkungen wie die 15-Kilometer-Regel nach dem Prinzip von Versuch und Irrtum eingeführt. Grundrechte kommen einem da wie ein politisches Spielzeug vor. Wenn ein Gericht diese Regelung kassieren sollte, versucht man eben eine andere. Dass aus Datenschutzbedenken die Corona-Warn-App zu einem fast wirkungslosen Freiwilligkeitsinstrument geworden ist, gleichzeitig aber Grundrechte beschnitten werden, die einen persönlich anders als eine App sehr stark treffen, erscheint im Januar 2021 grotesk.

    Dann muss bedacht werden, welche Langzeitfolgen die Krisenpolitik entfaltet – zum Beispiel den Verlust der Überzeugung, dass Grundrechte grundsätzlich gewahrt werden. Was heute Corona ist, mag morgen der Klimawandel sein. Bei Heranwachsenden wird das noch tiefere Spuren hinterlassen. Dann bekommt der Gedanke, dass die Gesellschaft 75 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg langsam vergessen könnte, welche Errungenschaften Demokratie, Gerechtigkeit und Grundrechte darstellen, etwas Reales. Nun spürt man wegen der Corona-Pandemie bereits, wie sich ein Leben mit eingeschränkten Grundrechten anfühlt.

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