Startseite
Icon Pfeil nach unten
Kultur
Icon Pfeil nach unten

James Bond - Keine Zeit zu sterben: Kritik - Lohnt sich James Bond 2021 im Kino?

James Bond

"Keine Zeit zu sterben" ist ein würdiges Ende der Ära Craig

    • |
    Daniel Craig als James Bond und Ana de Armas als Paloma in einer Szene des Films "James Bond 007 - Keine Zeit zu sterben".
    Daniel Craig als James Bond und Ana de Armas als Paloma in einer Szene des Films "James Bond 007 - Keine Zeit zu sterben". Foto: Nicola Dove, dpa/Universal Pictures

    Keine Zeit zu sterben – schon allein der Titel des neuen James Bond entwickelte als Durchhalteparole in pandemischen Zeiten nahezu prophetische Qualitäten. Der Film gehörte zu den ersten Blockbustern, die schon Anfang letzten Jahres, als das Corona-Virus noch vorwiegend in China wütete, ihren globalen Kinostart aussetzten. Viermal wurde der Termin seitdem immer weiter verschoben. Achtzehn Monate mussten die Fans auf das neue Abenteuer des bekanntesten Spions der Welt warten. Während andere Produktionen ihr Heil in den Streaming-Diensten suchten, hielten die Bond-Produzenten mit eiserner Geduld an einer weltweiten Präsentation auf der großen Leinwand fest, auch wenn es an verlockenden Angeboten von Netflix & Co sicherlich nicht gemangelt hat. So ist „Keine Zeit zu sterben“ auch ein Bekenntnis zum Kino, das als kollektiver Kulturerlebnisraum durch die Pandemie in seinen Grundfesten erschüttert wurde - und der wichtigste Hoffnungsträger einer stark gebeutelten Branche.

    Dieser Bond soll nicht nur wie jeder Bond die Welt retten, sondern auch die Lichtspielhäuser, die nach dem Lockdown keine wirklich großen Zuschauerströme verbuchen konnten. Aber sind die Schultern des Geheimagenten Ihrer Majestät wirklich breit genug, um diese Erwartungslast zu tragen? Darüber wird letztlich an der Kinokasse entschieden. Aber die Chancen stehen gut.

    Kritik: "Keine Zeit zu sterben" gibt dem Kino seinen Ereignis-Charakter zurück

    Denn das, was in „Keine Zeit zu sterben“ auf der Leinwand zu sehen ist, gibt dem Kino jenen Ereignis-Charakter zurück, nach dem wir uns im monatelangen Home-Entertainment-Modus gesehnt haben: Spektakuläre Locations, atemberaubende Actionszenen, visueller Stilwillen und ein sorgfältig gedrechselter Plot, in dem der Held gegen schaurige Schurken und eigene Dämonen ins Feld zieht - und dabei um eine große Liebe kämpft.

    So fängt dieser Bond auch nicht mit einem wahllosen Einsatz des Geheimagenten an, sondern mit einer Kindheitserinnerung seiner Geliebten Madeleine Swann (Léa Seydoux), die in jungen Jahren mit ansehen muss, wie ihre Mutter von einem maskierten Eindringling ermordet wird. Mit Madeleine genießt James den geheimdienstlichen Vorruhestand, in den er sich am Ende von „Spectre“ begeben hat.

    James Bond lebt allein und zurückgezogen auf Jamaika

    Aber nicht nur von der beruflichen Vergangenheit will sich der Spion, der immer noch über die Schulter schaut, lösen. Auch die traumatische Erfahrung von Liebe und Verrat mit Vesper Lynd aus „Casino Royale“ (2006) will er hinter sich lassen. „Vergib mir“ schreibt er auf einen Zettel an ihrem Grab, als eine massive Explosion ihn zu Boden wirft.

    Der Chef der Terrororganisation „Spectre“ Blofeld (Christoph Waltz), den Bond im letzten Film hinter Gitter gebracht hat, scheint dem Berufsaussteiger nicht verziehen zu haben. Es folgt eine kraftvoll choreografierte Verfolgungsjagd durch die engen Gassen des italienischen Bergstädtchens Matera, in der Bond nicht nur vor den zahlreichen Finsterlingen flüchten muss, sondern auch die Liebe zu Madeleine aufkündigt, die ihn an Spectre verraten haben soll.

