Bei welcher Temperatur schreiben Sie am liebsten?
Marc Elsberg: Halbwegs gemäßigte Umstände mag ich am liebsten, also eine klassische Zimmertemperatur von etwa 22 Grad. Im Sommer darf es meinetwegen auch etwas mehr sein, aber nicht viel mehr, und viel weniger auch nicht.
Das heißt, Sie werden eher nicht in ein warmes Land auswandern, um dort unter Palmen schreiben zu können?
Elsberg: Nein. Diesen Traum, den offenbar viele Autoren haben, im warmen Schatten eines Olivenbaums an einem Tischchen zu sitzen und dort zu arbeiten, hatte ich nie. Das ist mir einfach zu heiß.
In Ihrem neuen Thriller versucht China, den globalen Temperaturanstieg mit technischen Mitteln einzudämmen. Wie kamen Sie auf dieses Thema?
Elsberg: Ich beschäftige mich schon lange mit sogenanntem Geoengeneering und wollte ohnehin seit Jahren mal übers Klima schreiben. Inzwischen wird das Thema immer drängender, weil die Politik die notwendigen Maßnahmen weiterhin verschleppt. Die naheliegende Zauberlehrlingserzählung „Mensch spielt Gott, greift in die Natur ein und es endet in der Katastrophe“ fand ich allerdings ebenso langweilig wie erwartbar und falsch. Ich wollte eine überraschendere Erzählung, die ich so noch nicht gesehen hatte. Als mir klar wurde, dass und wie das funktionieren könnte, hatte ich meine Geschichte.
Ist Ihre Handlung denn realistisch?
Elsberg: Durchaus. Die meisten Technologien für ein Szenario wie im Buch sind grundsätzlich vorhanden und könnten rasch angepasst werden. Bei Solar Radiation Management, wie im Buch beschrieben, simuliert man quasi einen großen Vulkanausbruch und bringt feine Aerosole und Partikel in der Stratosphäre aus. Großdrohnen, die das Material dorthin transportieren können, existieren noch nicht, könnten aber binnen einiger Jahre entwickelt werden. Eine andere mögliche Transportmethode mit konventionellen Flugzeugen beschreibe ich im Buch. Geoengineering allgemein umfasst sehr viele verschiedene Ansätze. Da geht es um Ideen wie das Düngen der Meere mit Eisenspänen, was im Kleinen schon versucht wurde, um Gletscherabdeckung, gentechnisch veränderte Pflanzen, die mehr CO2 absorbieren und vieles anderes. Viele Ideen sind reine Spinnerei oder viel zu teuer, andere realistischer. Was für praktisch alle Ansätze derzeit wegen mangelnder Forschung noch fehlt, ist ausreichend Wissen über Details – etwa über die optimalen Stoffe, Ausbringungsorte, -zeiten und -mengen für Solar Radiation Management – und über mögliche Konsequenzen.
In Ihrem Thriller wird klar, dass einige Unternehmen oder Staaten schon seit Jahren geheime Forschung in dieser Richtung betreiben. Gibt es dafür tatsächlich Anzeichen?
Elsberg: Bis vor kurzem waren das nur Gerüchte und vereinzelte Experimente, etwa zur Meeresdüngung mit Eisenspänen oder Wolkenbildung über dem Great Barrier Reef. Doch 2022 gab die US-Regierung einen gigantischen Millionenetat frei um das Thema ausführlich zu erforschen. Verschiedenste Institutionen wie Universitäten, private Institute, Militär etc. werden dies also nun verstärkt tun – sowohl zu verschiedenen Geoengineeringmöglichkeiten und deren Machbarkeit als auch zu möglichen gesellschaftlichen und politischen Konsequenzen. Und erst kürzlich verkündete ein kalifornisches Start-Up, binnen achtzehn Monaten Test zu großflächiger Wolkenbildung über den Weltmeeren beginnen zu wollen.
Haben Sie selbst Angst vor den Folgen der Erderwärmung?
Marc Elsberg: Ich bin ein wohlhabender Mitteleuropäer und mir sehr bewusst, dass diese Entwicklungen immense Auswirkungen auf unser aller Leben haben werden. Aber Angst? Eher nicht. Denn hier in Mitteleuropa werden wir uns in vielerlei Hinsicht trotz allem an vieles anpassen können. Das Geld ist da, und die Konsequenzen werden nicht ganz so dramatisch sein wie in anderen Teilen der Welt.
Millionen Menschen anderer Länder und die Natur haben weniger gute Aussichten.
