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Kolonialismus: Die Debatte um die Benin-Bronzen wird heftiger

Kolonialismus

Die Debatte um die Benin-Bronzen wird heftiger

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    Drei Raubkunst-Bronzen aus Benin in Westafrika im Museum für Kunst und Gewerbe (MKG) in Hamburg.
    Drei Raubkunst-Bronzen aus Benin in Westafrika im Museum für Kunst und Gewerbe (MKG) in Hamburg. Foto: Daniel Bockwoldt (dpa)

    Wie umgehen mit diesen Skulpturen? Nigeria fordert die Benin-Bronzen seit Jahrzehnten unmissverständlich zurück, die 1897 von den Briten erbeutet und anschließend auch über den Kunstmarkt in alle Welt veräußert worden sind. An diesen rund 4000 Objekten wird stellvertretend für viele andere Objekte aus anderen Ländern die Debatte um die Rückgabe von Kunstwerken geführt, die in der Kolonialzeit von den europäischen Mächten aus ihren Kolonien entwendet worden sind.

    Als die Bronzen auf den Kunstmarkt kamen, schlug das wilhelminische Deutschland zu und kaufte. Mehr als 1000 Bronzen finden sich heute in deutschen Museen, die Meisten von ihnen, 440 Stücke, in Berlin. Sie gehören dort zur Sammlung des Ethnologischen Museums und sollen bei der Eröffnung des Westflügels des neuen Humboldt-Forums in Berlin ausgestellt werden. Dagegen richtet sich massiver Protest. Zum Beispiel des nigerianischen Botschafters in Deutschland, Yusuf M. Tuggar, der zuletzt mehrfach darauf hingewiesen hat, dass Nigeria seit den 1960er Jahren die Benin-Bronzen zurückverlangt. "Wir zählen auf das Anstandsgefühl Deutschlands, ja der Menschheit, bei dem Bemühen, die Restitution von Kulturgütern zu erleichtern", schreibt er in einem Beitrag in der FAZ.

    Die Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy fordert die Rückgabe von Kunstschätzen

    Ebenfalls ergreift die Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy das Wort und pocht nun wieder auf die Notwendigkeit von Rückgaben von Kunstschätzen aus kolonialen Zeiten. "Restitution ermöglichen eine bessere Zukunft, eine neue Qualität der Beziehungen", sagt die in Berlin und Paris lehrende Professorin in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. Zusammen mit dem senegalesischen Sozialwissenschaftler Felwine Sarr hatte Savoy 2018 für den französischen Präsidenten Emmanuel Macron einen Bericht vorgelegt, der die Diskussion um Restitutionen international anheizte.

    "Die Debatte um das Humboldt Forum hat der Offenlegung historisch belegter Fakten gut getan", sagt Savoy, die 2017 im Streit aus dem Expertenrat des Kulturzentrums ausgestiegen war. "Mein Problem war die Intransparenz der Provenienz. Das Humboldt Forum muss die Besucherinnen und Besucher wissen lassen, was ausgestellt wird", sagt sie. "Da ist sehr viel passiert", räumt sie ein. "Mit diesem Wissen kommen Entscheidungen zusammen wie ein Prozess." Inzwischen werden selbst in der zuständigen Stiftung Preußischer Kulturbesitz Restitutionen nicht mehr ausgeschlossen.

    Savoy hat sich in ihrem neuen Buch "Afrikas Kampf um seine Kunst" mit der "Geschichte einer postkolonialen Niederlage" befasst. In dem Band schildert sie eindrucksvoll, die in den 60er Jahren beginnenden vergeblichen Bemühungen afrikanischer Staaten und Völker um Restitution von Kunstwerken, die während der Kolonialzeit in Museen in aller Welt gelangt waren.

    Deutsche Institutionen zeigen sich gesprächsbereit

    Nur historische Fakten, "also echte harte Fakten" könnten voranbringen, beschreibt Savoy ihre Motivation. "Sehr lange beruhte die Meinungsbildung auch in der Zivilgesellschaft auf einem unklaren Wissenssockel. In dem Augenblick, wo man diese Fakten freilegt und transparent macht, bewegt sich auch die Meinungsbildung den Fakten entsprechend." Nur so könne überhaupt etwas entschieden werden.

    Gesprächsbereitschaft auf deutscher Seite signalisieren sowohl Außenminister Heiko Maas als auch Kunstministerin Monika Grütters. Beauftragt mit der Koordination der deutschen Museen, die Benin-Bronzen besitzen, wurde Hermann Parzinger, der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, zu der auch das Ethnologische Museum in Berlin gehört. In einem Fernsehinterview mit 3Sat sagte Parzinger: "Wir sind zu Rückgaben bereit." Und verwies dabei auf weit gediehene Gespräche mit Tansania. Trotzdem bekräftigte Parzinger in dem Interview, gerade wegen der heftigen Diskussion die Benin-Bronzen im neuen Humboldt-Forum ausstellen zu wollen, mit dem Verweis auch auf die gegenwärtige Diskussion.

    Wie kompliziert die Herkunfts-Geschichte der Benin-Bronzen tatsächlich ist, darauf verwies jüngst die Ethnologin Brigitta Hauser-Schäublin in einem Beitrag für die FAZ. Darin führt sie aus, dass in der Rückgabe-Debatte die Maßstäbe des 21. Jahrhunderts an das koloniale Handeln des 19. Jahrhunderts angelegt werden, aber nur einseitig. "Die "Opfer" und das, was der Kriegerstaat Benin in den Jahrhunderten bis zur Absetzung des Königs durch die Briten praktizierte, werden von einer Bewertung ausgenommen. Schlimmer noch: Dieser Teil der Objektgeschichte wird nicht erzählt."

    Die Geschichte der Benin-Bronzen ist doppelt blutig

    Hauser-Schäublin führt in ihrem Beitrag aus, dass auf den Bronzen Herrscher darstellen, die meisten den König, in der Edo-Sprache Oba bezeichnet. Die Benin-Könige seien Kriegerkönige gewesen, "die sich an einem aggressiv-heroischen kulturellen Ideal orientierten", unterwarfen andere Gesellschaften, löschten andere Dörfer aus und plünderten. In den Bronze-Objekten kristallisiere sich das kriegerische Ethos, sie spielten bei rituellen Tier- und Menschenopfern eine Rolle.

    Im Jahr 1897 schickten die Briten eine diplomatische Mission nach Benin City, die von den Oba überfallen, niedergemetzelt und gefangen genommen wurde. Die Gefangenen wurden später unmittelbar vor der Einnahme der Stadt durch die anschließende britische Straf-Expedition geopfert. Nach der Besetzung der Stadt beschlagnahmten die Briten die Bronzen als Kriegsbeute, die schließlich in alle Welt verkauft wurde.

    Einen Kommentar zur Rückgabe von kolonialen Kulturgütern lesen Sie hier: Europa darf keine Union von Kunsträubern sein

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