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Kolonialkunst: Wenn ein Prinz aus Kamerun Kunst zurückfordert

Kolonialkunst

Wenn ein Prinz aus Kamerun Kunst zurückfordert

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    Dieser Schiffsschnabel kam während der Kolonialzeit 1884 als Kriegsbeute von Kamerun nach Deutschland. Heute gehört er zum Bestand des Museums Fünf Kontinente. Ein Prinz aus Kamerun fordert das Objekt zurück.
    Dieser Schiffsschnabel kam während der Kolonialzeit 1884 als Kriegsbeute von Kamerun nach Deutschland. Heute gehört er zum Bestand des Museums Fünf Kontinente. Ein Prinz aus Kamerun fordert das Objekt zurück. Foto: Museum

    Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat eine Diskussion ausgelöst, wie mit der Kunst aus Afrika, die im Zeitalter des Kolonialismus nach Europa gebracht worden ist, umgegangen werden soll. Die Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy und der Ökonom Felwine Sarr haben Ende November dem französischen Präsidenten einen Bericht vorgelegt, wie mit der „Kolonialkunst“ umgegangen werden könnte. Sie schlagen darin vor, alle Kunstwerke, die bis 1960 aus Afrika südlich der Sahara in Frankreichs Museen gelangten, ungeprüft zurückzugeben. Und Präsident Macron reagierte umgehend auf den Bericht: Er ordnete an, 26 Kunstwerke an den Benin zurückzugeben. Ein Gespräch mit Uta Werlich, Leiterin des Museums Fünf Kontinte, und der Kuratorin Hilke Thode-Arora.

    Frau Werlich, Frau Thode-Arora, Frankreichs Präsident ist von den Wissenschaftlern Savoy und Sarr empfohlen worden, Kolonialkunst wieder zurück an die afrikanischen Staaten zu geben. Welche Auswirkungen hat die Empfehlung auf die ethnologischen Museen in Deutschland?

    Uta Werlich: Für uns ändert sich zunächst nichts, jetzt ist die Politik in der Pflicht. Vor allem müssen sich die Länder einig werden, wie sie mit dem Kulturgut aus der Kolonialzeit umgehen wollen.

    In Frankreich wird zentral in Paris entschieden, in Deutschland ist Kultur Sache der Länder.

    Werlich: Das macht die Sache so kompliziert. Anfragen wie nach den derzeit überall abgebildeten Benin-Bronzen würden in München, Hamburg oder Berlin wohl immer separat geprüft und verhandelt werden.

    Hinter solchen Vorgaben kann man sich aber auch verschanzen.

    Werlich: Wir sind in dieser Entscheidung nicht frei, das muss man wirklich deutlich so sagen. Wenn die Rückgabe eines bestimmten Objekts angefragt wird, können wir in Gespräche eintreten, die wissenschaftliche Vorarbeit leisten, Handlungsempfehlungen aussprechen und den Weg ebnen. Aber die letztendliche Entscheidung liegt nicht bei uns, das wissen viele nicht.

    Wer entscheidet im konkreten Fall?

    Werlich: Die übergeordnete Behörde. In unserem Fall ist dies das Bayerische Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst.

    Aber am Museum Fünf Kontinente gibt es doch sicher Leitlinien?

    Werlich: Dieses Haus ist ein offenes Haus, und wir sind in jedem Fall gesprächsbereit. Grundsätzlich orientieren wir uns am Leitfaden des Deutschen Museumsbunds zum Umgang mit Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten.

    Hilke Thode-Arora: Ich bin Mitautorin dieses Leitfadens, der von Juristen, Historikern, Naturkundlern, Kunstgeschichtlern, Archäologen und eben auch Ethnologen erarbeitet wurde. Man vergisst ja, dass wir in sehr vielen Museen Objekte aus kolonialen Kontexten finden. Selbst in einem Technikmuseum wie dem Deutschen Museum gibt es vermutlich Sammlungsgut, das der kolonialen Erschließung Afrikas gedient hat, etwa eine Lokomotive, die in einem kolonialen Kontext steht. Hier muss man genauer hinsehen, da gibt es Forschungsbedarf.

    Das heißt, Sie forschen auch ohne Anfrage quasi proaktiv?

    Werlich: Alle Kuratoren am Haus waren längere Zeit im Feld und haben ihre stabilen Netzwerke in den Herkunftsländern. Schon viele Jahre vor der Debatte um koloniale Raubkunst hat man sich hier intensiv mit der Sammlungsgeschichte befasst. Jeder kennt seine schwarzen Schafe.

    Sollte man diese problematischen Objekte nicht einfach zurückgeben, wie Savoy und Sarr es fordern?

    Werlich: Es stellt sich doch die Frage, will man es zurückhaben?

