Ein Forscherteam hat entschlüsselt, wie die Einzigartigkeit unserer Fingerabdrücke mit ihren Schleifen, Bögen und Wirbel entsteht. Die Muster prägen sich bereits im Mutterleib aus und bleiben ein Leben lang unverändert. Entscheidend für deren Bildung seien spezifische Gene, die individuelle Form der sich entwickelnden Finger sowie das Konzept eines berühmten britischen Mathematikers, berichtet ein internationales Team unterschiedlichster Disziplinen im Fachblatt Cell.
Dieselbe Körpergröße, dieselbe Augenfarbe, dasselbe Erbgut: Eineiige Zwillinge sind auf den ersten Blick oft kaum auseinanderzuhalten. Doch selbst bei ihnen unterscheiden sich die Fingerabdrücke. Deren Aussehen wird von den sogenannten Papillarleisten bestimmt – feinen Linien, über die auch die Fingerkuppen von Primaten und Koalabären verfügen und deren Zweck vermutlich darin besteht, Griffsicherheit und Tastsinn zu verbessern.
Rillenmuster an den Pfoten von Mäusen ähneln menschlichem Fingerabdruck
Beim Menschen bilden sich die individuellen Muster beim Embryo bereits in der 13. Woche. Erst im vergangenen Jahr zeigte eine Studie, dass bestimmte Gene Einfluss auf deren Ausprägung nehmen. Da nun aber nicht einmal eineiige Zwillinge den gleichen Fingerabdruck haben, müssen auch andere Faktoren eine Rolle spielen.
Welche das sein könnten, hat nun ein multidisziplinäres Team um Denis Headon von der Universität von Edinburgh untersucht. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sequenzierten genetische Informationen aus den Hautzellen der Fingerzellen von menschlichen Embryonen, die der Forschung nach Abtreibungen zur Verfügung gestellt worden waren.
Auf diese Weise kamen sie drei verschiedenen molekularen Signalwegen sowie den Genen WNT, BMP und EDAR auf die Spur, die das Wachstum der Papillarleisten beeinflussen. Wie das genau funktioniert, überprüfte die Forschungsgruppe anhand von Mäusen: Die Haut an den Pfoten der Nager weist einfache Rillenmuster auf, die menschlichen Fingerabdrücken ähneln.
Als die Wissenschaftler die Signalwege bei den Mäusen künstlich unterdrückten, stellten sie fest, dass Signale der Gene WNT und BMP auf entgegengesetzte Weise wirken: WNT scheint das Zellwachstum zu stimulieren, sodass in der äußeren Hautschicht Erhebungen entstehen, während BMP das Zellwachstum unterdrückt, was zur Ausbildung von Furchen führt. EDAR-Signale würden hingegen die Größe und Abstände der Rillen bestimmen.
Gestaltung der Fingerabdrücke hängt mit Anatomie der Finger zusammen
Wurde nun der WNT-Signalweg bei den Mäusen ausgeschaltet, zeigten sich auf ihren Pfotenunterseiten gar keine Rillen, während bei Ausschaltung des BMP-Signalwegs die Rillen breiter wurden. Bei Tieren ohne EDAR-Aktivität wurden hingegen gepunktete anstatt linienförmiger Muster beobachtet. Die gegensätzliche Beziehung von WNT- und BMP-Wegen ist dabei laut den Autorinnen und Autoren charakteristisch für ein sogenanntes Turing-Muster.
Das von dem britischen Mathematiker Alan Turing entwickelte Konzept beschreibt, wie unterschiedliche, sich überlagernde chemische Aktivitäten zu komplexen Mustern führen, die in der Natur weit verbreitet sind und zum Beispiel die Streifen von Zebras oder die Flecken von Giraffen erklären.
Während Gene beziehungsweise deren Signalwege nun die Bildung der primären Papillarleisten steuerten, hänge deren weitere Ausgestaltung von der jeweiligen Anatomie des Fingers und dem zeitlichen Ablauf des Wachstums ab, so die Forschenden. Bei ihrer Untersuchung des menschlichen Embryonalgewebes stellten sie fest, dass sich die primären Rillen des Fingerabdrucks in drei Zonen bilden: dem äußersten Ende der Fingerkuppe, dem Ballen in der Mitte der Fingerspitze und der Falte zwischen Fingerspitze und mittlerem Fingergelenk.
Wachstum, Fingerlänge und Form der Fingerkuppen spielen eine Rolle
Von diesen drei Stellen aus breiteten sich die Rillen wellenförmig über die Fingerkuppe aus, erläuterte Headon in einem online vom Journal Science veröffentlichten Beitrag zu der Cell-Studie. „Jede Leiste dient dazu, die Position der nächsten zu definieren.“ Im nächsten Schritt spiele nun die individuelle Fingerform eine Rolle: Große und symmetrische Fingerballen mit früher Rillenbildung neigten dazu, Wirbel zu bilden, während lange, asymmetrische Ballen eher Schleifen ausprägten.
Wie die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in einer Mitteilung der Universität von Edinburgh bilanzieren, wird die Entstehung von Fingerabdrücken also von vielen verschiedenen Faktoren beeinflusst, zu denen Wachstumsverlauf, Fingerlänge und Form der Fingerkuppen sowie lokale Genaktivitäten gehörten: „Daraus ergibt sich eine unendliche Vielfalt von Fingerabdruckmustern, die erzeugt werden können“, so die Forschenden.