Was Sie schon immer über die Mona Lisa wissen wollten oder über die String-Theorie nie zu fragen wagten; warum "Easter Eggs" seit dem Atari Kult sind und wo ein Paradies namens Shangri-La wirklich liegt... Hier können Sie es erlesen.
Ein Hase versteckt gefärbte Hühnereier: ein Satz mit so wenig Wörtern kann ganz schön viele Rätsel enthalten. Das mit den Eiern ist noch leicht erklärt: Das Ei gilt in vielen Ländern als Ursprung neuen Lebens, bereits im Altertum verschenkten die Menschen im Frühjahr Eier. Warum aber, und das ist hier ja zentral, versteckt man die Eier nun?
Die christliche Kirche führte die Tradition auf ihre Weise fort. In der Fastenzeit gilt ein Verzicht auf Fleisch und Eier, die Hühner legten aber weiter. Um die sich sammelnden Eier fürs Verschenken haltbar zu machen, wurden sie gekocht. Und dann ihre Bedeutung noch verstärkt durch die Weihe in der Kirche. Ein Brauch, den evangelische Christen ablehnten. Den Kindern zuliebe führten sie dafür das Suchen und Verstecken ein (wie ihnen ja auch das Christkind zu verdanken ist).
Eigentlich gab es Ostereier immer nur in einer Farbe: rot
Und die Farben? Heute sind Eier orange, gelb, grün und lilablassblau. Dabei wurde die Schale ursprünglich nur in einer Farbe getränkt: Rot. Die Farbe des Lebens, der Auferstehung, der Stärke. Alles andere als unauffällig und damit eher ungeeignet, um sie zu verstecken. Also um sie leichter zu finden? Nein, auch das nicht. Verwendet wurde die starke Farbe, weil sie dem christlichen Brauch nach an das Blut Jesu erinnern soll. Seine Leiden am Kreuz, verbunden mit Schmerz und seinem Opfertod, den er für die Christenheit erbrachte.
Alles andere als kunterbunter Osterhasen-Brauch also. Der christliche Gedanke ist auch hier, wie so oft, inzwischen etwas verloren gegangen. Vielleicht sogar aus dem Ruder gelaufen, betrachtet man die zahlreichen Möglichkeiten, Hühnereier zu färben: Da gibt es Glitzerstifte, knallbunte Farben und Bastelanleitungen finden sich im Internet zu Genüge. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Zum Einsatz kommen Feinstrumpfhosen für Batikmuster, Pflanzen für Abdrücke von Blättern und Stoffe und Perlen für Landschaften. Die Eier-Kunstwerke finden ihren Höhepunkt wohl in den Künsten von Peter Carl Fabergé …
Wie aber kam der Hase zum Ei? Ganz weltlich. Der Gründonnerstag war im Mittelalter Zahltag. Und Schuldner bedienten Gläubiger auch mit Naturalien. Darunter gekochte Eier – und Hasen. Zudem gilt das Tier als Symbol der Fruchtbarkeit. Im Werk „De ovis paschalibus“ (Von Ostereiern) von 1682 findet sich dann die Verknüpfung von Hase und Ei. Darin wird erwähnt, dass in Teilen Deutschlands Ostereier Haseneier hießen. Die Mär vom Eier legenden Hasen war geschlüpft.
Das Zeitgemäßeste, was Ostern und das Verstecken zusammenbringt, hat mit Ostern eigentlich überhaupt nichts zu tun. Denn die sogenannten „Easter Eggs“ sind eben alles andere als Ostereier. Viel mehr ist so Verborgenes in Computerspielen bezeichnet, auf dessen Suche sich echt Gamer ganz besonders gern machen.
Das begann im 1979 erschienenen Spiel „Adventure“ auf dem Atari 2600 (ein Denkmal hat dem in Science-Fiction-Roman und Spielberg-Verfilmung der Publikumsknüller „Ready Player One“ gesetzt). Versteckt war in der noch sehr rudimentären Grafik in einer Wand ein gleichfarbiges Pixel, das Gamer mitnehmen und in einen anderen Raum bringen konnten; dort öffnete sich daraufhin mit einer bislang geschlossenen Wand ein versteckter Raum; und in diesem war als „Easter Egg“ zu lesen „Created by Warren Robinet.“ – der Programmierer hatte sich so ins Spiel geschmuggelt, nach dem Atari zuvor entschieden hatte, die Schöpfer nicht mal in den Anleitungen zu nennen.
