Wer in einem gemeinsamen Haushalt lebt, teilt nicht nur Sofa und Kühlschrank, sondern auch körpereigene Mikroben. Das zeigt eine in Nature vorgestellte Studie. Die ging der Frage nach, was die Zusammensetzung unseres Darm- und Mundmikrobioms bestimmt, und untersuchte dafür Proben tausender Menschen weltweit. Die Studie wirft die Möglichkeit auf, dass Krankheiten wie Krebs oder Diabetes, die mit einer Störung des Mikrobioms in Zusammenhang gebracht werden, zumindest zum Teil übertragbar sein könnten.
„Mikrobiom“ beschreibt nicht die Billionen Bakterien, die den Darm besiedeln, sondern die Gesamtheit aller Mikroorganismen, die sich in und auf der Haut, den Schleimhäuten und den Organen befinden. Die Zusammensetzung ist bei jedem Menschen einzigartig, weswegen auch von einem „mikrobiellen Fingerabdruck“ gesprochen wird. Klar scheint bereits, dass das Mikrobiom etwa eine wichtige Rolle für unser Immun- und Verdauungssystem spielt – es gibt jedoch nur sehr wenige Erkenntnisse, wie die Bakterien, Viren, Pilze und anderen Mikroben, aus denen das Mikrobiom besteht, erworben und von Mensch zu Mensch übertragen werden.
Mütterliches Mikrobioms noch bei 85-jährigen Probanden nachgewiesen
Die meisten Studien konzentrieren sich auf den ersten Kontakt des Menschen mit den Mikroorganismen: die Übertragung durch die Mutter. Tatsächlich erhalten Babys die ersten Mikroben bereits während des Geburtsvorgangs, weitere folgen durch die Muttermilch.
Um nun zu untersuchen, wie sich dieses frühe Mikrobiom im Laufe des Lebens verändert, analysierte ein internationales Team um Mireia Valles-Colomer und Nicola Segata von der italienischen Universität Trient fast 10.000 Stuhl-und Speichelproben von Probanden aus 20 Ländern aller Kontinente. Konkret suchten die Forschenden nach Überschneidungen bei den Mikrobenstämmen, die sie in den Verdauungs- und Mundräumen von Familienmitgliedern, Partnern, Mitbewohnern und anderen sozialen Kontakten fanden.
Die Analyse bestätigte dabei zunächst, dass die erste Übertragung des Darmmikrobioms bei der Geburt stattfindet und sehr lange hält, denn die Bakterien des mütterlichen Mikrobioms konnten noch bei Menschen im Alter von 50 bis 85 Jahren nachgewiesen werden.
Darüber hinaus fehlten allerdings bei Säuglingen viele der bei Erwachsenen verbreiteten Bakterienarten. Jene Darmmikroben müssen durch weitere soziale Interaktionen erworben werden, wobei sich andere Familienmitglieder als zusätzliche wichtige Quelle erwiesen. So hatten Kinder ab einem Alter von vier Jahren ähnlich viele Mikrobenstämme mit ihrem Vater wie mit ihrer Mutter gemeinsam. Und in ländlichen Regionen finden sich in verschiedenen Haushalten eines Dorfes tendenziell mehr Überschneidungen als bei Menschen aus verschiedenen Dörfern.
Mitglieder eines Haushalts teilen etwa ein Drittel der Mundbakterienstämme
Zudem beobachteten die Forschenden, dass sich das orale Mikrobiom deutlich von dem des Darms unterscheidet. Zum einen sei die Übertragung durch die Mutter bei der Geburt minimal, zum anderen würden die entsprechenden Bakterien im Laufe des Lebens sogar häufiger weitergegeben als Darmmikroben, und das vor allem zwischen Menschen, die zusammenlebten. So teilten die Mitglieder eines Haushalts etwa ein Drittel der Mundbakterienstämme, aber nur zwölf Prozent der Darmbakterienstämme.
Dabei neigten Paare dazu, die Mikrobenstämme in größerem Umfang zu teilen als Kinder und Eltern. „Im Erwachsenenalter sind die Quellen unseres Mikrobioms meist die Menschen, mit denen wir in engem Kontakt stehen“, so Nicola Segata. „Die Dauer der Interaktionen – man denke beispielsweise an Studenten oder Partner, die sich eine Wohnung teilen – ist in etwa proportional zur Anzahl der ausgetauschten Bakterien.“
In vielen Fällen könnten sich Bakterien jedoch auch zwischen Personen verbreiten, die nur oberflächlich und gelegentlich miteinander zu tun hätten. „Wir haben auch festgestellt, dass bestimmte Bakterien, insbesondere solche, die außerhalb unseres Körpers besser überleben, viel häufiger übertragen werden als andere“, ergänzt Mikrobiologin Valles-Colomer. Dabei handele es sich um Mikroben, von denen nur sehr wenig bekannt sei.
Zudem gebe es grundsätzlich noch viele unbeantwortete Fragen zu den genauen Übertragungsmechanismen und den Auswirkungen auf die Gesundheit. Einige nicht übertragbare Krankheiten, wie etwa Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes oder Krebs, seien teilweise mit einer veränderten Zusammensetzung des Mikrobioms verbunden, sagt Segata: „Der Nachweis, dass das menschliche Mikrobiom übertragbar ist, könnte darauf hindeuten, dass einige dieser (derzeit als nicht übertragbar geltenden) Krankheiten zumindest bis zu einem gewissen Grad übertragbar sein könnten.“
Weitere Studien zur Übertragung des Mikrobioms könnten hier das Verständnis der Risikofaktoren verbessern und die Möglichkeit einer Risikominderung durch Therapien untersuchen, die auf das Mikrobiom oder seine übertragbaren Komponenten einwirken.