Schon im vergangenen Jahr musste die Verleihung des Katholischen Kinder- und Jugendbuchpreises, der von der Deutschen Bischofskonferenz gestiftet und mit 500 Euro dotiert ist, ausfallen – pandemiebedingt. Vielleicht erregte es deshalb erst nicht so viel Aufsehen, dass auch die diesjährige Preisverleihung nicht stattfindet. Doch mittlerweile ist die Empörung darüber groß. Der Grund für die Absage liegt nämlich nicht allein an der allgemeinen Lage, sondern an einer speziellen Situation: Im Jahr 2021 wird es kein Preisbuch geben.
Bischöfe: "Papierklavier" entspricht nicht den Statuten des Katholischen Kinder- und Jugendbuchpreises
Zwar hatte die zehnköpfige Jury, besetzt mit Theologen und Literaturexperten unter dem Vorsitz des Trierer Weihbischofs Robert Brahm, mit dem Jugendbuch „Papierklavier“ von Elisabeth Steinkellner einen Kandidaten benannt. Dem muss jedoch der Ständige Rat der Deutschen Bischofskonferenz zustimmen. Der aber fand kein Gefallen am Vorschlag der Jury, sondern „war der Ansicht, dass das vorgeschlagene Preisbuch nicht den Kriterien der Statuten des Katholischen Kinder- und Jugendbuchpreises entspricht“, teilte der Sprecher der Deutschen Bischofskonferenz, Matthias Kopp, mit. Diese Statuten sehen vor, dass das Preisbuch „beispielhaft und altersgemäß christliche Lebenshaltungen verdeutlichen“ sowie „die transzendente und damit religiöse Dimension erkennbar sein“ müsse. In den letzten Jahren waren mit Preisträgern wie Andreas Steinhöfel, Anna Wolz oder Susan Kreller Autoren und Werke prämiert worden, in denen es nicht so sehr um konkrete christliche Inhalte ging, sondern eher um Werte, die dem christlichen Menschenbild entsprechen. „Papierklavier“ taucht nun nicht einmal mehr auf der Empfehlungsliste des Katholischen Kinder- und Jugendbuchpreises auf.
Was genau den Bischöfen an dem Buch missfiel, wird nicht mitgeteilt. „Papierklavier“ erzählt in der Form eines fiktiven Tagebuchs mit expressiven Illustrationen von Anna Gusella von weiblicher Pubertät, ihren Widersprüchen und Gefühlsschwankungen. Die 16-jährige Maia lebt mit ihrer alleinerziehenden Mutter und ihren zwei Schwestern, die jeweils von einem anderen Vater stammen, in prekären Verhältnissen. Aus dieser Situation versucht sie das Beste zu machen, mit den „kleinen Dosen Alltagsglück, die oft nicht mehr als einen Fingerhut füllen“. Sie spielt Ersatzmama, legt Extraschichten in einem Smoothie-Laden ein, um der Schwester Klavierstunden zu ermöglichen, und steht ihren Freunden Alex und Carla bei, wenn die sie brauchen. Dass Carla laut Ausweis eigentlich Engelbert heißt, spielt für sie keine Rolle, denn gesellschaftlichen Normierungen entzieht sie sich auch, was ihr eigenes, nicht den gängigen Schönheitsidealen entsprechendes Äußeres anbelangt.
Elisabeth Steinkellners "Papierklavier": Lockere Bemerkungen über Sexualität und Transgender war den Bischöfen wohl zu viel
Eine selbstbestimmte junge Frau, die nach ihrem eigenen Weg in der Gesellschaft sucht, drei Kinder von drei Vätern, manch lockere Bemerkung über den Umgang mit Sexualität und die Transgenderthematik – das war dem Ständigen Rat der Deutschen Bischöfe, in dem die als kompromissloser gegenüber Reformen bekannten Diözesanbischöfe wie jene aus Passau, Regensburg und Eichstätt vertreten sind, dann wohl doch zu viel. Der flapsige Gebrauch von kirchlichen Formeln war da vielleicht noch das Tüpfelchen auf dem i.
Für Elisabeth Wagner-Engert hingegen ist „Papierklavier“ ein „Jugendbuch, wie man es sich wünscht“. Die Mitarbeiterin des St. Michaelsbundes in Augsburg betreut zahlreiche Bibliotheken katholischer Gemeinden und gibt regelmäßig Leseempfehlungen für Kinder- und Jugendbücher. Seit vier Jahren ist sie Mitglied der Jury zum Katholischen Kinder- und Jugendbuchpreis. „Papierklavier“ bilde gesellschaftlich relevante Fragen jugendgemäß und auf sehr gelungene Weise literarisch ab, erklärt die Augsburgerin gegenüber unserer Redaktion, warum das Buch der Kandidat für den Preis war. „Es erzählt vom Zusammenhalt in einer Familie, vom Umgang mit Tod und Armut und vermittelt dabei zutiefst humanistisch-christliche Werte“, führt sie näher aus. Auch die Jury habe keine explizitere Begründung von den Bischöfen erhalten, erzählt sie. Sie und ihre Kolleginnen und Kollegen hätten sich ein offenes Gespräch über das Buch gewünscht, erzählt die Jurorin, dazu sei es aber nicht gekommen.
220 Autorinnen und Autoren protestieren gegen die Entscheidung
Die öffentliche Diskussion konnte das Schweigen der Bischöfe nicht aufhalten. 220 Autorinnen und Autoren appellieren an die Bischöfe, ihre Entscheidung zu überdenken. „Erstaunen und Unverständnis“ äußern auch die Arbeitsgemeinschaft von Jugendbuchverlagen und der Arbeitskreis für Jugendliteratur. Der richtet alljährlich den Deutschen Jugendliteraturpreis aus, auf dessen diesjähriger Nominierungsliste Steinkellners Buch steht.
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