Die geheimen Zusatzmissionen sind zum Kult geworden
Daraus ist ein eigener Kult entstanden, mit sehr viel komplexeren Anwendungen freilich. Es gibt schräge Zusatzfunktionen wie etwa in „Hitman 2“: Als Auftragskiller kann man hier bei einer Mission in der Küche einen Fisch holen, diesen dann draußen in einen Springbrunnen legen – und wenn man dann noch in der richtigen Reihenfolge über die Kacheln am Boden geht, kann man daraufhin auf Delfinen reiten. Oder in „Just Cause 4“, da ist eine Waffe versteckt, mit der man nicht töten, sondern Getroffene plötzlich in Kühe verwandeln kann … Jede Menge Quatsch also, mal mehr, mal weniger schwer zu finden – selten aber so hartnäckig wie im Spiel „Batman: Arkham Asylum“. Das verrieten die Macher selbst, nachdem es zwei Jahre lang unentdeckt geblieben war (und einen Vorgeschmack aufs Folgespiel liefern sollte). Aus solchen „Easter Eggs“, die für das Vorankommen im Spiel letztlich egal sind, hat sich auch die Gemeinheit entwickelt, dass teils ganze Zusatzmissionen oder zumindest Zusatzwertungen versteckt sind, ohne die der Gamer nicht mehr weiter- oder nie zum Ende kommt. Die Beispiele sind Legion, es gibt ganze 16 versteckte Missionen in „Natural Plains“, fünf in „The Division 2“, Nebenmissionen von „The Witcher 3“ bis „GTA 5“ … – in „South Park: Der Star der Wahrheit“ ist niemand anderes als Jesus zu finden.
Aber weil es da nichts gibt, was es nicht gibt, findet man in „Grand Theft Auto: Vice City“ als „Easter Egg“ eben: ein riesiges, goldenes Osterei.
Es gibt da die hübsche Anekdote aus dem genialen Buch „Eine kurze Geschichte von fast allem“ von Bill Bryson (gerade ist eine Version für Lesende ab zehn Jahren erschienen – ein Ostergeschenk?): Die Wahrscheinlichkeit ist gar nicht so gering, dass jeder und jede von uns Atome von Albert Einstein in sich trägt. Denn das Universum verliert ja nichts, auch auf Erden wird alles aus dem Gleichen immer wieder neu.
Vielleicht bietet das ja einen Trost in einer tragikomischen Anekdote des Fußballs, die nur zwischenzeitlich ein Happy End samt tierischem Helden kannte. Ausgerechnet im Jahr des originalen „Football’s coming home“, 1966, wurde der WM-Pokal in England gestohlen, damals noch der „Coupe Jules Rimet“, der griechischen Siegesgöttin Nike nachempfunden, 35 Zentimeter groß, knapp vier Kilo schwer. Inmitten einer PR-Tour einfach unter die Jacke gesteckt und versteckt. Dass die Engländer ihn bei ihrem einzigen WM-Sieg trotzdem in die Höhe stemmen konnten, war zweierlei zu verdanken: Dieben, die davor zurückschrecken, ihn auf Materialwert reduziert zu veräußern, und dann nicht wussten, wohin damit – und einem Hund namens Pickles.
