Dua, deine Haare sind neuerdings blond. Ein Modestatement?
Dua Lipa: Nö, einfach eine andere Farbe. Meine neue Frisur repräsentiert mein neues Album.
Das heißt „Future Nostalgia“ und klingt von vorne bis hinten nach Disco.
Lipa: Oh ja, das tut es. Dieser neue Sound war voll und ganz mein Wunsch und auch mein Ziel. Ich wollte ein Album aufnehmen, das fröhlich klingt, Spaß macht, dich zum Tanzen gerade zwingt. Jetzt stehe ich da mit einer Platte, die vor Freude so richtig strahlt, die bewusst zum Glücklichsein animiert, und zu der man so richtig abgehen kann. Ich fühle mich jedenfalls äußerst gut mit den neuen Songs.
Was hat dich denn konkret dazu bewogen, so ein fröhliches Dance-Pop-Album zu machen?
Lipa: Ich wollte mir selbst beweisen, dass ich auch Songs schreiben kann, bei denen meine eigene Laune steil nach oben geht. Bisher war ich gut darin, mich kreativ eher von schwierigen oder gar negativen Erfahrungen zu ernähren. Ich nenne meinen Stil selbst gern „Dance Crying“, also Musik, zu der du tanzt und weinst zur gleichen Zeit. Auf „Future Nostalgia“ wollte ich mich eben ganz aufs Tanzen konzentrieren und das Weinen hintenanstellen.
„Dance Crying“, interessantes Konzept. Funktioniert das bei dir selbst?
Lipa: Wenn ich traurig bin, gehe ich am liebsten mit ein paar Freunden raus zum Feiern. Nicht mehr über irgendwelchen Mist nachzudenken, der mich runterzieht, ist oft das beste Rezept. Oft passiert es dann, dass ich am Tanzen bin, und plötzlich kommt ein Song, der mich erinnert und der so ein süßes, irgendwie wohltuendes, trauriges Gefühl in mir auslöst. Verheult zu tanzen und dabei euphorische Emotionen zu spüren, das ist genau mein Ding.
Welche Songs lösen dieses Gefühl in dir aus?
Lipa: Zum Beispiel „Sweet Nothing“ von Florence and The Machine und Calvin Harris. Oder „All Good Things Come To An End“ von Nelly Furtado.
Ist dein neues Lied „Love Again“ so eine Art Weiterführung von Furtados Song? Im Text geht’s ums Nach-vorne-Schauen und Weitermachen.
Lipa: „Love Again“ ist fast schon ein Manifest. Manchmal, wenn ich schreibe, bringe ich meine Gefühle dabei erst so richtig zum Existieren. Als ich „Love Again“ schrieb, war ich sehr guter Dinge, schon bald jemanden zu finden, der mich dazu bringt, wieder zu lieben. Ich wollte dringend einen Mann kennenlernen, der mir wirklich etwas bedeutet.
Und?
Lipa (lacht): Es hat geholfen! Im Nachhinein hört sich das so einfach an, aber es ist wirklich so passiert.
Wer hat dich eigentlich zum, ziemlich derb-frivolen, Stück „Good In Bed“ inspiriert? Etwa jener Junge, von dem du gerade erzählt hast?
Lipa (lacht): Das kann ich doch nicht verraten! Die Worte dieses Songs stehen für sich selbst, und sie sind sehr, sehr augenzwinkernd, sehr frech, aber auch direkt. Manchmal sind die Dinge halt ganz einfach.
Dua Lipas Werdegang
Geboren am 22. August 1995 in London: ihre Eltern waren vor dem Bürgerkrieg aus dem Kosovo geflohen und kehrten dorthin zurück, als Dua Lipa elf Jahre alt war.
Mit 15 Jahren zog sie allein nach London zurück, um an ihrer Musikkarriere zu arbeiten. Sie arbeitete zunächst als Kellnerin und als Model.
Über Youtube wurde sie bekannt. 2015 stürmte sie zum ersten mal die Top 10-Charts. Am 27. März erscheint ihr zweites Album „Future Nostalgia“.
Der Albumtitel „Future Nostalgia“ als solcher ist ja auch ein scheinbarer Gegensatz. Du bist 24. Wie nostalgisch bist du?
