Soll nicht alles möglichst richtig sein und möglichst gut werden? Waren Sie also erfreut, dass zum Christopher-Street-Day erstmals die Regenbogen-Fahne auf dem Reichstag wehte?
Soll die Gleichberechtigung aller Identitäts- und Liebesentwürfe ein höheres Prinzip dieser Gesellschaft sein? Wurde hier nicht auch selten bildhaft klar, wie fern der symbolische aufgezogene Idealismus der Wirklichkeit ist? Denn ist Ihnen aufgefallen – was freilich einerseits Wut, andererseits Häme hervorrief –, dass da einfach irgendein Regenbogen flatterte und nicht etwa der ganz richtige, offiziell queerbunte?
Wenn sich also zeigte, dass es da mindestens ein Ungleichgewicht in dieser Gesellschaft gibt, welches davon regt Sie auf?
Finden Sie, alle sollten in Freiheit über sich selbst bestimmen können, solange es die Freiheit anderer nicht beeinträchtigt?
Auch über ihr Geschlecht?
Und wenn nicht, was stünde als Wert etwa in diesem Fall höher? Bloß der einer schöneren, sternchenfreien Sprache kann es wohl nicht sein, oder?
Zoff um einen Vortrag über Geschlechter an der Humboldt-Universität
Empört es Sie, dass neulich der Vortrag einer Biologin an der Berliner Humboldt-Universität gecancelt wurde, weil die davon sprechen wollte, dass es in ihrer Wissenschaft nur zwei Geschlechter gebe?
Und sind ebenso empört, dass die Frau, als sie nachgeholt dann doch noch sprechen durfte, sich keiner Diskussion mehr über ihre Thesen stellte?
Was trägt hier bei, dass alles richtig sein kann und möglichst gut werden wird? Und sollte es das nicht?
Überall?
Das Ziel ist der Frieden in der Ukraine - aber zu welchem Preis?
Sie sind doch wohl zum Beispiel für Frieden in der Ukraine? Aber zu welchem Preis?
Und dafür, dass Russland den Krieg nicht gewinnen sollte? Aber bis zu welchen Folgen? Auch fürs vergleichsweise existenziell wenig bedrohte eigene Wohlergehen in Sachen Wohn- und Duschwärme etwa? Eher in Kauf zu nehmen als Folgen, um zur Erreichung von Klimazielen beizutragen? Fahren Sie noch Auto? Etwa schon E? Und wissen Sie auch um die Fragen von Rohstoffen und Speicherung? Achten Sie auf den Energieverbrauch durch Streaming sowie via Smartphone gespeicherte Fotos und Videos? Achten Sie bei Einkauf und Konsum auf möglichst wenig Verpackung und Plastik? Ernähren Sie sich vegan?
Achten Sie ansonsten auf nachhaltige und regionale Lebensmittel? Wissen Sie auch die Hintergründe der Produktion etwa von Soja oder Hafermilch? Und kleiden Sie sich mit „Fast Fashion“, also Billig- und Saisonware? Aber wissen auch, dass schöne Lederschuhe nicht nur einen Preis in Euro für Menschen haben? Und Sie kennen auch die überwiegenden Umstände der Baumwoll-Gewinnung und -Weiterverarbeitung?
Heißt es Frauenfußball-EM oder Fußball-EM der Frauen?
Machen Sie Yoga? Ist das, zumindest als bloßes Fitness-Programm, nicht auch so etwas wie kulturelle Aneignung?
Sie rauchen doch nicht etwa?
Dürfen etwa weiße Musiker Dreadlocks tragen und Reggae spielen?
Und finden Sie, dass inzwischen giftig wirkende Begriffe und Bilder auch aus älteren Werken, von alten Fassaden, von eigentlich überall getilgt werden sollten? Sollen nur historische Figuren auf Sockeln oder Straßenschildern erinnert werden, die unbedenkliche Biografien haben? Sollen nur noch Künstlerinnen und Künstler, die entweder aus moralisch unbedenklichen Ländern stammen oder ansonsten eindeutig Stellung in unserem Sinne beziehen, hier auftreten dürfen? Dürfen etwa weiße Musiker Dreadlocks tragen und Reggae spielen?
Sehen Sie sich als weißer Mann aus einer christlich-abendländischen Kultur in besonderer Verantwortung, weil die bisherigen Strukturen in Gesellschaft und Welt eine deutliche Bevorzugung für Menschen ihres Typs bedeutet haben? Oder in Variation auch als Frau, die zudem mit ihrem Lebensentwurf im Spannungsfeld der doch gesellschaftlichen Aufgabe der Emanzipation steht?
Ist der Mensch, der gut sein will, ein glücklicher Sisyphos?
Soll die Gleichberechtigung aller Identitäts- und Liebesentwürfe ein höheres Prinzip dieser Gesellschaft sein?
Was trägt bei, dass alles möglichst richtig sein und möglichst gut wird? Hat dafür die Politik, der Staat, hat dafür die Gesellschaft zu sorgen?
Und kennen Sie den Mythos des Sisyphos? Hat der, der sich abmüht, einen Fels einen Berg hochzurollen, bloß damit dieser am Ende hinunterrollt, immer wieder, uns dazu etwas zu erzählen?
Und wissen Sie, was gemeint sein könnte, wenn Camus schrieb, man müsse sich Sisyphos angesichts der existenziellen Leere des Lebens in der Moderne als glücklichen Menschen vorstellen mit seiner Aufgabe?
Könnte das übertragbar sein, dass auch, wer versucht, ein guter Mensch zu sein, zu Sisyphos oder Sisypha oder Sisyvers wird? Und halten Sie das hier für eine Polemik? Für zu uneindeutig? Für zu wenig für auch nur irgendeine erhaben flatternde Fahne auf dem Reichstag? Was antworten Sie?