Als dessen Herrchen, der Themse-Fährmann David Corbett, mit ihm Gassi ging, buddelte die schwarz-weiß gescheckte Promenadenmischung in einem Vorgarten unter einem Busch – und förderte den Pokal zutage! Weitere Diebe 1983 in Rio de Janeiro aber kannten die Demut ihrer Vorgänger nicht. Sie gestanden, die Statue einfach eingeschmolzen zu haben. Für immer verloren also. Seitdem gibt es einen anderen WM-Pokal. Aber der ist auch in Gold. Vielleicht also steckt da auch ein Atom …
Auch wenn immer wieder davon die Rede ist, auf der Erde gebe es keine weißen Flecken mehr, es sei nichts mehr zu entdecken übrig, der expansiven Spezies Mensch ist nichts mehr verborgen … – das ist ziemlicher Quatsch. Nur mal ein Beispiel genommen: Im Jahr 2020 wurde die Zahl der uns bekannten Tier-, Pflanzen- und Tierarten auf mehr als 1,89 Millionen beziffert. Die Zahl der tatsächlich auf der Erde existierenden Arten aber wird von unterschiedlichen Expertinnen und Experten auf fünf bis zehn Millionen Arten geschätzt, als ein weitestgehend akzeptierter Annäherungswert gelten 8,7 Millionen. Demnach wären knapp 80 Prozent aller Arten noch unentdeckt. Wie man darauf kommt? Durch die fortlaufende Erfahrung, dass Menschen überall dort, wo sie suchen, weiter Neues entdecken, bei den Kleinstlebewesen bis hinein in unsere Wälder, deren Gesamtzusammenspiel uns darum auch noch weitestgehend verborgen geblieben ist. Aber vor allem geht es um zwei dominante Bereiche des Versteckten in der Natur: die tropischen Regenwälder und die Tiefsee.
Was man weiß, ist, dass der mit Abstand größte Artenreichtum dieses Planeten (trotz aller Schrumpfung durch menschliche Rodungen) in tropischen Regenwäldern beheimatet ist. Die niedrigsten Schätzungen reichen von der Hälfte aller Arten, die dort leben, die höchsten gehen bis zu 90 Prozent. Erst vor kurzem etwa hat man begonnen, die Dimensionen der Lebensräume in den Baumwipfeln dort zu erschließen. Mit dem Verborgenen in der Tiefsee ist es im Grunde etwas Gegenteiliges. Denn die Regenwälder galten immer schon als bunt belebt und sind es nur noch mehr – die Tiefsee mit ihrer kaum durchdringlich scheinenden Dunkelheit aber wurde immer als eher lebensfeindlich eingeordnet. Doch inzwischen hat man sogar an vermeintlich hochgiftigen Gasvulkanen Arten gefunden, die sich gerade dort pudelwohl fühlten. Ohnehin war der Mensch häufiger auf dem Mond als in den tiefsten Regionen seiner Ozeane, bloß seinen atomaren Müll hat er schon dorthin entsorgt. Es sind vielleicht eher schwarze als weiße Flecken auf der Erde also. Aber ein Teil der Arten stirbt ohnehin inzwischen durch das Wirken des Menschen aus, ohne dass der sie je gekannt hätte.
Das berühmteste Rätselbild überhaupt ist wohl Leonardo da Vincis „Mona Lisa“ – das womöglich kaum einer heute kennen würde (wie Vermeers wohl für immer verschollenes „Das Konzert“), hätte ein Handwerker in Paris nicht einen blöden Fehler gemacht. Von 1911 an nämlich hing dieses Gemälde an der Wand seiner kleinen Wohnung im 10. Arrondissement und bezauberte ganz allein ihn: Vincenzo Perrugia, den Dieb aus Leidenschaft, zeitweilig im Louvre tätig, wo das Werk hing, und heute längst auch wieder hängt. Denn 1913 fuhr Perrugia nach Florenz, um dort von einem Kunsthändler bestätigen zu lassen, dass es sich auch um das Original handle. Der bestätigte – und informierte die Behörde …
Die „Mona Lisa“ also. Aber mit dem Namen des zwischen 1503 und 1506 entstandenen Gemäldes fängt es ja schon an. Auf Italienisch heißt es „La Gioconda“, was nicht nur die Heitere heißt, sondern auch auf die Florentinerin Lisa del Giocondo hinwies, von der vermutet wurde, sie sei dargestellt. Die Mona im Deutschen ist einfach ein Missverständnis, denn gemeint war „Monna“ als die Kurzform des italienschen Madonna für die Ehefrau . Zur Frage, wer hier tatsächlich dargestellt ist nur so viel: Es gibt da auch die Brandani- und die Salai-Theorie, die Isabella-von-Aragonien-, die Caterina-Sforza-, die Isabella-d’Este-Theorie … Immerhin bei der merkwürdigen Landschaft im Hintergrund der Dame wollen die Forscherinnen Olivia Nesci und Rosetta Borchia Gewissheit gebracht haben: Es soll die historische Landschaft des Montefeltro sein, heute teils zur Toskana und der Emilia-Romagna in Italien gehörend. Ja dann …
Wenn alles Versteckte so einfach zu entschlüsseln wäre! Da war im Jahr 2001 der Fall des Kolumnisten Stephen Pollard bei der US-Zeitung Daily Express. Der lag mit dem Inhaber des Blattes, Richard Desmond, im Clinch und dachte sich, da er von der Times abgeworben wurde, für seinen letzten Leitartikel einen Clou aus – der leider schnell auffiel. Die ersten Buchstaben in den Sätzen seines Kommentars ergaben nämlich zusammengefügt den Satz „fuck you Desmond“. Daraufhin wurde auch der Vertrag von Herrn Pollard beim neuen Arbeitgeber noch vor dessen Beginn aufgelöst …
Großes Thema waren eine Zeit lang auch Rückwärtsbotschaften, die mitunter in Songtexten nicht nur düsterster Metal-Bands vermutet wurden (Darkthrone im Song „As Flittermice as Satans Spys“ etwa mit „Let the churches burn!“). Hieß es in „Revolution 9“ auf dem „White Album“ der Beatles rückwärts nicht „Turn me on, dead man“? Ein Hinweis, dass Paul McCartney bereits Jahren tot und durch einen Doppelgänger ersetzt war? Riefen Queen in „Another One Bites The Dust“ rückwärts nicht „it’s fun to smoke marijuana“ zum Kiffen auf? Witzig immerhin sind Parodien, wie die der Ärzte in „Ein Lied für dich“ mit „Außer Campino“ oder von Böhse Onkelz mit „Enie Tfahcstob Rüf Ediona-rap“ („Eine Botschaft für Paranoide“).
Aber das Ganze hat ja auch seinen Ernst. Denn versteckte Botschaften wurden oft verwendet, um Zensuren in autoritären Regimen zu umgehen. Zur Wissenschaft geworden ist die Geheimhaltung in der Kryptografie, berühmt die Maschine Enigma (Rätsel), mit der die Nazis ihren Nachrichtenverkehr verschlüsselte – mit mehr als 200 Trilliarden Verschlüsselungsmöglichkeiten. Die vom genialen Briten Alan Turing mit einer eigenen Maschine gehackt wurden – woraufhin die Briten nur entscheiden mussten, wie sie möglichst erfolgreich und für den Kriegsausgang entscheiden verbergen konnten, dass das Geheimnis keines mehr war. Aber zur Kunst war die Verschlüsselung bereits mit Steganografie geworden, in der Texte einen Sinn ergaben, mit einen Schlüssel gelesen, aber einen anderen, wo die Geheimhaltung also auch selbst geheim gehalten wurde. Wie bei Stephen Pollard, bloß besser halt.
Geschichten des Versteckten gibt es zahllose. Man könnte auf die Frage zurückkommen: Wer war William Shakespeare – und wenn ja, wie viele? Oder gibt es die Illuminaten? Solches vermeintlich Verborgene führte unweigerlich ins weite Feld zwischen Mythen und Verschwörungstheorien. Auch die Lust daran erzählt etwas über den Menschen. Aber fruchtbarer, gerade in diesen Zeiten und zu Ostern: Das sind doch die Spuren der Sehnsucht sich in solchen Geschichten …
Der britische Romanautor James Hilton beschrieb im Jahr 1933 den Ort Shangri-La, verborgen irgendwo im tibetischen Bergland, in dem Weisheit, Harmonie und Frieden herrschen: ein irdisches Paradies. Das Buch trug den Namen „Lost Horizon“, verlorener Horizont. Das sollte im Blick behalten, wer sieht, dass anschließend viele Menschen aufbrachen, um dieses Shangri-La eben dort zu finden; dass der Name fortan für Restaurants und Hotelketten in aller Welt Verwendung fand; dass chinesische Marketingfachleute den Ort Zhongdian in der Provinz Yunnan 2001 einfach in Shangri-La umbenannten; dass seit 2006 auch ein unerforschtes Gebiet auf dem Titan, dem größten Mond des Saturn, so heißt ; dass Shangri-La ein Level im Überlebenskampf des Computerspiels „Call of Duty: Black Ops“ von 2011 heißt … Was erzählt das über den modernen Menschen und den Umgang mit einer ewigen Sehnsucht?
