Erstaunlich schnell geht der Kölner Strafrechtsprozess um den bislang wohl größten Kunstfälscherskandal der Nachkriegsgeschichte seinem Ende entgegen (siehe auch nebenstehende Meldung). Aber selbst wenn schon in der kommenden Woche die Urteile über die Fälscher-Gruppe gesprochen werden sollten, so bleiben doch die Fragen bestehen, welche Konsequenzen aus dem Fall für die Zukunft zu ziehen sind. Was kann getan werden, damit sich Ähnliches nicht wiederholt? Auch darüber sprachen Markus Günther und Rüdiger Heinze mit Robert Ketterer, dem Inhaber des renommierten Münchner Auktionshauses „Ketterer Kunst“.
Wie oft kommen Ihnen denn Fälschungen unter?
Ketterer: Wir müssen hier deutlich unterscheiden zwischen dem Zeitraum, bevor der Auktionskatalog erstellt wird, und dem Zeitraum, nachdem der Katalog gedruckt worden ist und die Auktion unmittelbar bevorsteht. Wir bekommen ja wahnsinnig viel angeboten über das ganze Jahr hinweg, auch viel Uninteressantes, auch viele – nicht arglistige, nicht böswillige – Fälschungen. Und selbst bei den interessanten Objekten und Künstlern gibt es im Vorfeld immer wieder Kunstwerke, die ich aufgrund einer optischen Schnellprüfung nicht als authentisch ansehen würde, wo wir also zweifeln – ohne eine tatsächliche Fälschung identifizieren zu können. Diese Objekte nehmen wir zunächst an, um sie im Hause eingehend durch vom Kunstmarkt akzeptierte Experten prüfen zu lassen.
Aber sind nicht gerade die Experten durch den Kölner Fälschungsskandal diskreditiert?
Ketterer: Da gebe ich Ihnen vollkommen recht. Der Ruf des Experten ist definitiv angekratzt – was zum Teil unfair ist, wozu ich aber auch meine: Ja, warum denn nicht, warum nicht einmal alles von Zeit zu Zeit auf den Prüfstand stellen? Im Kölner Fälschungsfall allerdings sind Experten betroffen, über die ich sagen würde, ihnen wurden Dinge zu Unrecht in die Schuhe geschoben. Da herrschte kein Experten-Kalkül. Da wurden wirklich alle Experten auf breiter Flur getäuscht.
Ist nicht ein Problem des Marktes, dass es für viele Künstler gerade der klassischen Moderne nur einen Experten mit Monopol gibt? Oft ist es der Herausgeber des Werkverzeichnisses.
Ketterer: Richtig. Auch wir, die Händler, müssen jetzt neu nachdenken. Bis zum Fälschungsskandal habe auch ich gesagt, Mensch, es ist doch gut, dass es eine Person zur Prüfung gibt. Nach dem Skandal sage ich, es muss zwar nach wie vor alles an einer Stelle zusammenlaufen, aber an dieser Stelle sollte es ein Vier-, Sechs-, Acht-Augen-Prinzip geben, eine Zusammenarbeit kenntnisreicher Personen. Das wurde ja auch schon gemacht, und das ist sicherlich der richtige Weg.
Erhärtet sich nicht in Köln die Vermutung – und genau deswegen ermittelt die Staatsanwaltschaft ja auch weiter –, dass vielleicht doch nicht so genau vom Handel und vom Experten hingeschaut wurde? Um nämlich verdienen zu können?
Ketterer: Ich gebe Ihnen grundsätzlich recht, dass ein Interessenkonflikt immer ein Problem darstellt, wenn also etwa der Experte zugleich der Händler ist und zugleich daran verdient. Das ist eine sehr heikle Geschichte.
Aber das ist doch der Alltag! Dass sich Experten ihre Expertise teuer bezahlen lassen.
Ketterer: Nun ja, wenn die Expertise aufgrund intensiver Recherchen viel Geld kostet, ist das eines, wenn aber die Expertise wertabhängig ist und der Experte beim Weiterverkauf mitverdient, etwas ganz anderes. Ein wirkliches Problem ist es, wenn der Experte zugleich Händler ist. Das dürfte nicht sein.
Wie viel Prozent der Objekte, die Sie zur Prüfung annehmen, müssen Sie denn wieder aussortieren?
Ketterer: Ich denke, zwischen fünf und zehn Prozent der vorläufig angenommenen Objekte haben keinen Bestand. Wir prüfen extrem. Mein Vater hat mir schon vor 18 Jahren gesagt: Robert, im Zweifel nein, im Zweifel verzichten wir auf das Objekt. Bei uns läuft es so: Jedes Objekt, das wir erst einmal im Haus haben, betrachten wir als nicht authentisch, bis wir das Gegenteil beweisen können. Und selbst wenn wir uns sicher sind, schaut es sich der Experte noch einmal an, denn Kenntnisstände können sich ja auch verändern.
Ein Problem ist doch auch, dass Fälschungen nie aus dem Markt verschwinden.