    Fünf Jahre später lebt er allein und zurückgezogen auf Jamaika, wo ihn sein früherer CIA-Kollege Felix Leiter (Jeffrey Wright) für einen letzten Job anwirbt. Ein Wissenschaftler hat die Daten eines geheimen MI6-Projektes gestohlen und an Spectre verkauft. Die tödlichen Nanorobots, die auf eine spezifische DNA codiert werden, ermöglichen gezielte Attentate genauso wie groß angelegte Völkermorde.

    Als freier Mitarbeiter kehrt Bond zurück nach London, auch wenn man seine Dienstnummer 007 schon längst eine die ambitionierte Kollegin Nomi (Lashana Lynch) vergeben hat. „Ist nur eine Nummer“ sagt James achselzuckend und fängt an die Welt zu retten.

    Mit der Amtsübernahme Daniel Craigs in „Casino Royale“ wurden vor fünfzehn Jahren nicht nur veraltete Männer- und Frauenstereotypen überarbeitet, sondern auch über mehrere Folgen hinweg das Seelenleben des Meisterspions weiterentwickelt. Craigs Bond war nun mehr als ein harter Kerl mit verdammt coolen Sprüchen und durfte als melancholischste unter den Bond-Inkarnationen auch echte Gefühle zeigen. Gerade auf dieser Ebene hält „Keine Zeit zu sterben“ noch einige überraschende Wendungen bereit, die durchaus kunstvoll in den klassischen Weltretter-Plot hinein geflochten werden, aber an dieser Stelle keinesfalls gespoilert werden sollen.

    Craig meistert es hier besser denn je, die Risse in der harten Schale und das pochende Herz, das sich dahinter verbirgt, sichtbar zu machen. Dieser 25. Bond-Film ist der letzte mit Daniel Craig und auf verschiedenen Ebenen ist „Keine Zeit zu sterben“ auch ein riesengroßes Abschiedsgeschenk an seine Figur, mit der sich das Franchise seit „Casino Royale“ nicht neu erfunden, aber grundlegend und selbstbewusst modernisiert hat. Sogar waschechtes Pathos wird in der Schlusssequenz für den scheidenden Spion frei gesetzt.

    Kritik zu "James Bond: Keine Zeit zu sterben": Der Regisseur lässt sich für die Stunt-Sequenzen viel Zeit

    Mit 163 Minuten ist dies auch der längste Bond-Film, in dem US-Regisseur Cary Joji Fukunaga sich für die elegant orchestrierten Stunt-Sequenzen genauso viel Zeit lässt wie für die emotionalen Ver- und Entwicklungen. Fukunaga, der nach künstlerischen Differenzen das Regiezepter von Danny Boyle übernommen hat, gelingt es, Neues in Vertrautes nahtlos einzubinden.

    Eingefleischte Bond-Fans werden in diesem Film erneut ihren Spaß an dem breiten Geflecht aus Insider-Witzen und Querverweisen haben. Freude bereiten hier auch wieder die punktgenau besetzten Neuzugänge: Rami Malek („Bohemian Rhapsody“) verbreitet als Überbösewicht Lyutsifer Safin eine überzeugend ungemütliche Aura. Lashana Lynch erstrahlt als 007-Nachfolgerin in stilsicherer Coolness und Ana de Armas („Knifes Out“) stiehlt in einem effizienten Kurzauftritt während eines gemeinsamen Einsatzes dem Titelhelden die Show.

    Sicherlich ist auch dieser Bond kein feministisches Manifest, aber alle Frauenfiguren verfügen über Tiefe und Durchsetzungsvermögen. Als kraftvoller Schlussakkord bereitet „Keine Zeit zu sterben“ der Ära Craig einen durch und durch würdigen Abschied – und den Kinos hoffentlich einen ökonomischen Neuanfang.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden