Machen Sie Dokumentar-Theater?
Fuhrmann: Nein, wir machen Recherche-Theater, sammeln Material über Menschen, Orte und Geschehnisse. Die Schauspieler verändern das authentische Material mit ihrer Fantasie. Daraus wird dann in einer außergewöhnlichen Bühnensituation ein Theaterabend der besonderen Art.
Es ist ja ein Experiment, Leute Ihrer Freien Truppe und Augsburger Ensemblemitglieder zusammenzuwerfen. Funktioniert das?
Fuhrmann: Es funktioniert. Die Spielweisen sind gar nicht so unterschiedlich. Allerdings sieht man bei unserer Stückentwicklung erst auf den letzten Metern, wie es wird. Beim Literaturtheater weiß man das meist vorher.
Sie haben so was ja schon oft gemacht. Verändern Sie mit Ihrer Arbeit die Orte und die Menschen?
Fuhrmann: Wenn Menschen merken, dass ihre Geschichten weitererzählt werden, fühlen sie sich aufgewertet. Wir haben auch in Augsburg Leute getroffen, die sagten, sie würden jetzt wieder positiver über ihre Arbeit und deren Sinn denken.
Wie viel Zeit haben Sie in Augsburg verbracht, um zu recherchieren?
Fuhrmann: Insgesamt waren wir etwa zwei Monate hier.
Und Sie haben mit vielen Zeitzeugen in Augsburg gesprochen?
Fuhrmann: Ja, und die waren, wenn man sie fragte, offen und bereit zu erzählen. Wir haben aber auch erlebt, dass diese Stadt vergessen hat, über ihre Textilgeschichte zu sprechen. Wir hatten das Gefühl, das Thema ist in der Stadt nicht präsent. Augsburg scheint sich als Renaissancestadt zu fühlen. Wir mussten erst die Spuren suchen. Merkwürdig, wenn man bedenkt, dass es 26 000 Textilarbeiter gab und dass damit etwa 80 000 Menschen von der Textilindustrie abhängig waren.