Ketterer: Jedes Objekt, das wir als gefälscht ansehen, zeigen wir sofort bei der Polizei an. Aber wir überfordern damit letztlich die Polizei. Und selbst wenn ein Betrug nachgewiesen werden kann, geht das gefälschte Objekt wieder an den ehemaligen Besitzer zurück. Auch die Politik ist gefordert, was das legitime Zerstören von Fälschungen angeht. In den USA etwa ist das üblich.
Ist es denn schon vorgekommen, dass Sie etwas versteigert haben, das sich im Nachhinein als nicht authentisch erwiesen hat?
Ketterer: Unsere Problemquote ist fast nicht zu nennen, das tendiert gegen null. Die Gefahr ist extrem niedrig und nicht so, dass sich jemand irgendwelche Gedanken machen müsste. Da sind wir auch wirklich stolz darauf. Momentan wird doch alles unter Generalverdacht gestellt. Aber das ist falsch. Wenn unter 4000 Objekten im Jahr eines ist, was sich im Nachhinein als nicht authentisch herausstellt, dann ist es oftmals nicht einmal eine Frage von echt oder falsch, sondern etwa eine Frage der Datierung.
Glauben Sie, Sie wären nicht auf die fiktive Sammlung Jägers hereingefallen?
Ketterer: Sie werden von jedem meiner Kollegen hören: Ich wäre nicht darauf hineingefallen. Aber diese Antwort ist zu einfach. Ich meine, die Objekte waren extrem verlockend. Ich kann nicht sagen, welche Informationen ich von den Einlieferern gehabt hätte. Das spielt dabei eine ganz große Rolle. Wie stufe ich den Einlieferer selbst ein? Was bei uns aber auf jeden Fall passiert wäre, ist das Einholen von Expertisen. Das war wohl ein Problem beim Fall Jägers, dass die Experten zum Teil das Objekt nicht einmal im Original gesehen haben.
„Dieser Betrug war professionell gemacht“
Was hat Sie denn am meisten überrascht an diesem Fall?
Ketterer: Dass er immer weiter lief. Dass – nachdem es am Anfang Hinweise gegeben hatte, dass etwas nicht in Ordnung ist – nicht weiter geprüft wurde. Etwa in naturwissenschaftlicher Hinsicht, gerade bei den Spitzenobjekten.
Regiert nicht die Gier den Markt?
Ketterer: So handelt kein Unternehmer, kein ernsthafter. Wir müssen unterscheiden zwischen Managern, die kurzfristig ein Unternehmen managen und denen egal ist, auf welche Kosten der Gewinn nach oben gepusht wird, und den unternehmergeführten Häusern, wie wir eines sind. Ich bin 42, ich möchte nicht morgen in Rente gehen. Ich möchte das Unternehmen langfristig stabil halten. Ein hoher Zuschlag, der auf wackligen Beinen steht, ist einfach nicht tragbar. Die Konsequenzen unverantwortlichen Handelns bekommt man früher oder später immer zu spüren. Ich kann mir nicht vorstellen, dass im Kölner Fall auf Händlerseite die Gier das Motiv war. Dieser Betrug war schon professionell gemacht.
Spüren Sie denn geschäftliche Folgen des Kunstskandals?
Ketterer: Kurzfristig hat er dem Kunstmarkt alles andere als gutgetan. Die Schwachstellen liegen offen. Aber: Mittel- und langfristig hat der Fall auch Vorteile, weil jetzt alle, auch die, die bisher zu wenig getan haben, etwas mehr tun müssen. Denn sie stehen unter Beobachtung.
In welchem Preissegment findet denn das meiste Geschäft auf dem Kunstmarkt tatsächlich statt?
Ketterer: Da muss man unterscheiden zwischen den großen angelsächsischen Häusern und dem Rest der Welt. Die großen angelsächsischen Häuser fangen mehr oder weniger bei 10 000 bis 20 000 Euro an; beim Rest der Welt, und da gehören auch wir dazu, spielt sich die Masse zwischen 1000 und 50 000 Euro ab. Wir pflegen sogar einen Bereich der Kunst, zu dem es eigentlich keinen Auktionsmarkt mehr gibt, weil es sich aufgrund des Aufwands nicht mehr richtig lohnt: Objekte zwischen 200 und 2000 Euro, wo sich das Fälschen übrigens nicht rentiert. In diesem Segment wollen wir auch Einsteiger ansprechen.
Was raten Sie denn demjenigen, der Schwellenangst hat vor dem Kunstmarkt, also einem, der sich zwar interessiert, aber keine Erfahrung dazu hat, wie er sich verhalten soll?
Ketterer: Ich halte es immer für ratsam, sich verschiedene Meinungen einzuholen. Etwa darüber, wo man hingehen sollte, wenn man etwas kaufen will. Eine Anlaufstelle sind Museums-Fachleute. Interessiert man sich für ein bestimmtes Objekt, so können auch hier Zusatzinformationen eingeholt werden, etwa zur Geschichte der Arbeit. Mein Rat ist: schauen, anhören, informieren – und ganz wichtig: Das Werk muss gefallen.