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Kino: Oscarpreisträgerin Zhao ist die Regisseurin im Superhelden-Franchise "Eternals"

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Oscarpreisträgerin Zhao ist die Regisseurin im Superhelden-Franchise "Eternals"

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    Das Eternals-Ensemble ist ein Staraufgeboet: (von links) Harish Patel als Karun, Kumail Nanjiani als Kingo, Lia McHugh als Sprite,  Gemma Chan als Sersi, Richard Madden als Ikaris, Angelina Jolie als Thena und Don Lee als Gilgamesh.
    Das Eternals-Ensemble ist ein Staraufgeboet: (von links) Harish Patel als Karun, Kumail Nanjiani als Kingo, Lia McHugh als Sprite, Gemma Chan als Sersi, Richard Madden als Ikaris, Angelina Jolie als Thena und Don Lee als Gilgamesh. Foto: Marvel Studios, Disney

    Als Marvel-Chef Kevin Feige im September 2018 Chloé Zhao für das neue Superhelden-Franchise „Eternals“ unter Vertrag nahm, hatte die chinesische Regisseurin mit den Dreharbeiten zu „Nomadland“, der in diesem Jahr als bester Film und mit zwei weiteren Oscars ausgezeichnet wurde, noch gar nicht begonnen.

    Bis dahin hatte Zhao mit „Songs My Brother Taught Me“ (2015) und „The Rider“(2017) zwei halbdokumentarische Independent-Filme vorgelegt, die mit schmalen Budget und einer Hand voll Laiendarstellerinnen realisiert wurden.

    Einer viel versprechenden, aber weitgehend unerfahrenen Nachwuchsregisseurin wie Zhao ein 200 Millionen Dollar schweres Projekt anzuvertrauen, ist ein sichtbares Zeichen für die neue Risikobereitschaft des Comic-Film-Konzerns. Nachdem man mit „Iron Man“, „Thor“, „Avengers“ & Co. Milliardenumsätze generiert hat, soll das viel beschworene „Marvel Cinematic Universe“ (MCU) nun kräftig durchgelüftet werden. Ungewöhnlich schräge TV-Formate wie „WandaVision“ und „Loki“ machten den Anfang.

    Die Eternals sind nicht irgendwelche Superhelden, die durch Spinnenbisse oder Hi-Tech-Rüstungen zu ihren übernatürlichen Kräften gekommen sind

    Auf der Leinwand folgten das längst überfällige Frauen-Power-Spektakel „Black Widow“ und zuletzt das Kampfkunst-Fantasy-Märchen „Shang-Chi and the Legend of the Ten Rings“, das asiatische Filmtraditionen ins MCU einarbeitete. Chloé Zhaos „Eternals“ ist das größte und ambitionierteste Projekt in der Kollektion der Neuerscheinungen – und das nicht nur in finanzieller Hinsicht. Gleich zehn funkelnagelneue Superheldinnen und –helden werden hier eingeführt, ohne dass deren Existenz in früheren Marvel-Filmen auch nur angedeutet wurde. Die Zeitspanne der Erzählung erstreckt sich über schlappe 7000 Jahre Menschheitsgeschichte von Mesopotamien im fünften vorchristlichen Jahrtausend bis hin ins London der Gegenwart. Munter hopst der umtriebige Handlungsverlauf vom Vereinigten Brexit-Reich nach Mumbai, South Dakota, in die australischen Outbacks, den Amazonas und auf die Kanarischen Inseln. Solche Reisetätigkeiten werden von den Hauptfiguren im klimaneutralen Teleport-Modus erledigt.

