Zeig mir dein Innenohr und ich sag dir, was du kannst: Aus der Analyse kleiner Knochenstrukturen haben Forscher Rückschlüsse auf die Fähigkeiten von Sauriern und frühen Vögeln gezogen. Erkennen lasse sich etwa, ob die Art flog, ob sie eher am Tag oder nachts unterwegs war und ob sie wahrscheinlich auf die hohen Töne ihres Nachwuchses reagierte, berichten zwei Teams im Fachmagazin Science. Die Forschergruppen hatten unabhängig voneinander Strukturen etwa des Innenohrs bei 124 ausgestorbenen und 91 lebenden Arten untersucht.
Shuvuuia hat entscheidende Ähnlichkeiten mit der Schleiereule
Von den rund 10.000 heute lebenden Vogelarten können den Forschern um Jonah Choiniere von der Witwatersrand-Universität in Johannesburg zufolge lediglich eine Handvoll bewegliche Beute in der Dunkelheit jagen. Ob es schon unter den Theropoden, den Vorfahren der Vögel unter den Dinosauriern, nachtaktive Jäger gab, war bisher unklar. Die Forscher um Choiniere nutzten CT-Scans und andere Verfahren, um aus den Messdaten zu Innenohr und Auge auf die sensorischen Fähigkeiten der jeweiligen Art zu schließen.
Die sogenannte Lagena im Ohr zum Beispiel weist auf die Verarbeitung des Schalls hin: Die in Dunkelheit allein mit dem Gehör jagende Schleiereule etwa habe die proportional längste Lagena aller Vögel. Beim Sehvermögen begutachteten die Wissenschaftler unter anderem den Skleralring, eine Verstärkung um die Pupille bei Vögeln und Dinos. Sein Durchmesser lasse Rückschlüsse darauf zu, wie viel Licht das Auge sammeln kann – je mehr, desto besser das Sehvermögen bei Nacht.
Bis vor kurzem noch undenkbare Fortschritte der Forschung
Den Ergebnissen nach hatten viele fleischfressende Theropoden wie der Tyrannosaurus ein gutes Gehör und ein für den Tag optimiertes Sehvermögen. Ein kleiner, Shuvuuia genannter Theropode aber habe sowohl ein außergewöhnliches Gehör als auch Nachtsicht gehabt. Die Lagena der Art sei von der relativen Größe her fast mit der heutiger Schleiereulen vergleichbar. Das deute darauf hin, dass Shuvuuia in völliger Dunkelheit jagen konnte.
Forscher von der Yale University analysierten auf ähnliche Weise die Innenohrstruktur für 128 Arten. Darunter waren heute lebende Vögel und Krokodile, frühe Vögel wie der 85 Millionen Jahre alte Hesperornis sowie Dino- und Flugsaurier. Bhart-Anjan Bhullar und Michael Hanson erläutern in Science, dass die Form des Innenohrs verlässliche Hinweise darauf gebe, ob und wie gut ein Tier flog, ob es auf dem Boden lief – und sogar, ob es manchmal schwamm. „Von allen Strukturen, die man aus Fossilien rekonstruieren kann, ist das Innenohr vielleicht diejenige, die einem mechanischen Gerät am ähnlichsten ist“, so Bhullar. Die beiden Studien seien typisch für eine neue Gruppe von Paläontologen, die nicht mit Hacke und Schaufel, sondern mit Geräten wie dem CT-Scanner und statistischen Verfahren arbeiteten, schreibt Lawrence Witmer von der Ohio University. Bis vor kurzem seien die präsentierten Fortschritte noch undenkbar gewesen.
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