Fünf Jahre nach dem Erscheinen von „Lost Horizon“ zitierte US-Präsident Roosevelt im aufziehenden Weltsturm bei einer Rede ganze Sätze aus dem Buch: „Es scheint leider zuzutreffen, dass die Epidemie der allgemeinen Gesetzlosigkeit immer mehr um sich greift. Wenn eine ansteckende Krankheit sich auszubreiten beginnt, verordnet die Gemeinschaft eine Quarantäne der Patienten, um die Gesundheit der Gemeinschaft vor der Ausbreitung dieser Krankheit zu schützen.“ Wiederum fünf Jahre später, die USA waren in den Krieg eingetreten, taufte der Präsident den Rückzugsort in Maryland in Shangri-La um – und beriet sich dort, im Verborgenen, 1943 mit Churchill beim Angeln. Heute heißt der Ort Camp David, Shangri-La im Äußeren zu finden, blieb in der Geschichte Fiktion. Ist der Horizont verloren oder bloß versteckt?
Wo versteckt wird, will gefunden werden. In der Kunst freilich ist Verstecken ein Spiel, das nur Sinn hat, wenn das Versteckte nicht quasi im Vorübergehen erfasst werden kann, sondern dem Finden ein bisschen Übung (die ja Fehlgriffe mit einschließt) vorausgegangen ist. Es mag Findefüchse geben, die vor lauter Erfahrung jedes noch so gut Versteckte im Nullkommanichts enttarnen. Der Normalfinder hingegen muss dem Versteckten erst auf die Spur kommen, bevor es sich für ihn auszahlt. Allein schon dadurch, dass das kompliziert zu Entdeckende, das nach allen Finessen der Kunst verborgen wurde, letztlich doch nicht den geschärften Sinnen des Finders entgehen konnte.
Gerade die Zeit um Ostern herum offeriert den Hörern großer Passionsmusiken eine Fülle von versteckten musikalischen Hinweisen, gerade, wo es sich um Werke aus dem Barockzeitalter handelt. Tönende Kreuzsymbole beispielsweise, Tonfolgen, an denen das Ohr in ihrer gemeinten, auf die Kreuzigung Jesu verweisenden Bedeutung schnell vorüberhören kann. Da hilft es, wenn man sie einmal in der Partitur gesehen hat: als fallenden Intervallschritt nach unten, dem ein weiterer nach oben folgt, bevor die Linie wieder deutlich nach unten geht – vier Töne, ganz ähnlich jener Handbewegung, die Gläubige vollführen, wenn sie sich bekreuzigen. Einmal sehend und daraufhin hörend entdeckt, ist der Finde-Eifer geweckt und wird gestillt etwa vielfach bei Johann Sebastian Bach (dessen Name, in Noten gesetzt, ja schon ein Kreuzmotiv beinhaltet), aber auch bei Heinrich Bibers Rosenkranz-Sonaten – und nicht nur die sakrale Musik voller Nester mit Verstecktem.
Es gibt natürlich noch viel mehr Rätselbilder als die "Mona Lisa" in der Kunst als das bei uns zerpuzzelte. Ein ganz besonderes ist „Das Doppelporträt von Jean de Dinteville und Georges des Selve“ (1533) in der National Gallery in London. Es stammt vom in Augsburg geborenen Renaissancemaler Hans Holbein dem Jüngeren und hält fast lebensgroß das Bildnis die beiden französischen Freunde am englischen Hof Heinrichs VIII. in London fest: links Dinteville, Gesandter des französischen Königs Franz I., und rechts Selve, Bischof und Diplomat in Diensten Kaiser Karls V. Den Blick direkt auf den Betrachter gerichtet, stützen sie sich auf eine Etagere: oben platziert sind astronomisches Gerät und Uhren als Symbole der Wissenschaft, die hier auch verrinnende Zeit andeuten, unten Musikinstrumente und Bücher als Symbole der Kunst und humanistischer Gelehrsamkeit. Soweit ist alles deutbar. Nur zu Füßen der Gesandten schiebt sich von unten ein längliches, undefinierbares Gebilde über den preziösen Mosaik-Fußboden in den Bildraum. Rätselhaft dominiert das Objekt den Vordergrund der Komposition und bestimmt die Blickführung. Es ist eine Anamorphose (griech. Umformung), eine nach den Gesetzen der Perspektive absichtlich verzerrte Darstellung, die nur unter speziellem Blickwinkel oder mit Hilfsmitteln wie spezieller Spiegel zu verstehen ist.
