In kosmischen Ausmaßen ist er ein Winzling. Ceres, der kleinste Zwergplanet in unserem Sonnensystem, ist um ein Vielfaches kleiner als die Erde – das Land Argentinien würde ganz knapp auf die Oberfläche passen. Seine Größe allein macht den Himmelskörper nicht interessant. Ceres hat seit drei Jahren einen neugierigen Begleiter, der von der Erde kommt: Die Raumsonde Dawn (englisch für Sonnenaufgang) umkreist den kleinen Planeten, fotografiert ihn und misst Strahlungen. Nun hat sie Wissenschaftlern neue Erkenntnisse geliefert. Auf Ceres wechseln sich allem Anschein nach die Jahreszeiten ab.
Schon vor gut zwei Jahren hat die Dawn gefrorenes Wasser auf dem Zwergplaneten, benannt nach der römischen Göttin des Ackerbaus, gefunden. Doch eine weitere Entdeckung machte Wissenschaftler stutzig – das Wasser scheint in Bewegung zu sein. Forscher des italienischen Instituts „National Institute of Astrophysics“ (Niaf) beobachteten, dass sich die Menge an Eis an bestimmten Punkten verändert. Im Einschlagkrater Juling, einem großen Loch in der Oberfläche, vergrößerte sich die eishaltige Fläche innerhalb von sechs Monaten von 3,6 auf 5,5 Quadratkilometer – ein Zuwachs von rund zwei Dritteln. Für die Forscher ist nun klar: Auf Ceres bringt die Sonneneinstrahlung das Wasser in Bewegung. Es gibt Jahreszeiten.
Ein Umlauf um die Sonne dauert auf dem Zwergplaneten im Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter annähernd fünf Erdenjahre. In dieser Zeit strahlt die Sonne unterschiedlich stark auf verschiedene Teile des Himmelskörpers. Denn wie auf der Erde, ist auch die Achse von Ceres gekippt – wenn mit einem Neigungswinkel von vier Grad weniger stark als die Erde mit ihren 23,5 Grad. Doch diese Abweichung genügt, um Eis schmelzen und wieder gefrieren zu lassen. Die Kameras der Dawn haben auch andere Phänomene entdeckt: Erdrutsche auf der Oberfläche, wahrscheinlich ausgelöst durch schmelzende Eisschichten.
Allerdings ist nicht nur die Oberfläche von Ceres in Bewegung. Darunter vermuten die Niaf-Wissenschaftler vulkanische Aktivität. Denn auf dem Zwergplaneten fand die Dawn Spuren von Stoffen, die eigentlich innerhalb kurzer Zeit in den Weltraum entweichen müssten. Die Schlussfolgerung der italienischen Forscher lautet daher: Aus dem Inneren des Zwergplaneten muss Nachschub kommen – und das kann nur über vulkanische Aktivität geschehen.
Auf Ceres gibt es Bausteine für Leben
Die interessanten Abläufe auf Ceres haben Wissenschaftler in der Vergangenheit bereits spekulieren lassen, ob dort Leben existieren könnte. In der Wissenschaftszeitschrift Science vertrat eine Forschergruppe die Ansicht, dass sich auf dem Zwergplaneten durchaus einfaches Leben tummeln könnte. Denn unter der eisigen Oberfläche könnte ein Ozean aus flüssigem Wasser liegen, aufgeheizt durch vulkanische Aktivitäten im Inneren. Außerdem existieren auf Ceres interessante chemische Verbindungen, etwa Kohlenstoffverbindungen, Ammoniak und Salze – Bausteine für mögliches Leben also. Erst Mitte März hat eine Gruppe von italienischen und US-amerikanischen Wissenschaftlern diese Funde mit ihren eigenen Forschungsergebnissen untermauert. Von einem „Überfluss an Kohlenstoffverbindungen“ schreiben sie in ihrem neuesten veröffentlichen Aufsatz.
All diese Erkenntnisse wären ohne die Raumsonde Dawn nicht möglich gewesen. Doch die Wissenschaft kann nicht mehr lange auf ihre Daten zurückgreifen, denn der Sonde geht der Treibstoff aus. Die US-Raumfahrtbehörde Nasa rechnet damit, dass die Dawn nur noch bis zur zweiten Hälfte des laufenden Jahres aktiv bleiben kann.
Die Raumsonde hat bereits einen langen Weg hinter sich. Von der Erde aus startete sie im September 2007 in Richtung Mars, um in dessen Umlaufbahn Geschwindigkeit zu gewinnen. Die nächste Station war dann der große Asteroidengürtel in unserem Sonnensystem. Dort lieferte sie Bilder vom Asteroiden Vesta und erreichte im Jahr 2015 den Zwergplaneten Ceres. Sobald der Dawn der Treibstoff ausgeht, kann sie ihre Sonnenkollektoren nicht mehr ausrichten. Dadurch geht ihr die Energie aus und sie sendet nicht mehr. In der Umlaufbahn von Ceres wird sie weiterhin schweben. Allerdings stumm wie der Weltraum um sie herum – das Fenster der Menschheit zu Ceres schließt sich.