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Interview: Gender-Gegner Jürgen von der Lippe: "Ich bezeichne mich als Feminist"

Interview

Gender-Gegner Jürgen von der Lippe: "Ich bezeichne mich als Feminist"

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    Sympathisch, witzig, aber auch gerne mal deutlich: Jürgen von der Lippe.
    Sympathisch, witzig, aber auch gerne mal deutlich: Jürgen von der Lippe. Foto: Andre Kowalski

    Herr von der Lippe, wenn Sie 2022 mit Ihrem neuen Buch auf Lesereise gehen, fragen Sie sich dann: Was darf man öffentlich noch sagen und was nicht?

    Jürgen von der Lippe: Das interessiert mich überhaupt nicht! Bei den Open-Air-Veranstaltungen habe ich etliche neue Texte ausprobiert, in denen ich über das Gendern und Political Correctness abgeledert habe, und die Leute fanden es toll! Man darf bei der ganzen Debatte nicht vergessen, dass das Gendern von einem zahlenmäßig verschwindend geringen Bevölkerungsanteil betrieben wird, der aber viel Alarm macht in den Medien. Die Epizentren sind Unis, Teile der Medien und Kommunalverwaltungen. Letztere hatten schon immer ein Faible für Gewalt an der Sprache, wenn ich an Beamtendeutsch denke: „Raufutter verzehrende Großvieheinheit“ für Kuh, „raumübergreifendes Großgrün“ für Baum oder „Personenvereinzelungsanlage“ für Drehkreuze in Autobahnklos.

    Wie erklären Sie sich das?

    Von der Lippe: Man will ja das Beste oder zumindest zu den Guten gehören. Es hat aber noch nie funktioniert, dass über die Sprache gesellschaftliche Veränderungen erreicht wurden. Auch totalitäre Staaten haben es vergeblich versucht.

    Denken Sie nicht, dass das Gendern zur Gleichberechtigung beiträgt?

    Von der Lippe: Nein. Ich bezeichne mich als Feminist. Meine Sozialisation ist immer unter der Knute von Frauen erfolgt. Ich finde das großartig! Ich bin ein Mamakind, weil mein Vater als Barkeeper im Grunde nicht vorhanden war. Meine erste Produzentin, Marlis Robels, war meine Fernsehmutter. Mit ihr habe ich drei Jahre begeistert zusammengearbeitet, und ich hatte 42 Jahre lang dieselbe Managerin. Mir muss man nicht erzählen, dass Frauen ein gutes Arbeitsklima schaffen. Ich bin aber nicht der Ansicht, dass eine Quotenregelung etwas bringt, weil es Unterschiede zwischen Männern und Frauen gibt. Ich glaube, dass mehr Männer diese Ellenbogenmentalität haben, die man braucht, um beruflich voranzukommen. Das heißt aber nicht, dass Frauen das nicht auch können. Frauen haben doch ganz viel erreicht in den letzten Jahren, ohne dass sie die Sprache verhunzt haben: Strafbarkeit der Vergewaltigung in der Ehe oder Gleichbezahlung für gleiche Jobs, von #MeToo ganz zu schweigen.

    „Alter weißer Mann“ sei Dreifach-Diskriminierung wegen Alter, Hautfarbe, Geschlecht, haben Sie in einer Talkshow gesagt. Fühlen Sie sich bedroht?

    Von der Lippe: Nein. Von Fairness kann ja in dieser Debatte nicht mehr die Rede sein. Ich darf ja alle möglichen Wörter nicht benutzen, weil die angeblich kränkend sind. Was ja nur behauptet wird! Die wenigsten Einlassungen kommen von Betroffenen, sondern immer von Leuten, die sich ungefragt zum Anwalt machen. Bei „Hart aber fair“ habe ich den wunderbaren schwarzen Restaurantbesitzer Andrew Onuegbu aus Kiel kennengelernt, der seit 1992 in Deutschland lebt. Er hat sein Restaurant „Zum Mohrenkopf“ genannt und erzählte von den verschiedenen Anfechtungen, die er deswegen hatte. Er sagte: „Ich brauche keine Weißen, die mir erzählen, wann ich gekränkt zu sein habe.“ Und das ist der Punkt.

    Wie denken Sie über eine nachträgliche „Bereinigung“ von Sprache?

    Von der Lippe: Man möchte das Wort „Muttermilch“ in „Menschenmilch“ abändern, damit Transmenschen sich nicht gekränkt fühlen. Ich möchte einmal den Transmenschen sehen, der davon gekränkt ist! Jemand, der sich im falschen Körper gefangen fühlt, hat wahrscheinlich vollkommen andere Probleme, als ob es Muttermilch oder Menschenmilch heißt. Was sprachlich völliger Unsinn ist, weil das ja bedeuten würde, dass ich auch Milch geben kann.

