Er kommt wieder, keine Frage. Verlässlich gilt diese unausgesprochene Regel für fast jeden Trend. Und damit auch für sämtliche Trendfarben, die auf Kleidung, an der Wand oder auf den Lippen alle paar Jahre Konjunktur erleben. Bekanntermaßen ist der Spruch aber eigentlich nur einer Farbe vorbehalten. Und genau diese hat zurzeit wieder ihren großen Auftritt: Pink.
Kein zarter Puderton, kein beeriges Fuchsia – es ist das knallige Pink, Farbton Hot Pink, das einem dieses Jahr auf Kleiderbügeln, in der Fußgängerzone, allen voran in Social-Media-Feeds begegnet. Dem große Modehäuser wie Valentino eine ganze Kollektion widmen, das auf einigen Online-Modeportalen so häufig wie keine andere Farbe gesucht wird.
Daniel Craig zeigte sich im pinken Sakko auf dem Roten Teppich bei der letzten James Bond-Premiere. Andere US-Stars, wie etwa Rihanna oder Kim Kardashian, lassen sich dagegen lässig in der pinken Jogginghose auf der Straße ablichten. An den Hype schließt sich sogar ein Film über das rosarote Sinnbild schlechthin an: Nächstes Jahr kommt mit Margot Robbie und Ryan Gosling „Barbie“ als Realfilm in die Kinos. Alle auf der pinken Welle.
Warum die Mädchenfarbe Pink wieder im Trend liegt
Na, und? Wieder eine Trendfarbe eben, könnte man denken. Aber: Heute ist eben nicht aller Tage. Deshalb verwundert es, dass es die Farbe Pink ist. Seit Jahrzehnten steht Pink als Symbolfarbe für das klischeehafteste aller Frauenbilder und wird mit negativen Eigenschaften wie Oberflächlichkeit, Naivität oder Zickigkeit assoziiert. Aber auch mit Niedlichkeit und Verletzlichkeit, und damit mit kleinen Mädchen, Prinzessinnen und eben Barbie. Kaum eine andere Farbe bedient so zuverlässig und unbestritten Stereotype.
Das wirft Fragen auf. Ist die Pink-Dominanz nicht vollkommen überholt in einer Zeit, in der die Gesellschaft daran arbeitet, Geschlechter-Klischees abzubauen? In der über Farbwelten von Kinderspielzeug heiß diskutiert wird, um schon die Kleinsten nicht mit bestimmter Symbolik zu prägen? Führt der große Auftritt der Farbe also nicht genau wieder zu jenen Denkmustern?
Der Widerspruch zeigt: Bei Pink geht es zurzeit mehr als um eine Trendfarbe. Pink hat eine Botschaft. Die liegt, so schlicht wie es klingt, erst einmal darin: Pink knallt. Dabei ist vor allem der Kontrast der Farbe von Bedeutung. Und zwar der von Pink heute zu den vergangenen, nebelig-grauen Jahren der Corona-Pandemie. Pink ist hell, grell, leuchtet und schreit damit: Hier ist etwas los.
Modetrends 2022: Barbie-Core und Dopamin-Dressing
Pink steht für die zurückerlangte Lebendigkeit, die während der Pandemie pausieren musste. Sattes Grün oder sonniges Orange, in diesem Zuge ebenfalls wieder sehr angesagt, übrigens auch. Das Ganze heißt in der Modewelt „Dopamin-Dressing“: Sich also so zu kleiden, dass durch die Farbwahl Dopamine, bekannt als Glückshormone, freigesetzt werden.
Eng damit verbunden ist eine weitere Erscheinung: „Barbie-Core“. In Kleidung übersetzt bedeutet das Wort so viel wie „Barbie-ähnlich“. Der Hintergrund ist ein ähnlicher wie beim Dopamin-Dressing: Endlich wieder ausbrechen. Doch hier geht es darum, einen Gegentrend beziehungsweise Trendbruch zu erzeugen und sich sogar für Feminismus starkzumachen. Und ja, ausgerechnet dabei soll Barbie helfen.
Es geht darum, sich von Kleidung zu verabschieden, die den Körper bedeckt. Denn die vergangenen Jahre waren vor allem von Oversized-Schnitten und bedeckten Farben geprägt: Androgyne Blazer, übergroße T-Shirts und weite Hosen sind in Kleiderschränken schon lange keine bloße Trenderscheinung mehr. Durch die feministische Brille liegt mit solcher Kleidung die Botschaft darin, die Aufmerksamkeit weg vom Körper zu lenken. Ihn bloß nicht darauf zu reduzieren. Barbie-Core bedeutet, man führe sich nur mal kurz die Kleidung der Spielzeugpuppe vor Augen, das Gegenteil: die Betonung des Körpers.
Gegen Geschlechtergrenzen, für Bodypositivity
Dass Röcke nun wieder kürzer, Oberteile enger und Kleidung pinker wird, soll ausdrücken: Man kann Feministin sein und Pink tragen. Ein bewusstes Spiel mit den pinken Klischees. Die Sängerin Lizzo, die sich für Bodypositivity einsetzt und in hautengen, pinken Einteilern regelmäßig Bühnen betritt, verkörpert genau das.
Pink unterstreicht, unabhängig von Modetrends, noch eine andere zeitgenössische Botschaft: Sich über Geschlechtergrenzen, die die Farbe suggeriert, hinwegzusetzen. Harry Styles, in pinker Federboa und Sonnenbrille, lebt das zugespitzt. Männlich, weiblich – Kategorien, die bei der Identität nach Ansicht einiger überwunden werden sollen. Pink tragen bedeutet heute: Es hat eben keine Bedeutung mehr. Und unterstreicht damit auch die Botschaft, einfach zu tragen, was gefällt. Paulchen Panther ist übrigens zwar pink, aber gänzlich unbekleidet.