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Kommentar: Aus dem Wachkoma geholt: Die Kultur braucht jetzt Zuversicht

Kommentar

Aus dem Wachkoma geholt: Die Kultur braucht jetzt Zuversicht

Richard Mayr
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    Das Cineplex Kino in Aichach konnte monatelang seine Säle nicht öffnen. Die Corona-Pandemie ging vielen Kulturschaffenden an die Grundsubstanz, egal ob Solo-Selbstständige oder Veranstalter.
    Das Cineplex Kino in Aichach konnte monatelang seine Säle nicht öffnen. Die Corona-Pandemie ging vielen Kulturschaffenden an die Grundsubstanz, egal ob Solo-Selbstständige oder Veranstalter. Foto: Ulrich Wagner

    Dass jetzt alles wieder gut ist im Kulturleben, nur weil die ersten Museen wieder geöffnet haben, die Theater langsam wieder spielen dürfen, das wäre zu schön, um wahr zu sein. Auch wenn die Kennzahlen der Pandemie jetzt Tag für Tag und Woche für Woche rückläufig sind, ist die Pandemie noch nicht vorbei, gelten für die meisten kulturellen Angebote Einschränkungen, von der Test- über die Masken- bis zur Abstandspflicht. Es gibt da also auch weiterhin viele Hindernisse und Hemmnisse, die den Neustart nach den vielen Monaten Lockdown erschweren. Verständlicherweise haben die deutschen Kinoverbände deshalb zum Beispiel den 1.Juli als deutschlandweiten Starttermin ausgegeben.

    Dass der Jubelschrei über die Öffnungen gerade ausbleibt, liegt auch daran, dass das Kulturleben jetzt fast sieben Monate am Stück in ein Wachkoma versetzt worden ist – ein sehr langer Zeitraum, in dem vieles deutlich wurde, das erst einmal verarbeitet werden muss. Wer zum Beispiel die Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie als Gradmesser des gesellschaftlichen Stellenwerts anlegt, sieht das Kulturleben als einen Teil des Freizeitangebots mit Fitnessstudios und Zoos gleichgesetzt.

    Kultur dient nicht nur zur Erholung, sondern auch zur Inspiration

    Dass Kultur aber nicht nur der Erholung dient, dass sie für viele – nicht nur für die Künstler, sondern auch für das Publikum – ein ewiger Quell der Inspiration ist, dass Kultur den Blick weitet und hilft, diese komplexe Welt zu verstehen, dass sie viel von dem bietet, was in Corona-Zeiten bitter nötig gewesen wäre, hat bei all den politischen Entscheidungen keine Rolle gespielt. Systemrelevanter waren andere Bereiche.

    Das stellt das Selbstverständnis vieler Künstler infrage, ob sie nun Musiker, Schriftsteller, Schauspieler, Sänger, Tänzer oder bildende Künstler sind. Und wenn nach Corona weiterhin davon die Rede sein sollte, eine Kulturnation zu sein, kann es gut sein, dass der eine oder die andere dabei laut auflacht, weil er oder sie das für einen Witz hält.

    Erschreckend auch, nun gesehen zu haben, wie wenig der Staat von der Lebenswirklichkeit der Künstler weiß, wie schwer er sich getan hat, für sie passende Corona-Hilfen zu schaffen. So gern man sich in Rathäusern und Ministerien mit Kunst umgibt, so wenig ist bekannt, wie Künstler von ihrer Berufung leben.

    Eine prekäre wirtschaftliche Lage für die Kultur durch die Corona-Pandemie

    Aber: Trotz aller Schließungen ist es Künstlern die ganze Corona-Zeit über gelungen, lautstark auf die eigene Situation hinzuweisen. Da sind Künstler dann doch Medienprofis genug – zuletzt mit der umstrittenen Aktion #allesdichtmachen, die zu tagelangen Debatten führte, ob die ironische Kritik am Corona-Krisenmanagement der Situation angemessen sei.

    Zu den Lasten, die den Start des Kulturlebens nach der Pandemie erschweren, gehört auch die prekäre wirtschaftliche Lage. Für viele ging der lange Lockdown an die Grundsubstanz, ob nun bei den Solo-Selbstständigen, den Konzertveranstaltern oder den Kinobetreibern.

    So mag man vor einem Jahr beim Ausbruch der Pandemie noch gehofft haben, dass nach dem Lockdown ein großes Fest des gesellschaftlichen Erwachens gefeiert wird. Jetzt, wo es wieder zu ersten Lockerungen kommt, fühlt sich das nun gänzlich anders an: Wie die ersten Schritte nach einer langen, schweren Krankheit.

    Was der Patient zum Genesen benötigt, ist nun Zuversicht, dass die Politik die Corona-Beschränkungen mit dem Sinken der Inzidenz so zurücknimmt, dass Kulturveranstaltungen nicht nur möglich sind, sondern sich auch wirtschaftlich rechnen. Erst dann ist das Schlimmste tatsächlich geschafft.

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