    Die Bestsellerautorin Jeanine Cummins wurde von einer breiten Front von Künstlern und Intellektuellen mit lateinamerikanischem Hintergrund vorgeworfen, sie eigne sich in ihrem künstlerischen das Leid von Menschen an, mit denen er selbst als weiße Amerikanerin nichts zu tun habe. Und ihr Verlag gab nach. Warum?

    Von der Lippe: Das begreife ich nicht, aber es verlieren ja auch andere Leute ihre Stellung. An der Uni geht das ganz schnell. Viel empörender finde ich, dass viele Unis verlangen, dass nicht gegenderte Arbeiten entweder schlechtere Noten bekommen oder nicht zugelassen werden. Womöglich ein germanistischer Lehrstuhl, der sich der Sprache verpflichtet fühlen sollte, lehnt Arbeiten ab, nur weil sie nicht im falschen Deutsch geschrieben sind, „Köch:innen“ z.B. ist falsches Deutsch! Denn Köch ist kein Wort, es heißt Köche. Also bleibt nur die movierte, die weibliche Form. Das Gendern funktioniert nur bei den 10.000 Wörtern, die auf R enden und keine Pluralendung haben und da auch nur im Nominativ Plural. Alles andere ist laut Duden amtlich nicht abgedeckt, wie auch der Asterisk, der Genderstern. Aber der Duden knickt langsam ein. Eigentlich soll er das wiedergeben, was mehrheitlich gesprochen wird, es lehnen aber je nach Umfrage bis zu 91 Prozent das Gendern ab.

    Es gibt viele Arten zu „gendern“.
    Es gibt viele Arten zu „gendern“. Foto: Uli Deck, dpa

    Und das alles bereiten Sie in Ihrem aktuellen Bühnenprogramm auf?

    Von der Lippe: Ja, aber immer unterhaltsam. Prof. Dr. Lann Hornscheidt, vormals Berliner Humboldt-Universität zum Beispiel forderte in den Tagesthemen, den Artikel wegzulassen: „Ens Kind geht in ens Geschäft und kauft ens Brot“. Ein früherer Vorschlag lautete, alles auf x enden zu lassen, im Plural auf zwei x. Professor = Profix/Profixx. Einige Kommunalverwaltungen schlagen vor, die Geschlechter ganz zu vermeiden, zumindest im Plural, da sind wir dann bei den unsäglichen Partizipien Präsens. Studierende, zu Fuß gehende. Nur ist das nicht dasselbe. Der Bäcker ist nur dann ein Backender, wenn er in der Backstube steht. Wenn er auf dem Klo sitzt, ist hingegen … Das ist schon lustig, weil auch öfters was schiefgeht beim Gendern. So sagte Olaf Scholz bei „Ein Herz für Kinder“: Sie haben einen schweren Beruf als Krankenschwester:in.

    Vielleicht ist Gendern ja auch nur eine Modeerscheinung …

    Von der Lippe: Es geht dabei natürlich um Macht und Einfluss. Ich habe mit meinen 73 Jahren einiges erlebt, zum Beispiel eine Zeit, in der die Kirche gewaltig Einfluss auf die Politik nahm. Als Kind in Aachen habe ich den Pfarrer in Wahlzeiten von der Kanzel predigen hören: Der gute Katholik kann ja wohl nicht SPD wählen! Und als ich studierte, brach die 68er-Zeit an. Ich trat aus der Kirche aus und wurde strammer Sozialist, weil ich ein ideologisches Bett haben wollte. Und da wurde derselbe Schwachsinn erzählt, nur von links. Da fielen Sätze wie: „Der Kapitalismus ist so fallreif, dass es nur noch eine Frage von Monaten ist.“ In der Mensa musste man Tonnen von Aufrufen zur Rettung irgendwelcher bedrohter Völker erst mal wegräumen, damit man seinen Eintopf auf den Tisch stellen konnte. Es wurden Vorlesungen gesprengt von Aktivisten, die lieber politische Inhalte diskutieren wollten.

    Zur Person: Hans-Jürgen Hubert Dohrenkamp wurde am 8. Juni 1948 in Bad Salzuflen (an der Lippe) geboren, war 1976 Mitbegründer der Blödelband Gebrüder Blattschuss, kam 1980 zum WDR – und wurde zum TV-Show-Phänomen: etwa mit „Geld oder Liebe“. Zudem schreibt er Bücher, das aktuelle heißt „Sex ist wie Mehl“ (Penguin, 256 S., 18 Euro). Der Wahlberliner ist zweifach geschieden, lebt aber wieder mit seiner ersten Frau.

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