Seit Ende Dezember ist nun also das Geschäft von Eric Meletta Geschichte. Nach fast vierzig Jahren. Angefangen hatte Meletta mit einem kleinen Laden in der Amalienstraße in München, dann zog er in die Brienner Straße. Zwei Stockwerke, beste Adresse, ein Prachtgeschäft. Nun gibt es nur noch das Lager. Eric Meletta sagt, es sei mit knapp 78 Jahren Zeit für ein etwas ruhigeres Leben gewesen. „Als ich angefangen habe, war ich um die 40. Ich habe quasi meine Generation eingerichtet“, sagt Meletta. Um die heutige dürften sich jetzt die Jüngeren kümmern.
Die Sache ist nur die: Die heutige Käufergeneration zieht da leider nicht so richtig mit! Sie verschmäht schnöde, was noch vor 30 Jahren Spitzenpreise erzielte, sprich die bauchige Barockkommode ebenso wie den Biedermeiersekretär. Seit Jahren sind die Preise für Antiquitäten daher im Sinkflug. Auch im Geschäft von Meletta prangten in den letzten Monaten große Plakate: Räumungsverkauf, bis zu 50 Prozent. „Ich habe gut verkauft“, sagt Meletta, „aber manche Stücke auch unter meinem Einkaufspreis.“
Faustformel des Grauens bei deutschen Antiquitätenhändlern
Der Wurm ist drin im Geschäft mit den alten Möbeln und längst gilt nicht mehr, was die Schauspielerin Liselotte Pulver einst flott formulierte: „Antiquitäten sind Sachen von gestern nach dem Geschmack von heute zu den Preisen von morgen.“ Nicht nur, dass Antiquitäten nicht mehr dem Geschmack von heute entsprechen, auch die Preise sind eher so, dass man sagen muss: Noch niedriger können sie jedenfalls morgen nicht mehr sein. Zumindest die für Möbel aus dem Biedermeier, Rokoko oder Barock.
Unter deutschen Antiquitätenhändlern kursiere eine Faustformel des Grauens, schrieb die FAZ: „Man nehme den einstigen Preis eines Stückes, teile ihn durch zwei und streiche dann die letzte Null weg – schon hat man eine grobe Richtgröße dafür, was in etwa man heute noch für eine Antiquität erwarten kann.“ Was einst für beispielsweise 8000 D-Mark gekauft wurde, ist demnach jetzt vielleicht noch 400 Euro wert. Flohmarktniveau also in den drastischen Fällen.
Alles also eine Geschmackssache? „Nicht nur“, sagt Meletta. Dass die heutige Erbengeneration nicht mehr viel mit den über Jahre schön polierten Schätzen der Eltern anfangen kann und sich statt des Biedermeier-Sekretärs lieber einen Bauhaus-Klassiker von Marcel Breuer leistet, ist die eine Sache. Out ist out. Das gilt für den Vitrinenschrank, das Meissner Porzellan mit Blümchendekor wie auch für feingeknüpfte Teppiche, einst Schmuckstücke jeder bürgerlichen Wohnung.
Kommt hinzu, dass das Meissner-Porzellan nicht in die Spülmaschine darf ebenso wie das Familiensilber. Und das muss ja auch noch poliert werden. „Der Bequemlichkeitsfaktor“, wie es Meletta nennt. Dass der alte Frankfurter Wellenschrank aber auch einfach nicht mehr zu einem sogenannten flexiblen Leben mit Umzügen alle paar Jahre passt, die andere. Sagt so Meletta, sagt so auch Georg Rehm, Auktionator in Augsburg seit 35 Jahren. „Wer hat denn heute noch die Platzverhältnisse, um sich einen Barockschrank in die Wohnung zu stellen. Da brauchen sie ja eigentlich schon einmal 3,5 Meter Raumhöhe, damit der Schrank wirken kann.“
Antiquitäten reizen viele junge Menschen nicht
Die Jungen, sie wollen also nicht, sie können nicht, sie mögen’s schlicht und modern, bestenfalls geht noch ein Crossover, also die Kombination von Alt und Neu. Aber nun stehen sie da mit all den Erbstücken, schleppen zum Beispiel den Koffer mit dem alten Silber an und Rehm muss dann erklären: Vielleicht am besten doch einschmelzen, dann gibt es immerhin noch den Materialwert fürs Edelmetall. Sagt er aber natürlich nicht gerne. In seinem Büro steht so eine Kiste, bis zur Hälfte derzeit gefüllt, ein glitzernder Besteckhaufen aus dem hier und da ein Stück Vorlegebesteck ragt, früher ein Schatz.