Lipa: Ich glaube, ich bin ein gutes Stück nostalgischer als die meisten in meinem Alter. Ich habe schon so viel Leben hinter mir. Habe in London gelebt, dann im Kosovo, jetzt wieder in London. Für mein Alter habe ich sehr viele Erfahrungen gemacht. Überhaupt empfinde ich mich selbst so ein bisschen als alte Seele. Ich versuche, an Orten, Erinnerungen und Gefühlen, die ich aufgesammelt habe, festzuhalten. Alle meine Songs sind auch Versuche, in meiner Vergangenheit zu graben und sie ein Stück weit zu verarbeiten.
Du bist mit 11 von London nach Pristina in Kosovo-Albanien, dem Heimatland deiner Eltern, gezogen. Vier Jahre später bist du allein nach London zurückgekehrt.
Lipa: Ich fühle mich gesegnet, beide Kulturen zu kennen. Ich finde es cool, in zwei ziemlich unterschiedlichen Welten aufgewachsen zu sein. Meine Wurzeln und meine Lebenserfahrung haben mich zu dem Menschen gemacht, der ich bin. Ich würde mein Leben für nichts in der Welt eintauschen wollen. Ich habe früh gelernt, das Beste aus jeder Situation zu machen, unabhängig zu sein und Selbstvertrauen zu entwickeln. Ich hatte schon immer eine konkrete Vorstellung davon, wer ich sein will.
Die Musikindustrie kann für junge Frauen sehr einschüchternd sein.
Lipa: Absolut. Mir hat meine Lebenserfahrung in vielen Situation sehr geholfen, aber natürlich musste ich auch in kurzer Zeit immens viel lernen. Wenn du in einen Raum kommst mit lauter Fremden, die noch dazu alle viel älter und zum Großteil männlich sind, brauchst du schon den Mut, standhaft zu sein und dich nicht verbiegen zu lassen. Am Anfang habe ich eher zugehört und mir auch Dinge sagen lassen. Bis ich merkte, dass ich mich nicht verstecken muss. Ich fing an, den Mund aufzumachen. Schließlich sind es meine Songs.
Ist es für Mädchen in der Musikbranche schwieriger als für Jungs?
Lipa: Ja, mit Sicherheit. Ich wünsche mir, dass so viele Mädchen und Frauen wie möglich vorpreschen, mutig und unbekümmert sind und die Plätze einnehmen, die ihnen zustehen. Je mehr Künstlerinnen sich Gehör verschaffen, desto einfacher wird es für andere Mädchen, ihnen nachzufolgen.
Haben dir deine Eltern vertraut, als du mit 15 zurückgegangen bist von Pristina nach London?
Lipa: Ja, das haben sie. Ich hatte allerdings auch noch eine Mitbewohnerin, die ein bisschen älter war und die meine Eltern auch kannten. Meine Eltern haben mir sowieso immer vertraut. Wir gehen sehr offen miteinander um. Meine Eltern sind meine besten Freunde.
Du hast unter anderem als Kellnerin in einer Cocktailbar gejobbt. Was hast du dort über das Leben gelernt?
Lipa: Menschenkenntnis. Weniger schüchtern zu sein. Das war eine heftige Zeit. Ich habe abends gearbeitet, bin danach oft noch mit Kollegen durch die Klubs gezogen, und am nächsten Morgen stand ich wieder im Studio. Zum Schlafen hatte ich oft kaum Zeit, aber ich habe so gut wie nie verpennt. Ich habe eigentlich nur schöne Erinnerungen an diese Phase.
Fühlst du dich angesichts deines Hintergrunds von den Menschen, die für den Brexit stimmten, betrogen?
Lipa: Mir fällt es sehr schwer, die Überlegungen der Pro-Brexit-Wähler nachzuvollziehen. Meine Eltern kamen aus dem Bürgerkrieg nach London, bauten sich dort etwas auf. Wir wurden in dieser wunderbar diversen Stadt aufgenommen. Das soll künftig so nicht mehr möglich sein, weil Großbritannien sich vor den Fremden abschottet? Mich wühlt das auf.
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