Nähert man sich dem Gemälde nicht frontal, sondern in extremer Schrägsicht seitlich von unten – das Gemälde hing im Treppenhaus von Dintevilles französischem Schloß in Polisy –, lüftet sich das Bildrätsel. Einen Hinweis darauf gibt Dintenvilles Barett-Brosche mit Totenkopf. Dintevilles Wahlspruch des „memento mori“ verstärkend, zeigt Holbein in der Anamorphose verborgen einen Totenschädel. Das Rätsel im Bild ist somit der Tod. Die Botschaft lautet: die eigene Vergänglichkeit im Bewusstsein zu halten. Doch der Überraschungseffekt der Deutung der Anamorphose aus der seitlich-unteren Perspektive geht mit der Verzerrung des restlichen Bildinhaltes einher. Denn das Bild ist nach zwei verschiedenen Darstellungs- und Bedeutungssystemen konstruiert. Sie koexistieren und schließen sich doch aus: Leben und Todesmetapher – vereint in der Malerei, die damit ihre Gestaltungsmacht definiert.
Auch wenn es noch so unwahrscheinlich scheinen mag: Die Wahrscheinlichkeit, dass es angesichts der bloßen Zahl an Sternen und Planeten irgendwo noch Leben gibt, ist relativ hoch. Wie wahrscheinlich es aber ist, dass es sich auf eine Art zeigt, wie der Mensch mit seinen Sinnen und Sensoren dieses Leben, das womöglich noch intelligent ist, auch wahrnehmen kann?
Die Wissenschaft hat gewaltige Fortschritte gemacht im All, gewiss. Von der Erde aus betrachtet. Doch wie groß wirken die noch angesichts der im Wortsinne unvorstellbaren Größe des Ganzen? In der Halbdistanz begonnen, könnte man ja meinen, dass wir uns zumindest in unserem Sonnensystem auskennen und lernfähig sind, haben wir doch Pluto aus dem Rang des Planeten in den eines Zwergplaneten zurückverwiesen, weil er nicht groß genug und keine eigenständige Umlaufbahn hat. Aber nach Überzeugung vieler Forschender muss es einen neunten Planeten geben. Darauf weise das Verhalten anderer Körper hin. Bloß gesichtet wurde „Planet 9“ noch nie. Laut Nasa soll er die zehnfache Masse der Erde haben und eine Umlaufbahn, zwanzigmal weiter von der Sonne entfernt als die von Neptun, es könnte zwischen 10.000 und 20.000 Erdjahre dauern, bis er ein Mal die Erde umrundet hat. Soll. Könnte.
Was zum Größten und Kleinsten führt. Denn nur rechnerisch geklärt ist ja auch, dass es ungeheure Mengen an Masse und Energie im All geben muss, die uns noch unbekannt sind, darum auch genannt: dunkle Energie und dunkle Masse. Wie all das zusammenhängen könnte. Der Star-Physiker Michio Kaku schreibt: „Vielleicht ist die dreidimensionale Welt, in der wir leben, nur ein Schatten der realen Welt, die eigentlich zehn- oder elfdimensional ist.“ Er umschreibt so den aktuellen Kandidaten für die Weltformel, die Stringtheorie, „die besagt, dass das Universum nicht aus punktförmigen Teilchen, sondern aus winzigen schwingenden Saiten (Strings) besteht, wobei jeder Ton einem subatomaren Teilchen entspricht“. Und weiter: „Die Chemie ist die Melodie, die man auf ihnen spielen kann. Das Universum ist eine Symphonie. Und der Geist Gottes (…) ist kosmische Musik, die durch die Raumzeit widerhallt.“ Das klingt nach sehr viel Unbekanntem.
Was für ein Witzbold der sich ewig vor dem Thron versteckende Pop-König Prince doch auch war. Auf dem Album „Newpower Soul“ gibt es zehn angegebenen Songs – danach aber folgen noch Track elf bis 48 mit je einigen Sekunden Stille, bevor zum Abschluss mit Nummer 49 plötzlich doch das Drei-Minuten-Stück „Wasted Kisses“ kommt. Auf dem Album „20Ten“ dauert es sogar bis Nummer 77. Klar, CD-Zeitalter.
