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Kathedrale: Warum der Brand von Notre-Dame solch eine Tragödie ist

Kathedrale

Warum der Brand von Notre-Dame solch eine Tragödie ist

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    Alles zum Brand der Kathedrale Notre-Dame in Paris hier zum Nachlesen im Live-Blog

    Wenn schon weltweit Entsetzen, Erschrecken und Beklemmung herrschen über den verheerenden Brand von Notre-Dame in Paris – wie muss erst den Franzosen das Herz bluten ob dieser kunst- und religionsgeschichtlichen Tragödie!

    Diese Kathedrale ist ja nicht nur ein Wahrzeichen, ein imposantes Bauwerk, ein Symbol, sie ist vielmehr steingewordene französische Geschichte mit einem überragenden architektonischen Einfluss auf die vielen bewunderten, ja angebeteten gotischen Kirchen auch in England und Deutschland, und sie ist – was kaum beachtet wurde in den ersten Stunden des Schicksalsschlags – der Ursprungsort unserer Notenschrift und unserer abendländischen Mehrstimmigkeit.

    Wenn es die Schule von Notre-Dame nicht gegeben hätte genau in den Jahren der Errichtung der Kathedrale ab 1163, dann hätten andere als die Magister Leonin und Perotin die Zwei- und Drei- und jene Vierstimmigkeit der Musik entwickeln müssen, auf der heute noch der simpelste Song, der gediegenste Chorsatz basiert.

    Notre-Dame: Niemand kann sich des Staunens erwehren

    Aber das Wissen darum wird zunächst natürlich überdeckt von dem so großartigen wie mustergültigen Anblick der Pariser Hauptkirche auf der Île de la Cité. Sie beeindruckt wohl selbst den kunstfernsten Atheisten. Hier war in einem fünfschiffigen (!) Prachtbau demonstrativ und repräsentativ verwirklicht worden, was die Gotik im Innersten zusammenhält: ihre Statik mit hochaufragenden schlanken Pfeilern, die auch dank Kreuzrippengewölbe und Spitzbogen tragend stützten und dennoch große lichtspendende Buntglasfenster wie die berühmten riesigen Rosetten in Notre-Dame gestatteten.

    Gewiss, sie mussten durch Strebepfeiler gesichert werden, wie sie sich auch in Paris rund um den Chor im Freien emporwölben, doch nun konnte – anders als in den dickwandigen Kirchen der Romanik – auch im Kircheninneren großzügig Sonnenlicht in mittelalterlichen Farben leuchten.

    Das war und das ist bis heute zutiefst beeindruckend. Niemand kann sich des Staunens erwehren, dass es vor 850 Jahren bereits möglich war, einen solch hohen, exzeptionellen und spirituellen Raum zu konzipieren und konstruieren. Nun hatte der Glaube keine gedrungene Behausung mehr, sondern eine schlanke, aufstrebende, filigrane, leichte und lichte!

    Der Brand von Notre-Dame ist ein Trauerspiel

    Und das teilt sich auch in der gottlob weitgehend unbeschädigten Westfassade von Notre-Dame mit, die in ihren klaren, schlichten aber nicht einfältigen Proportionen als womöglich vollkommenste gilt und für Touristen und Kirchgänger die erste Überwältigung darstellt. Sie also ist – knapp – erhalten geblieben, sie wird unsere Bewunderung weiter entfachen – während das teils noch original gotische Dach über dem Langhaus und über dem Chor mit dem erst im 19. Jahrhundert errichteten Vierungsturm zerstört und verloren ist. Ein Trauerspiel ebenso wie der mutmaßliche Verlust der 800 Jahre alten Chorschranke.

    Man stelle sich vor, der Dom von Florenz hätte gebrannt – eine Horror-Vorstellung, genau wie der tatsächliche Brand von Notre-Dame. Denn was am Arno mit diesem gewaltigen Kuppelbau eine architektonische Glanzleistung für die italienischen Frührenaissance bedeutete, das bedeutete der Bau der gewaltig aufstrebenden Notre-Dame für die französische Frühgotik. Es ist eine Katastrophe.

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