Elsberg: Absolut! Anpassung ist keine Option, wenn die Insel überflutet ist, auf der man lebt. Dann müssen die Menschen um ihr Leben flüchten. Oder: Wenn das Meer zu warm wird, stirbst du als Koralle. Fertig. Da wird Anpassung zu einem zynischen Ratschlag von weniger Betroffenen. Anpassung kann auch deswegen nur eine Teilstrategie im Umgang mit den kommenden Entwicklungen sein, denn die Klimaveränderung geschieht so schnell, dass oft zu wenig Zeit bleibt.
Was muss Ihrer Meinung nach sofort getan werden?
Elsberg: Die notwendigen Maßnahmen sind bekannt: schnellstmöglicher Umstieg auf erneuerbare Energien, Ausstieg aus der industrialisierten Tierhaltung, Stopp der Tropenwaldabholzung, Schaffung von CO2-Senken (Wälder, Moore, Mangroven, Holzbau), komplette Neuorganisation unseres Wirtschaftssystems von Konsum- und Wegwerfgesellschaft zu Kreislaufwirtschaft. Vor allem der Westen müsste viel, viel schneller und konsequenter vorgehen als bisher, entsprechende Gesetze erlassen, den CO2-Preis erhöhen, Umstellungen und Maßnahmen massiv finanziell fördern, vor allem auch im globalen Süden. Leider reicht alles was Politik und Wirtschaft zurzeit vorhaben, bei weitem nicht.
Glauben Sie, dass Ihr Buch einen Beitrag leisten kann, das Bewusstsein für aktives Handeln zu vergrößern?
Elsberg: Plädoyers und Weckrufe in Sachen Klima bekommen wir seit Jahrzehnten serviert, da muss ich nicht noch eines drauflegen. „˚C - Celsius“ soll ein spannender Thriller sein, über den man nach dem Lesen noch weiter nachdenkt. Ich glaube auch nicht, dass als Unterhaltung getarnter Aktivismus funktioniert. Andersrum wird ein Schuh daraus: Unterhaltsamer Aktivismus wäre wahrscheinlich erfolgreicher als das, was wir meistens in diesem Bereich sehen.
Betrachten Sie sich also nicht als politischen Autor?
Elsberg: Frei nach Paul Watzlawick: Man kann nicht nicht politisch sein. Insofern es bei Politik ja nicht nur um Parteipolitik geht, sondern darum, die Beziehungen von Menschen zueinander und innerhalb einer Gemeinschaft zu regeln – was wir alle permanent tun, bewusst und unbewusst, durch Teilnahme oder bewusste Nicht-Teilnahme in unserer Familien, unseren Freundeskreisen, am Arbeitsplatz, in Vereinen. Ich bin also so viel oder so wenig politischer Autor wie wir alle politische Menschen sind.
Ihr neuer Thriller steht in der Tradition von „Blackout“, in dem Sie mit mehr als zwei Dutzend Figuren und Schauplätzen Ihren Plot vorantreiben. Wie behalten Sie den Überblick?
Elsberg: Da ich eher ein genau im Voraus planender Autor bin, notiere ich meine Ideen auf Übersichten, Tabellen, Chart mit Post-its und elektronisch auf einem großen iPad. Auf diese Ordnung kann ich mich dann im Verlauf des Schreibprozesses verlassen. Nur in der Überarbeitung kann das manchmal kurzfristig zu Verwirrung führen, aber letztlich helfen solche Tools sehr gut.
Wenn Sie auf die Zeit vor „Blackout“ zurückblicken: Wie hat das Schreiben Ihr Leben verändert?
Elsberg: Ich würde sogar noch weiter gehen und behaupten, dass „Blackout“ mein Leben auf den Kopf gestellt hat. Davor war ich Angestellter in der Werbebranche, und seitdem bin ich freiberuflicher Autor mit allen Vor- und Nachteilen. Ein Vorteil ist dass ich meine Zeit frei einteilen kann, ein Nachteil, dass ich dies auch tun muss. Was für einen Thrillerautor ungewöhnlich ist, aber sehr interessant und abwechslungsreich: Seitdem ich schreibe, werde ich viel von Politik und Wirtschaft eingeladen, um über meine Themen zu sprechen. Ich sitze also zum Glück nicht nur einsam daheim sondern komme gut unter die Leute.
Zur Person: Mit „Blackout“ begann 2012 die Karriere des Österreichers Marc Elsberg als Thrillerautor. Das Buch, dass erstmals Cyberangriffe auf Stromnetze vorhersagte, verkaufte sich mehr als eine Million Mal, erschien in mehr als 20 Sprachen und wurde als TV-Serie verfilmt.
Marc Elsberg der zuvor Strategieberater und Kreativdirektor für Werbung war, legte mit „Zero“ „Helix“ und „Gier“ weitere internationale Bestseller vor. Soeben hat der 55-Jährige seinen brisanten Klimathriller „°C - Celsius“ veröffentlicht.