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Kino: "Corpus Christi" zeigt die Zerrissenheit Polens

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"Corpus Christi" zeigt die Zerrissenheit Polens

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    Wie Bartosz Bielenia diesen Daniel spielt, der im Gefängnis eine spirituelle Erfahrung gemacht hat und sich dann als Priester ausgibt, ist ein Kinoereignis.
    Wie Bartosz Bielenia diesen Daniel spielt, der im Gefängnis eine spirituelle Erfahrung gemacht hat und sich dann als Priester ausgibt, ist ein Kinoereignis. Foto: Arsenal Filmverleih, dpa

    Kurz vor seinem 21. Geburtstag wird Daniel (Bartosz Bielenia) wegen guter Führung vorzeitig aus der Jugendstrafanstalt entlassen. Im Knast hat der gewalttätige Jugendliche zum Glauben gefunden. Das lag vor allem an den Predigten des unkonventionellen Gefängnisgeistlichen Tomasz (Lukasz Simlat), der seiner kriminellen Klientel direkt aus der Seele sprach. Daniel, der in den Gottesdiensten als Messdiener aushalf, wünscht sich nichts sehnlicher, als selbst Priester zu werden. Aber im Seminar nimmt man Straftäter wie ihn nicht auf. „Man kann auf viele andere Arten Gutes tun“ sagt Tomasz.

    So geht es nach der Entlassung und zünftig durchzechter Nacht ins tiefste Ostpolen, wo Daniel in einem Sägewerk Arbeit und Wiedereingliederung bekommen soll. Aber auf dem Weg zum Betrieb kehrt er in die Dorfkirche ein und gibt sich gegenüber einer jungen Frau eher aus Scherz als Priester aus. Eine geklaute Kutte dient als Beweis und wenig später sitzt der falsche Pfaffe beim örtlichen Pastor im Wohnzimmer. Der schwere Alkoholiker muss ins Krankenhaus und bittet Daniel ihn zu vertreten. Die Beichte am nächsten Tag wird noch mithilfe von Smartphone und Internet absolviert, aber schon hier zeigt sich, dass der junge Mann ein guter Zuhörer und Ratgeber ist. Die ersten improvisierten Predigten lehnen sich an den Worten seines Mentors an. Schon bald erweist sich der Nachwuchsseelsorger als Naturtalent und ist im Dorf aufgrund seiner frischen Herangehensweise sehr beliebt.

    Ein komplexes Drama über Moral, Mitgefühl und die Grenzen der Vergebung

    Bei einer Taufe fasst er schon einmal mit beiden Händen ins Weihwasserbecken und schleudert das gesegnete H2O vor Freude in die Luft. Die Menschen im Dorf sehnen sich nach ein wenig frischem Wind. Bei einer Karambolage auf dem Dorfplatz sind im letzten Jahr sechs Jugendliche umgekommen. Die Trauer ebenso wie die Wut auf die Witwe des betrunkenen Fahrers, der ebenfalls den Tod fand, sind ungebrochen. Als Daniel versucht, die beiden Seiten miteinander zu versöhnen, gerät er an die Grenzen seiner seelsorgerischen Fähigkeiten.

    Die Geschichte des falschen Geistlichen, die der polnische Regisseur Jan Komasa in „Corpus Christi“ erzählt, beruht zum Teil auf wahren Begebenheiten und wird zu einem komplexen Drama über Moral, Mitgefühl und die Grenzen der Vergebung ausgebaut. Die zerrissene Dorfgemeinschaft dient hier unübersehbar als Metapher für die gespaltene Gesellschaft Polens, wo sich Erzkonservative und Modernisierer zunehmend unversöhnt gegenüberstehen. Aber das ist nur einer von vielen Resonanzräumen, in dem sich die kluge, präzise erzählte Geschichte bewegt, in der gerade der Scharlatan die Herzen der Menschen öffnet und die Wahrheit ans Licht bringt. Dabei wird der junge hochbegabte Bartosz Bielenia, der die emotionale Palette vom gebrochenen Straftäter zum empathischen Geistlichen mit einer enormen Präsenz ausspielt, zu einem eigenen Kinoereignis.

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