    Schließlich sind diese Eternals nicht irgendwelche Superhelden, die durch Spinnenbisse oder Hi-Tech-Rüstungen zu ihren übernatürlichen Kräften gekommen sind, sondern gottähnliche Kreaturen, die von den Herrschern des Universums zum Schutz der Erdenmenschheit ausgesandt wurden. Dabei ist ihre Mission auf ein schmales Interventionsfenster begrenzt. Die Beschützer mit unbegrenzter Lebenszeit sind allein für die Bekämpfung der sogenannten „Deviants“ zuständig – eine Ungeheuergattung mit ungezügeltem Appetit auf Menschenfleisch. Aus den Kriegen, Pogromen und Genoziden, welche die Erdlinge mit ihrem begrenzten geistigen Horizont entfachen, müssen sich die intergalaktischen Blauhelme raushalten. Darüber wacht mit matriarchalem Charisma die Anführerin Ajak (Salma Hayek), die über einen direkten Draht zum sechsäugigen Universums-Vorsitzenden Arishem verfügt. Nachdem der letzte Deviant getötet ist, entlässt Ajak die Mitglieder ihres Kompetenzteams, die sich fortan als Schläfer unter das gemeine Volk mischen. Als im London der Gegenwart ein Erdbeben wütet, ahnt Sersi (Gemma Chan), dass ihre sorglosen Tage unter den geliebten Menschen vorbei sind.

    Mit der Selbstfindung des Teams stehen auch Liebesbeziehungen zur Disposition, werden Autoritäten hinterfragt und Loyalitäten aufgekündigt

    Die Ungeheuer sind als neue Mutation zurückgekehrt und wollen den Eternals ans Leder. Sersi und ihr Ex-Geliebter Ikaris (Richard Madden) machen sich auf die Suche nach ihren Mitstreitern, die sich auf sehr unterschiedliche Weise ins irdische Sein integriert haben. Phastos (Brian Tyree Henry) führt mit seinem Mann und dem kleinen Sohn eine friedliche Vorstadtexistenz. Kingo (Kumail Nanjiani) hat als Bollywood-Star eine eigene Schauspieler-Dynastie gegründet. Gedankenkontrolleur Druig (Barry Keoghan) lebt mit einer Kommune im Regenwald. Gilgamesh (Don Lee) kümmert sich im australischen Niemandsland um die Kriegsgöttin Thena (Angelina Jolie), die von ihren Jahrtausende währenden Erinnerungen zunehmend in den Wahnsinn getrieben wird. Wieder vereint müssen die Ewiglebenden bald feststellen, dass sie Erfüllungsgehilfen eines göttlichen Plans sind, der die Zerstörung der Erde vorsieht. Was als klassischer Kampf Gut gegen Böse beginnt, mündet in „Eternals“ nun in einen kollektiven Selbstfindungsprozess, in dem die Superheldinnen- und -helden ihr eigenverantwortliches Sein neu definieren müssen. Während die Charaktere in Gruppenveranstaltungen wie „Avengers“, „Justice League“ oder „Guardians of the Galaxy“ mit ihren spezifischen Eigenheiten nur für sich stehen, lässt Zhao ihre Figuren wirklich in Beziehung zueinander treten.

    Mit der Selbstfindung des Teams stehen auch Liebesbeziehungen zur Disposition, werden Autoritäten hinterfragt und Loyalitäten aufgekündigt. So viel Gruppendynamik und aufwühlende Emotionen gab es noch nie in einem Marvel-Film. Sogar eine (jugendfreie) Sexszene und ein echter Kuss von Mann zu Mann sind hier zu sehen – ein Novum im MCU, in dem die Figuren zwar sexy in hautenger Trikotage herumturnen, aber zu ewiger Keuschheit verdammt sind. Sicherlich erfindet Zhao das Superhelden-Genre nicht neu. Aber sie bringt jene zwischenmenschliche Sensibilität, die Filme wie „Nomadland“ und „The Rider“ auszeichneten, auch in diese Blockbuster-Produktion mit ein, begreift Diversität nicht als politisch-korrekte Pflichterfüllung, sondern als kreative Bereicherung, lässt weibliche und männliche Charaktere mit größtmöglicher Selbstverständlichkeit auf Augenhöhe miteinander agieren. Das sind scheinbar unmerkliche, aber einschneidende Veränderungen in der Statik des Marvel-Universums, das als machtvolles Franchise-Imperium die globale Popkultur der Gegenwart entscheidend prägt.

    „Eternals“ Regie: Chloé Zhao mit Salma Hayek, Gemma Chan, Angelina Jolie, Richard Madden, 167 Minuten, FSK bisher noch ohne, vermutlich 12, ****vier Sterne

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