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Wissenschaft: Wie gefährlich machen Blaualgen das Baden?

Wissenschaft

Wie gefährlich machen Blaualgen das Baden?

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    Wenn Blaualgen wie hier im Bild auf der Wasseroberfläche schwimmen, ist der Badespaß getrübt.
    Wenn Blaualgen wie hier im Bild auf der Wasseroberfläche schwimmen, ist der Badespaß getrübt. Foto: Philipp Schulze, dpa (Symbolbild)

    Während der Hitze der vergangenen Wochen suchten viele Menschen Abkühlung im Wasser. Schmierige Algenteppiche, trübe Sicht im Badesee oder Urin im Freibad können den Sprung ins kühle Nass allerdings unangenehm werden lassen – und manchmal sogar gefährlich. Um in Deutschland bedenkenlos baden zu können, gibt es vonseiten der EU eine Richtlinie über die Qualität von Badegewässern. Nach Angaben des Umweltbundesamts (UBA) erfüllten im vergangenen Jahr rund 98 Prozent der 2292 deutschen Badegewässer jene Qualitätsanforderungen. In 118 Fällen seien in der Badesaison 2022 allerdings Gewässer geschlossen worden. Der häufigste Grund dafür: Cyanobakterien, die besser unter dem Namen Blaualgen bekannt sind.

    Für die Entstehung der Lebewesen auf der Erde seien Cyanobakterien von „allergrößter Bedeutung“ gewesen, sagt Ulf Karsten, Professor für Angewandte Ökologie und Phykologie an der Universität Rostock. Cyanobakterien sollen die ersten Organismen gewesen sein, die Photosynthese betrieben und damit Sauerstoff produziert haben. „Diese Organismen sind sehr alt und haben damit natürlich viele Eigenschaften, die es ihnen ermöglichen, auch heute unter extremen Bedingungen zu leben, weil sie seit dreieinhalb Milliarden Jahren auf der Erde sind und diese früher viel unangenehmer war bezüglich der Umweltfaktoren.“ Cyanobakterien gehören laut Karsten „natürlicherweise in unsere Gewässer“. Allerdings können sie nach Angaben des Berliner Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) in bestimmten Fällen Giftstoffe bilden, Wasserpflanzen das Licht zur Photosynthese nehmen und beim Abbau Sauerstoff verbrauchen: „Blaualgenblüten gefährden so aquatische Ökosysteme mit ihren Lebewesen sowie Trinkwasserressourcen und Badegewässer.“ 

    Badeseen: Blaualgen sind vor allem für Kinder gefährlich

    Cyanobakterien können laut Hans-Peter Grossart, Forschungsgruppenleiter am IGB Berlin und Professor an der Universität Potsdam, im schlimmsten Fall tödlich sein oder chronische Schäden verursachen, da sie krebserregend sein können. Besonders gefährlich seien die Cyanobakterien für Kinder. „Weil die natürlich eine sehr zarte Haut haben“, sagt Ulf Karsten. Außerdem seien sie sehr unbedarft. „Die planschen im Wasser rum und verschlucken das dann auch mal.“ Deshalb sei es wichtig, darauf zu achten, dass Kinder nicht mit den Cyanobakterien in Berührung kommen, erklärt der Wissenschaftler. „Wenn man diese blaugrünen oder türkisfarbenen Biofilme sieht auf der Wasseroberfläche, also flächendeckend einen grünen Film, dann geht man nicht baden. Das sind meistens diese Cyanobakterien und meistens sind sie toxisch. Dann muss man einfach ein paar Tage warten.“ Irgendwann werde dann der Wind wiederkommen, es gebe eine Durchmischung und die Cyanobakterien würden abgebaut werden.

    Karsten geht davon aus, dass das Wasser durch die Erderwärmung künftig wärmer wird und sich dadurch die Wasserqualität verschlechtern und das Blaualgen-Problem größer wird. In wärmeren Gewässern seien Cyanobakterien sehr konkurrenzstark. Doch wie hält man die Badevorfreude vor dem Hintergrund der Cyanobakterien aufrecht? Man müsse versuchen, Nährstoffe so weit wie möglich an Land zurückzuhalten, sagt Karsten. „Diese Nährstoffproblematik ist sicherlich eine der Ursachen. Eine weitere Ursache ist die Erwärmung. Die ist aus dem Ruder gelaufen, und wir können sie nicht stoppen.“ Es sei wichtig, die Seen insgesamt wieder in einen ökologisch besseren Zustand zu bringen – unter anderem durch Bepflanzung, Beschattung und mehr Gehölze an den Uferrändern.

    Wetterextreme erfordern ein gutes Wassermanagement

    Nötig ist laut Karsten auch ein gutes Wassermanagement. „Wenn jetzt Niederschläge kommen, dann sind die nicht mehr gleichmäßig über das Jahr verteilt, sondern die kommen schlagartig. Wir haben sechs Wochen, acht Wochen Trockenheit, dann gibt es ein Gewitter und dann kommt ein Regen mit einer riesigen Menge.“ Der Boden könne das nicht aufnehmen, weil er trocken sei. „Wir müssten überall Zisternen anlegen und Auffangbecken, sodass wir dieses kostbare Wasser auffangen und dann, wenn wieder eine Trockenphase kommt, nutzen, bis der nächste Regen kommt.“ Es sei Aufgabe der Politik, sich auf die neuen Gegebenheiten einzustellen, betont Karsten.