Und der Frankfurter Wellenschrank, der einst nicht nur den Raum schmückte, sondern auch den Besitzer, weil er auf Stil, Kennerschaft und ein doch erheblich gefülltes Bankkonto hindeutete? „Wenn früher so ein Schrank zum Beispiel für 20.000 bis 30.000 D-Mark oder mehr gehandelt wurde, reden wir auch schon mal über 1500 oder 2000 Euro.“ Rehm sagt, seit Jahren müsse er die Preise ständig nach unten korrigieren.
Für ihn als Auktionator bedeutet das, den Umsatz, den er vor zwanzig Jahren noch mit wenigen Stücken machte, muss er heute über die Masse schaffen. Genug Angebot gibt es ja! Wobei weiterhin gilt: „Für Topware gibt es noch immer Toppreise.“ Glücklich darf sein, wenn die Großeltern oder Eltern sich beispielsweise ein Stück des Kunsttischlers David Roentgen geleistet haben. Auf dem internationalen Markt werden da sechsstellige Summen oder mehr gezahlt.
Der Preisverfall betrifft vor allem die „Durchschnittsware“, sagt Eric Meletta. Von der gebe es derzeit ein Überangebot. Und da finde sich auch manches Stück darunter, für das die Eltern oder Großeltern zur Zeit des Booms schlichtweg einfach zu viel gezahlt haben. Vielleicht gar eine Marriage, ein aus Teilen mehrerer Möbel neu zusammengezimmertes Stück. „Da galt ja plötzlich jedes Möbel, das älter als 100 Jahre war, schon als Antiquität.“
"Perfekter Zeitpunkt" zum Kaufen von Antiquitäten
Von einer generellen Krise im Antiquitätenhandel mag Meletta daher auch nicht sprechen. Zu undifferenziert. Weil ja die internationalen Sammler für besondere Stücke weiterhin Höchstpreise zahlen. Weil das auch für moderne Klassiker gilt: 173.000 Euro brachte vor einiger Zeit sogar ein Paar IKEA-Stühle, Modell Muslinge aus den 40er Jahren. „Es ist eben wie auf der Börse, ein ewiges Auf und Ab“, sagt Meletta.
Aber als Vorsitzender des Vereins der Kunsthändler höre er von den Kollegen viele traurige Geschichten. Sinkende Umsätze, keine neuen Kunden. Und die Klagen sind überall die gleichen. Auch in England, den Niederlanden oder Frankreich. Immer mehr renommierte Antiquitätenhändler oder Auktionshäuser geben ihr Geschäft auf. Im traditionsreichen Pariser Louvre des Antiquaires stehen die allermeisten der einst 250 Geschäfte mittlerweile leer. „Es sieht derzeit nicht rosig aus,“ sagt Meletta, „aber in zehn Jahren kann das auch wieder anders sein.“ Alles eben eine Frage von Angebot und Nachfrage.
Schlechte Zeiten also, um zu verkaufen, dafür die besten, um zu kaufen. „Perfekter Zeitpunkt“, sagt Eric Meletta. „Auf jeden Fall jetzt“, sagt Georg Rehm. Wobei sich Käufer nicht vom Preis leiten lassen sollten und der Hoffnung auf immense Wertsteigerungen. „Sicher werden die Preise auch wieder steigen, aber vielleicht nicht mehr auf ein so hohes Niveau wie früher.“ Weshalb Rehm dazu rät, vor allem auf die Qualität beim Kauf zu achten und sich gut zu informieren. „Bloß keinen billigen Ramsch. Im Zweifelsfall sollte man lieber 500 Euro mehr ausgeben.“ Am wichtigsten aber: Es muss gefallen! Dann sei nämlich die Frage, für wie viel sich das gute Stück wieder einmal verkaufen lässt, ohnehin zweitrangig. Wer sich im Möbelhaus mit Neuware eindecke, dem bleibe am Ende jedenfalls nur Sperrmüll. „Aber Antiquitäten verlieren nie ihren ganzen Wert, da bleibt immer noch etwas übrig.“