„Er ist ein Demokrat“, sagt Gary Zimmer (Steve Carell) mit glitzernden Augen, „er weiß es nur noch nicht.“ Im Jahr 2017 kurz nach der dramatischen Niederlage Hillary Clintons ist der Politikberater und PR-Stratege auf der Suche nach einem Zeichen der Hoffnung für die Demokratische Partei, aber auch für die eigene Karriere. Diese Suche bringt ihn auf die Spur von Jack Hastings (Chris Cooper). Der pensionierte Berufssoldat und Farmer hatte sich in seiner Heimatstadt Deerlaken, Wisconsin, während einer Bürgerversammlung für die illegalen Immigranten stark gemacht, die von den Kürzungen im Gesundheitssektor besonders betroffen seien. Werte könne man nicht einfach aufgeben wie ein Hobby, sagte er und die Videoaufnahme seiner Rede ging im Land viral.
Gary sieht in dem Witwer das Ideal des anständigen Amerikaners, welcher ein leuchtender Gegenentwurf zum konservativen Redneck sein könnte, der das Bild und das Wahlverhalten des mittleren Westens bisher bestimmt. Er überredet Jack, für die Demokraten um das Bürgermeisteramt zu kandidieren. Der Farmer willigt unter der Bedingung ein, dass der versierte Politikberater aus Washington höchstpersönlich die Leitung der Wahlkampagne übernimmt.
Belustigt von der Freundlichkeit der Landeier
Deerlaken befindet sich nach dem Abzug des örtlichen Armeestützpunktes in einer Krise. Die Schaufenster zahlreicher Geschäfte sind mit Brettern vernagelt. Die Zahl der Einwohner ist von 15000 auf 5000 geschrumpft. Dennoch ist noch Vieles so, wie man sich es in der Provinz vorstellt: Schon einen Tag nach der Ankunft wird der Mann aus Washington D.C. von allen Passanten mit einem freundlichen „Hallo DC Gary“ begrüßt. Die Bäckerin weiß genau, wer welchen Kuchen am liebsten mag. Natürlich gibt es im Gasthof und weiten Teilen des Ortes kein WLAN. Die Freundlichkeit der Landeier belustigt und befremdet den zynischen Politprofi, der sein örtliches Wahlkampfteam mit gebührender Überheblichkeit schult. Dank Garys Medienoffensive werden schon bald die Republikaner auf die Lokalwahl in Deerlaken aufmerksam und nehmen den Fehdehandschuh auf.
Garys gehassliebte Gegenspielerin Faith Brewster (Rose Byrne) wird in die Provinz abkommandiert. Mit ihr zieht der Medienzirkus in die Kleinstadt ein. Bald wird klar, dass ein Wahlkampf dieses Formats nicht aus lokalen Mitteln finanziert werden kann. So reist Gary mit seinem Kandidaten nach New York, wo die liberale Oberschicht ihre Spendenschecks ausstellt. Die Szene ist das Herzstück des Films, weil sich hier die tiefe Spaltung des Landes nicht entlang der Parteizugehörigkeit, sondern entlang des enormen ökonomischen Gefälles zeigt. Mit dem frischen Geld wird die ganze Armada aus Beratern und Analysten eingeflogen, die die Befindlichkeit der Wähler mit moderner Evaluationstechnik abtastet.
Alle Vorurteile werden auf den Kopf gestellt
Die abgehängte Kleinstadt wird zum Hotspot der politischen Berichterstattung. In seiner Politsatire „Irresistible“ lässt Regisseur und Drehbuchautor Jon Stewart die Provinz des Mittleren Westens mit dem Zynismus der Politprofis aus Washington aufeinanderprallen. Vieles scheint zunächst Klischees zu entsprechen, spätestens in der brillanten Schlusswendung werden alle Vorurteile gewinnbringend auf den Kopf gestellt. Stewart nimmt mit tiefem Wissen und einer wendungsreichen Dramaturgie die Schwächen und Absurditäten des amerikanischen Wahlsystems auseinander. Sein Film zeigt die Wahlmaschinerie als profitorientierten, sich selbst tragenden Industriezweig. Seine Fiktion bewegt sich nahe an der Realität: Im Frühjahr 2017 verpulverten Republikaner und Demokraten bei einer symbolträchtigen Sonderwahl in Georgia um einen freien Kongresssitz geschätzte 55 Millionen Dollar. Ein Tipp: Bis zum Ende des Abspanns zusehen.
Das könnte Sie auch interessieren:
- Wie ein US-Soldat in Afghanistan für immer verletzt wird
- "Edison": Lohnt sich der neue Kino-Film mit Benedict Cumberbatch?
- "Berlin Alexanderplatz" neu im Kino: Francis will ein guter Mensch werden
- Die Artemis-Fowl-Bücher sind originell, der Film ist seelenlos