    Thode-Arora: Und wem will man es zurückgeben? Savoy und Sarr schlagen vor, die Objekte den Nationalstaaten zurückzuführen. Das ist auf einer binationalen und auf einer juristischen Ebene das Einfachste. Aber nehmen wir nur das Beispiel Tibet und China. Wäre es wirklich eine ethische Lösung, Objekte aus Tibet dem chinesischen Staat zu übergeben? Und das ist ja nicht die einzige heikle Konstellation.

    Der Wunsch nach Restitution ist also nicht selbstverständlich?

    Thode: Aber nein. In meinem Forschungsbereich Ozeanien ist eine Wiedergutmachung kolonialen Unrechts oft mit anderen Wünschen verbunden. Zum Beispiel, dass man den Bau von klimasicheren Museen unterstützt, die einem Wirbelsturm standhalten. Oder dass junge Wissenschaftler hier eine Ausbildung erhalten. Auch in unserer Samoa-Ausstellung vor vier Jahren ging es um die Wiedergutmachung von Unrecht. Auf der Seite Samoas gab es den Wunsch, Wirtschaftsbeziehungen nach Bayern aufzubauen. Das haben wir versucht zu initiieren.

    Trotzdem scheinen sich viele auf die Restitution fixiert zu haben.

    Werlich: Wir diskutieren dieses Thema auch primär mit Blick auf Afrika. Andere Stimmen werden so gut wie nicht gehört. Bei dem kürzlich in Berlin stattgefundenen internationalen Symposium „Vertagtes Erbe“ waren erstmals chinesische Gäste dabei. Für sie stand das Thema Restitution nicht im Vordergrund, sondern vielmehr der Wunsch nach gemeinsamer Forschung, Kooperation, Partnerschaft für den Erhalt des Kulturgutes und dass es zugänglich ist.

    Thode-Arora: Ähnliches höre ich auch aus dem Pazifik. Man wird ja auch den Verdacht nicht los, dass es im Prinzip wieder um uns geht: Wir wollen unser Gewissen reinigen.

    Eine Art Ablass von den kolonialen Sünden?

    Thode-Arora: Das könnte man sagen, wir wären die Bürde der belasteten Objekte los. Aber so einfach ist es nicht.

    Woher kommen die meisten Restitutionsforderungen?

    Werlich: Neben dem Schiffsschnabel aus Kamerun gibt es an unser Haus derzeit keine weiteren Rückgabeforderungen. Das mag daran liegen, dass unsere Sammlungen noch nicht online recherchierbar sind. Aber auch die Kollegen aus anderen Häusern berichten, dass es nicht zu einer Flut an Rückgabeforderungen gekommen ist.

    Was ist nun mit dem Schiffsschnabel aus Kamerun?

    Werlich: Für den interessiert sich vor allem Prinz Kum’a Ndumbe III. 2016 wurde in einem ersten Gespräch vonseiten des Hauses die Bitte formuliert, der Prinz möge belegen, dass er berechtigt sei, diesen Schiffsschnabel entgegenzunehmen. Seither ist Funkstille.

    Thode-Arora: Bei vielen Rückgabewünschen treten mehrere Parteien auf. Natürlich ist es für die Museen schwierig herauszufinden, mit wem man spricht – idealerweise immer mit allen Beteiligten – und an wen man die Objekte zurückgeben sollte.

    In die Debatte haben sich Kulturstaatsministerin Monika Grütters und Michelle Müntefering, Staatsministerin für Internationale Kulturpolitik im Auswärtigen Amt, eingebracht. Sie fordern von Museen Transparenz und Offenheit bei der Rückgabe von Kulturgütern aus kolonialen Kontexten.

    Thode-Arora: Wir finden es wunderbar, dass die Politik nun so deutlich wird und sich Grütters und Müntefering außerdem für eine umfassende Aufarbeitung der kolonialen Vergangenheit einsetzen. Wobei wir viele der angesprochenen Punkte schon seit geraumer Zeit gerade in den ethnologischen Museen fordern – ohne dass uns dazu die personellen und finanziellen Mittel zur Verfügung stehen. Das dürfte sich nun ändern.

    Zu den Personen

    Uta Werlich Seit April ist die Sinologin Uta Werlich Direktorin des Museums Fünf Kontinente in München. Zuvor leitete sie zwölf Jahre die Abteilung Ostasien am Linden-Museum in Stuttgart.

    Hilke Thode-Arora Die Ethnologin forscht über Ozeanien, Völkerschauen und die deutsche Kolonialzeit in Samoa. Sie leitet im Museum Fünf Kontinente die Ozeanienabteilung und ist Referentin für die Provenienzforschung.

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