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Kino: Zwei Abenteurer aus Fleisch und Blut

Kino

Zwei Abenteurer aus Fleisch und Blut

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    Für die Augsburger Puppenkiste tat es eine Modelleisenbahn, um die Insel mit zwei Bergen und dem Eisenbahnverkehr, genannt Lummerland, entstehen zu lassen. Sobald aber nicht 40 Zentimeter große Marionetten, sondern echte Menschen Michael Endes Kinderbuchklassiker „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“ verfilmen sollen, muss die Ausstattung deutlich größer ausfallen. Allein die Lok Emma schweißten die Schlosser in den Filmstudios Potsdam-Babelsberg aus 7,5 Tonnen Stahl. Und weil sie als eine Hauptdarstellerin so vielfältige Aufgaben übernimmt, gibt es Emma gleich viermal. So erklärt sich, dass Christian Beckers Real-Verfilmung von „Jim Knopf“ als sein Herzensprojekt lange 17 Jahre gedauert und fast 25 Millionen Euro gekostet hat – „einer der teuersten deutschsprachigen Filme aller Zeiten“, sagt der Produzent. Am 29. März kommt er in die Kinos.

    Wie so viele Kinder damals saß auch Christian Becker, Jahrgang 1972, gebannt vor dem Fernseher, wenn ein Meer aus wogender Plastikfolie die Insel Lummerland umspülte und Jim und Lukas mit ihrer Emma tapfer gefährliche Abenteuer bestanden. 1976/77 hatte die Augsburger Puppenkiste mit dem Hessischen Rundfunk gerade eine zweite Verfilmung abgedreht, diesmal in Farbe. Die erste, schwarz-weiße Fassung entstand unmittelbar nach Erscheinen des Kinderbuchs 1961/62. Noch einer wurde seinerzeit vom „Jim Knopf“-Fieber angesteckt: der spätere Regisseur Dennis Gansel, Jahrgang 1973. An der Münchner Filmhochschule sollten sich die beiden kennenlernen. Jeder machte sein eigenes Ding, doch immer wieder kreuzten sich ihre Wege. Gemeinsam brachten sie 2008 den Kinoerfolg „Die Welle“ mit Jürgen Vogel heraus und 2011 den Vampirfilm „Wir sind die Nacht“.

    „Jim Knopf“ war schon seit 2001/02 bei Christian Becker auf dem Schirm. Damals klopfte er bei den Erben-Vertretern von Autor Michael Ende an, dem Literaturagenten Roman Hocke und Testamentsvollstrecker Wolf-Dieter von Gronau. „Sie waren zunächst skeptisch, ob das Buch überhaupt realverfilmt werden sollte. Aber als sie mit im Boot saßen, war es eine sehr kreative Zusammenarbeit, ein toller Austausch und ein großer gemeinsamer Spaß, trotz all des Produktionsstresses“, erzählt Becker. „Unser Ziel war es, einen Film zu produzieren, der nicht nur das Publikum im Kino begeistert, sondern auch Michael Ende gefallen hätte.“ Dass es ein 25-Millionen-Projekt werden würde, „daran tastet man sich erst langsam heran“, sagt Becker. „Aber selbst bei so einem scheinbar luxuriösen Budget dreht man jeden Euro zweimal um.“

    Auf der Suche nach Finanzierungspartnern machte der Produzent allerdings jahrelang eine Berg-und-Tal-Fahrt durch. Um den großen Studios den Mund wässrig zu machen, musste 2008 Hollywood-Legende Shirley MacLaine ran und – in Sydney – vor der Kamera den (englischen) Text für die Drachen-Lehrerin Frau Mahlzahn einsprechen. Es sollte die Basis für die Computer-Animation werden, allerdings ohne dass sich MacLaine darin noch zeigt. „Ein internationales Remake kann später auf dieses Material zurückgreifen“, sagt Becker. Tatsächlich stieg Warner Bros. Entertainment ein – und „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“ wurde auf Deutsch und mit vorwiegend deutschen Schauspielern gedreht.

    Mitgespielt hat dabei auch die Aussicht, nach den Dreharbeiten zu „Jim Knopf“ in den Original-Kulissen eine noch auf Jahre hinweg attraktive Studiotour für die Fans zu erhalten, vergleichbar mit den Bauten zu Michael Endes „Unendlicher Geschichte“. Das zauberhaft altmodische Inseldorf Lummerland mit dem Kaufladen von Frau Waas, dem Hauptbahnhof und dem Haus von Herrn Ärmel kann schon seit fast einem Jahr im Filmpark Babelsberg bei Potsdam besichtigt werden. Auch die Kaiserstadt Ping von Mandala, „eine der größten und teuersten Filmkulissen der deutschen Kinogeschichte“, so Regisseur Dennis Gansel, und die schreckliche Drachenstadt samt Klassenzimmer von Frau Mahlzahn sind in Babelsberg zu sehen. Szenenbildner Matthias Müsse ließ sie so bauen, wie es Drachen gern haben: höhlenartig, düster, scharfkantig, feucht. In den Bavaria-Studios in München raucht derweil der Vulkan des Halbdrachens Nepomuk, den übrigens Michael „Bully“ Herbig spricht.

    Übrigens hat das Filmteam vorher bei der Puppenkiste gespitzelt und deren Lummerland-Kulissen studiert. Mitreden durfte Theaterleiter Klaus Marschall am Filmset allerdings „überhaupt nicht“, erzählt er. Die Rechte an den „Jim Knopf“-Filmen hatte die Puppenkiste seinerzeit dem Hessischen Rundfunk übertragen, an der jetzigen Neuverfilmung verdient sie nichts. Ihr unbekümmerter, kindlicher Charme schlägt sich freilich in der Filmmusik nieder. Geschrieben hat sie der Augsburger Ralf Wengenmayr („Ich bin mit der Puppenkiste aufgewachsen“), der schon Bully-Herbig-Filme vertonte. Das Lummerland-Lied wählte er als Leitmotiv. „Es war mir eine Freude, dem Puppenkiste-Komponisten Hermann Amann die Ehre zu erweisen“, sagt Wengenmayr. Er habe die Melodie „so platziert, dass man den Eindruck hat, es gäbe sonst nichts mehr“. Dabei passiert musikalisch noch vieles andere. Die Abenteuerreise von Jim und Lukas habe viel Freiraum geboten, erzählt Wengenmayr, zumal ihm ein großes Orchester zur Verfügung stand.

    Ganz weit weg, in Südafrika, wurden schließlich die Außenaufnahmen der Heldenreise gedreht. Am endlosen Sandstrand des Ozeans, in der glühenden Wüste, an den Zedernbergen und an der Steilwand eines Steinbruchs. Und was die Kameras real nicht liefern konnten, das ergänzen die Animationen aus dem Computer, sodass etwa die Straßen von Ping mit unzähligen Menschen bevölkert sind – und zwar in der Größe von 1,80 Meter bis zum Kindeskind mit 20 Zentimetern.

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