    Neben Cyanobakterien stellen auch Vibrionen eine Gefahr beim Baden dar, wobei entsprechende Infektionen sehr selten auftreten. Bei Vibrionen handelt es sich laut Robert Koch-Institut (RKI) um Bakterien, die weltweit im Süß- und Salzwasser vorkommen und zum Beispiel über Wunden in den Körper gelangen können. Die Infektionsgefahr ist höher an oder unweit von besonders flachen und sich dadurch schnell erwärmenden Küstenbereichen. „Bei Wassertemperaturen ab etwa 20 Grad müssen Menschen damit rechnen, dass Vibrionen vermehrt vorkommen", teilt das Landesamt für Gesundheit und Soziales in Mecklenburg-Vorpommern mit. „Hat die Massenvermehrung stattgefunden, sind Vibrionen bis mindestens zum Ende der Badesaison Mitte September auch bei wieder sinkenden Wassertemperaturen nachweisbar.“ 

    Badeseen: Vibrionen-Infektionen können tödlich enden

    Allerdings trete eine „äußerst geringe Zahl an Infektionen“ mit Vibrionen auf „im Vergleich zur Zahl der Millionen badenden Menschen, aber auch zur Zahl der Badenden mit besonderem Risiko“. In Mecklenburg-Vorpommern wurden Vibrionen-Infektionen erstmals 2003 statistisch erfasst. Seitdem wurden nach Angaben des Landesamts 84 Infektionen gemeldet, zehn davon mit Todesfolge. Besonders ältere Menschen mit einer offenen Wunde sowie einer schwachen Immunabwehr oder Vorerkrankungen können laut dem Gesundheitsministerium in Schleswig-Holstein von einer Infektion gefährdet sein. Diese Menschen sollten den Kontakt mit warmem Meerwasser meiden, heißt es. Im Verdachtsfall sollte wegen des raschen und schweren Krankheitsverlaufs sofort ein Arzt gerufen werden.

    Dass in manchen Gewässern schon in geringer Tiefe die eigenen Füße durch das Wasser nicht mehr zu sehen sind, ist aus Sicht von Ulf Karsten hingegen unbedenklich. „Der Boden und die Sedimente sind ganz fragil und können ganz schnell wieder aufgewirbelt werden. Das ist das Problem in den Bodengewässern. Aber das ist nicht giftig.“ Schilf oder auch verschiedene Makroalgen und Wasserpflanzen anzupflanzen oder zu fördern, könne zu einem klareren Wasser beitragen.

    Die Reaktion von Chlor mit Urin kann die Augen reizen

    Auch in Freibädern wird das Baden gelegentlich als eklig und unangenehm wahrgenommen – beispielsweise, wenn Besucherinnen und Besucher mit geröteten Augen oder Chlorgeruch in der Nase zu kämpfen haben. Chlor allein ist nach Angaben von Thomas Schupp, Professor und Toxikologe aus dem Fachbereich Chemieingenieurwesen an der Fachhochschule Münster, nicht dafür verantwortlich. Erst die Reaktion mit Harnstoff sorgt laut Schupp für den manchmal als unangenehm wahrgenommenen Geruch. Zum Teil werde der Harnstoff auch über die Haut mit Schweiß abgegeben. Besonders viel Harnstoff gelange ins Beckenwasser, wenn sich jemand den Weg zur Toilette spare, sagt Schupp. Daraufhin bilde sich die Verbindung Trichloramin. „Das ist eine Verbindung, die stark reizend auf die Schleimhäute wirkt und auch dafür sorgt, dass man den Geruch wahrnimmt.“ Allein der Urin ist den Angaben zufolge aber nicht gefährlich, solange die Menschen gesund sind. 

    Um diesen unangenehmen Geruch zu vermeiden, hat Schupp einen Hinweis an alle Freibad-Fans. „Mein Rat an alle, die schwimmen gehen: Sich selbst was Gutes tun und vor allen Dingen auch den anderen was Gutes tun. Und richtig gut wird es, wenn alle mitmachen. Bevor ich ins Becken springe, suche ich erst mal die Duschen auf und dusche mich kräftig ab, dann hält das Wasser im Schwimmbecken länger.“ Gegen die geröteten Augen können laut Gerd Geerling, Sprecher der Stiftung Auge und Professor an der Uniklinik Düsseldorf, darüber hinaus Schwimm- und Taucherbrillen hilfreich sein. 

    Bei empfindsamen Augen: Nach dem Schwimmen auswaschen

    Er empfiehlt Menschen mit ohnehin schon empfindsamen Augen, diese nach dem Schwimmen mit sauberem Wasser auszuwaschen. „Bei jeder Irritation der Augen, die länger als einen Tag anhält, ist der Besuch eines Augenarztes sinnvoll.“ Chlor an sich ist laut Thomas Schupp ungefährlich und dient dazu, Krankheitskeime zu beseitigen. „Chlor ist ein sehr wirkungsvolles Desinfektionsmittel“, sagt der Wissenschaftler. Selbst in Trinkwasser werde Chlor eingesetzt – in Deutschland sei das zwar in den meisten Fällen nicht nötig, dafür aber anderswo. „Wer Urlaub in wärmeren Ländern macht, der wird das auch schon erfahren haben. Wenn man dann im Hotel den Wasserhahn aufdreht, denkt man: Oh, das ist ja ein Geruch wie bei uns im Hallenbad. Das stimmt und hat ganz klar auch seine Ursache in der Bekämpfung von Krankheitskeimen.“ (Christian Johner, dpa)

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