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Interview: Judi Dench: "Mein Mann wollte immer ein Bond-Girl haben"

Interview

Judi Dench: "Mein Mann wollte immer ein Bond-Girl haben"

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    "Kein Schauspieler glänzt von alleine, ganz egal, wie sehr er sich anstrengt", findet Judi Dench.
    "Kein Schauspieler glänzt von alleine, ganz egal, wie sehr er sich anstrengt", findet Judi Dench. Foto: Andy Raim, dpa

    Mrs Dench, in „Geheimnis eines Lebens“ von Trevor Nunn spielen Sie eine britische Agentin, die für den KGB angeworben wird. Warum fiel Ihnen der Abschluss der Dreharbeiten so schwer, dass Sie am letzten Drehtag geweint haben?

    Judi Dench: Ich hatte Angst, nie wieder vor der Kamera oder auf der Bühne zu stehen. Ich werde diese Befürchtung einfach nicht los. Außerdem spüre ich jetzt oft den heimlichen Vorwurf, wann tritt sie endlich ab? In meinem Beruf ist das nicht vorgesehen. Keiner muss in Rente gehen, um sich seinem Hobby zu widmen. Wir haben unsere Leidenschaft bereits zum Beruf gemacht.

    Verraten Sie Ihr Erfolgsgeheimnis?

    Dench: Ich habe mich nie auf dem Applaus oder guten Kritiken ausgeruht. Jedes Lob spornt mich an, besser zu werden und mir neue Herausforderungen zu suchen. Wiederholungen langweilen mich, ich will in keiner Schublade landen. Oft habe ich meinen Agenten beschimpft, wenn er mir trotzdem solche Bücher schickte. Er kann meine Wut einordnen, die schnell verraucht. Ansonsten habe ich mich stets bemüht, niemals unhöflich, arrogant oder rücksichtslos gegenüber anderen aufzutreten. Das mag altmodisch klingen. Aber kein Schauspieler glänzt von alleine, ganz egal, wie sehr er sich anstrengt.

    Als Bond-Chefin mussten Sie aber zwangsläufig mehrmals in die gleiche Haut schlüpfen.

    Dench: Deshalb habe ich lange gezögert, das Angebot anzunehmen. Mein Mann Michael Williams gab den Ausschlag. Er wollte endlich das Bett mit einem Bond-Girl teilen, seine Worte haben mir sehr geschmeichelt. Als ich zugesagt hatte, lud mich der MI6 zum Lunch ein. Sie bestanden darauf, mich mit ihrem Auto abzuholen, obwohl ich mehrmals beteuerte, dass ich ihr Gebäude kenne. Der kleine Streit endete damit, dass ich vergeblich wartete. Ihr Fahrer fand mein Haus nicht. Drei Straßenzüge entfernt rief er an und ließ sich von mir navigieren.

    Ihre Kollegin Maggie Smith beschwert sich in Ihrem im Frühjahr angelaufenen Film „Tea with the Dames – Ein unvergesslicher Nachmittag“ mit einem Augenzwinkern, dass Sie ihr alle attraktiven Rollen vor der Nase wegschnappen. Hat Sie der Vorwurf getroffen?

    Dench: Maggies Ärger spiegelt nur das mangelnde Angebot an guten Parts für Frauen wider. Durch die MeToo-Debatte, den Aufschrei über die geringere Bezahlung von Schauspielerinnen und die Diskussion über stereotype Frauenbilder im Film wurden sich alle der absurden Situation bewusst. Doch es wird dauern, dies zu ändern. Die ganze Branche wird von Männern beherrscht. Und wir müssen unbedingt darauf achten, ob Frauen einfach nur in die Fußstapfen von Männern treten oder ihre weiblichen Verhaltensweisen mitbringen. Meine M ist anders als alle Männer vor ihr.

    In „Tea with the Dames“ entsteht auch der Eindruck, Sie seien ein wenig nostalgisch.

    Dench: Ich trauere um meinen wunderbaren Freundeskreis, in den der Tod fortwährend Lücken reißt, und um die wunderbaren Theaterensembles, deren Mitglied ich sein durfte. Die Royal Shakespeare Company war in den sechziger Jahren wie eine große Familie. Obwohl wir beruflich in alle Winde zerstreut wurden, freuen wir uns auf jedes Wiedersehen.

    Wann wussten Sie, dass Sie den Durchbruch geschafft hatten?

    Dench: Das kann ich nicht genau sagen. Ich wurde Schauspielerin, weil mir nach einer Aufführung von „King Lear“ in Stafford klar wurde, dass mir die Fantasie fehlt, in meinem Traumberuf als Designerin zu bestehen. An der Schauspielschule war ich geschockt, was von mir gefordert wurde. Glücklicherweise fand ich nach dem Abschluss sofort Arbeit am Theater und wurde als junge Schauspielerin wahrgenommen. Sonst wäre ich untergegangen.

    Wer hat Sie besonders beeinflusst?

    Dench: Der Regisseur Peter Brook hat mich geprägt. Unser Gastspiel in Westafrika werde ich nie vergessen. Wir spielten Shakespeare und wurden von den Zuschauern ständig unterbrochen. Wir waren auf diese Reaktion nicht vorbereitet und zunächst irritiert und verängstigt. Gleichzeitig möchte ich diese wundervolle Erfahrung nicht missen.

    Ihre etwas rauchige Stimme wurde Ihr Markenzeichen. Stand Sie Ihnen oft im Weg oder war sie von Vorteil?

    Dench: Ich beantworte diese Frage ungern. Bei meinem ersten Vorsprechen für „Cabaret“ in London verabschiedete mich der Regisseur sehr kühl. Er dachte wahrscheinlich, die trinkt und wird niemals durchhalten. Ich bekam die Rolle trotzdem, war aber verunsichert. Howard Price hat mich damals gerettet. Er riet mir, spiele einfach weiter, wenn du den Ton nicht triffst.

    Mit Regisseur Trevor Nunn arbeiteten Sie bereits an der Royal Shakespeare Company. Brauchte er große Überredungskünste, um Sie für „Geheimnis eines Lebens“ zu begeistern?

    Dench: Trevor gehört zu meinen guten Freunden, er brauchte mich nicht zu überreden. Ich mochte das Drehbuch, das auf einem wahren Schicksal beruht. Wie vielen Absolventinnen von Cambridge blieb Melita Norwood eine große Karriere in der Wissenschaft versagt, obwohl sie einen besseren Abschluss als ihre Kommilitonen hatte. Nach ihrer Enttarnung wurde sie als Spionin und Verräterin beschimpft. Das ist sie in meinen Augen nicht. Nach Hiroshima glaubte sie, dass beide Seiten über die Atombombe verfügen sollten, um das Gleichgewicht des Schreckens im Kalten Krieg wiederherzustellen. Das mag naiv klingen, aber die Geschichte scheint ihr recht gegeben zu haben.

    Sie haben 2012 Ihre Erkrankung an einer Makuladegeneration bekannt gegeben. Wie geht es Ihnen heute?

    Dench: Meine Augen werden schlechter, ich kann nicht lesen und muss die Augen oft schließen, da sie schnell müde werden. Meine Familie fängt mich auf und hat mich sogar ermutigt, mein Hobby, das Malen, nicht aufzugeben. Sie war für mich stets das größte Glück und wird es bleiben.

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