Das versteckte Lied, genannt „hidden track“, ist ein Stück Pop-Geschichte mit vielen Kapiteln – und eigenen Hitparaden in den Weiten des Internets. Unvermeidlich auftauchen müssen darin, quasi Track 1: „Her Majesty“ der Beatles auf dem Album „Abbey Road“ – eigentlich sollte es Teil eines Medleys auf der zweiten Seite werden, klar, LP-Zeitalter, aber McCartney wollte das Stück weghaben, woraufhin es der Tontechniker rausschnitt, aber, um es zu bewahren, danach als eigenes Stück hinzufügte; was den Fab Four gefiel; also ließen sie den Song dort, listeten ihn aber bei Ersterscheinen nicht auf. Track 2: Muss danach den Rolling Stones gehören – und ihrem wild psychedelischen (irgendwie auf „Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band“ der Beatles antwortenden) Album „Their Satanic Majesties Request“ von 1967. Und da, am Ende der ersten Seite, erscheint unaufgelistet und verborgen der „hidden track“, der bald den Namen „Cosmic Christmas“ trug (was eigentlich der Albumtitel hätte sein sollen), der allerdings kaum als Lied zu bezeichnen ist. Track 3: Ein mächtiges, wütendes Soundgewitter versteckten Nirvana auf ihrem Durchbruchalbum „Nirvana“ nach zehnminütiger Stille – „Endless, Nameless“ ist ein fast neunminütiger Sturz in die Hoffnungslosigkeit, in den Abgrund, den man im Nachhinein fast prophetisch nennen mag.
Natürlich haben auch später Künstler noch „hidden tracks“ geliefert, selbst Rapper wie Dr. Dre („Bitches Ain’t Shit“) oder Kanye West („Late“) – aber mit der Dämmerung der physischen Alben hat auch das Verborgene den Platz eingebüßt. Bonustrack: Was Lauryn Hill auf ihrem feinen Album „The Miseducation of Lauryn Hill“ zunächst als versteckten Zusatz lieferte, das Cover von „Can’t Take My Eyes Off You“, war so schön, dass es dann auch als gelisteter Song überleben durfte.
Wenn es um die Spuren der Glaubenserzählungen geht, hat die Suche nach dem Versteckten nicht nur eine besondere Bedeutung, weil ausgerechnet das Materielle als Beweis für die Wahrheit des Heiligen bürgen soll. Sie treibt mitunter auch die seltsamsten Blüten. Da wollten Forscher der christlichen Gruppe „Noah’s Ark Ministries International“ (NAMI) aus Hongkong etwa vor gut zehn Jahren mit einer Sicherheit von „99,9 Prozent“ in gefundenen Holz- und Seilresten auf dem Berg Ararat im Osten der Türkei Teile der Arche Noah gefunden haben. Und von der „Heiligen Lanze“, mit der der römische Soldat Longinus dem gekreuzigten Jesus den (vorübergehenden) Todesstoß in die Seite versetzte, kursieren gleich mehrere Exemplare. Das Original, das wundersame Kräfte verleihen sollte, war lange im Besitz der byzantinischen Kaiser, bis es verschwand und in unterschiedlichen Formen wiederauftauchte. Die angeblich echte Spitze soll dann, klar, in der Französischen Revolution zerstört worden sein … Dabei gibt es von weltlichen Zeugnissen des Glaubens so schöne handfeste Geschichten. Etwa vom Christus der Abgründe. Für die Opfer des Meeres wurde eine Erlöserstatue ähnlich der über Rio de Janeiro thronenden 1954 in 17 Metern Tiefe mit einem Gewicht von 260 Kilogramm in einer Bucht bei Genua aufgestellt. Dazu zwei Abgüsse im Lauf der Jahre vor Florida, bei der Antilleninsel Grenada – und viele weitere kleine in Italien, etwa vor dem Dorf Rocca San Giovanni. Bis diese Letzte im Juni 2018 plötzlich verschwunden war. Versteckt, verborgen, verloren? Einen Monat später war sie ebenso plötzlich wieder da. Ein Wunder?