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Interview: Präsidentin des Goethe-Instituts: "Pandemie wird in verschiedenen Ländern unterschiedlich erfahren"

Interview

Präsidentin des Goethe-Instituts: "Pandemie wird in verschiedenen Ländern unterschiedlich erfahren"

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    Menschen in Lomé (Togo) vor dem deutschen Goethe-Institut. Auf dem Tisch steht eine kleine Goethe-Skulptur. Das Institut in Lomé wurde 1961 gegründet, das Bild entstand in den frühen 1970er Jahren.
    Menschen in Lomé (Togo) vor dem deutschen Goethe-Institut. Auf dem Tisch steht eine kleine Goethe-Skulptur. Das Institut in Lomé wurde 1961 gegründet, das Bild entstand in den frühen 1970er Jahren. Foto: Goethe-Institut, Michael Friedel

    Frau Lentz, im Pandemie-Jahr 2020 sind Sie zur neuen Präsidentin des Goethe-Instituts gewählt worden. Sind Sie jetzt gleich als Krisenmanagerin gefragt?

    Carola Lentz: Nein, nicht unmittelbar. Für die aktuelle Krisenbewältigung arbeite ich eng mit einem kompetenten Vorstand und einem erfahrenen Team zusammen. Das Goethe-Institut ist auch durch seine schon vor mehreren Jahren begonnene Digitalisierungsstrategie gut vorbereitet und in der Lage, mit den Herausforderungen dieser Pandemie umzugehen, zum Beispiel durch Umschalten auf digitale Kommunikation.

    Aber Sie können nicht alles digital ersetzen?

    Lentz: Es geht natürlich schon ans Eingemachte, was Sprachunterricht und auch Prüfungen betrifft. Wir können vieles ins Digitale verlagern, und wir haben enorme Zuwächse im digitalen Sprachunterricht. Trotzdem gibt es natürlich zum einen Einbußen finanzieller Art und zum anderen ist für das Sprachlernen auch die persönliche Begegnung ein wichtiger Aspekt. Im kulturellen Bereich ist unsere große Herausforderung, weltweit dafür zu sorgen, dass die Arbeitsstrukturen unserer vielen Partnerinnen und Partner so erhalten bleiben, dass wir nach der Pandemie überhaupt noch Personen und Institutionen haben, mit denen wir zusammenarbeiten können.

    Wie schaut es da in anderen Ländern aus?

    Lentz: Auch in Deutschland könnte man sich, was die Unterstützung von KünstlerInnen in der Pandemie betrifft, natürlich noch mehr wünschen. Aber in vielen anderen Ländern in der Welt ist die Lage viel problematischer. Darum versuchen wir, so gut es geht, weltweit Unterstützung zu leisten.

    Wie kommt das Goethe-Institut mit der Pandemie zurecht?

    Lentz: Wir sind eine Organisation mit 157 Standorten in 98 Ländern, was gerade auch in der Pandemie eine besondere Herausforderung bedeutet. Die interne Kommunikation läuft jetzt noch stärker als vorher über digitale Medien, und hier entstehen Formate, die im Sinn von Nachhaltigkeit sicher beibehalten werden. Der Austausch untereinander in Videokonferenzen ist intensiv und fokussiert, zugleich fehlen aber auch die persönliche Begegnung und das spontane, ungeplante Gespräch am Rand. Ich finde es auch sehr interessant, wie unterschiedlich das pandemische Geschehen und der Umgang damit in verschiedenen Weltregionen ist. Im Moment sind übrigens keineswegs alle Institute geschlossen; 36 sind offen, andere mit Einschränkungen geöffnet, einige komplett für Publikum geschlossen, aber digital aktiv. In den verschiedenen Ländern wird die Pandemie unterschiedlich erfahren und es wird anders darüber nachgedacht. Da bietet das Goethe-Institut eine hervorragende Chance, in Deutschland bekannter zu machen, wie kreativ und unterschiedlich die Lösungen an verschiedenen Standorten sein können. Kurzum: Das Goethe-Institut ist eine Organisation, die weltweite Perspektiven in die Debatte einbringen kann.

    Ein großer Bestandteil des Goethe-Instituts ist die Sprachvermittlung – in Deutschland und dem Ausland. Wie wichtig ist es, dass Deutsch von anderen gelernt wird?

    Lentz: Ich halte das für sehr wichtig. Ich glaube, Mehrsprachigkeit ist vor allem in Europa ein hohes Gut. Wir sind ein relativ kleiner Kontinent mit vielen Sprachen. Deutsch spielt dabei eine wichtige Rolle, zusammen mit anderen europäischen Sprachen. Sprachen sind Zugang zu Welten, sie beinhalten Weltsichten, und diese Vielfalt ist bereichernd.

    Aber es gibt doch auch ökonomische Faktoren?

    Carola Lentz, Präsidentin des Goethe-Instituts, steht vor dem Goethe Institut Berlin.
    Carola Lentz, Präsidentin des Goethe-Instituts, steht vor dem Goethe Institut Berlin. Foto: Fabian Sommer, dpa

    Lentz: Deutschland ist eine wichtige Wirtschaftsnation, insofern bietet in vielen Ländern die Kenntnis der deutschen Sprache einen Mehrwert auf dem internationalen Arbeitsmarkt. Der Arbeitsmarkt in Deutschland wiederum ist auf Zuwanderung angewiesen. Für das Goethe-Institut ist die Fachkräfte-Mobilität ein wichtiges Thema. Um sie zu fördern, braucht es Maßnahmen der Vorintegration. Und die Deutschkurse des Goethe-Instituts beinhalten ja immer mehr als nur „Sprache“; es geht auch darum, Informationen über Kultur und Lebensweise in Deutschland zu vermitteln. Aktuell, im Kontext der Pandemie, ist allerdings die Frage der Prüfungen eine große Herausforderung. Den Sprachunterricht haben wir erfolgreich digitalisiert. Wir können aber noch keine volldigitalen, ortsunabhängigen Prüfungen und Zertifizierungen anbieten. Dies ist vor allem in Hinblick auf Fälschungsversuche sicherheitstechnisch sehr herausfordernd. Wir gehen davon aus, dass wir damit in 2021 an den Start gehen. Diese würden den Zugang zu Visa extrem erleichtern.

    Als Forscherin, als Ethnologin, haben Sie bislang eher die Perspektiven anderer eingenommen.

    Lentz: Solche Perspektiven „von außen“ nehmen wir auch als Goethe-Institut auf. Wir exportieren nicht einen bestimmten kulturellen Kanon, sondern interessieren uns für die vielfältigen kulturellen und sprachlichen Produktionen in der Welt. Zugleich stehen wir aber durchaus für bestimmte Werte. Dazu gehört auch, miteinander respektvoll und offen umzugehen. Diese Offenheit und Neugier auf fremde kulturelle Perspektiven nehme ich also als Ethnologin mit in meine Arbeit für das Goethe-Institut. Ich persönlich warte sehnlich auf die Gelegenheit, zu Goethe-Instituten in aller Welt reisen zu können. Das ist ja für mich einer der attraktivsten Aspekte dieses Amtes. Als ich gefragt wurde, das Amt zu übernehmen…

    War die Vorstellung zu reisen…

    Lentz: …sehr wichtig. Auch zu Kontinenten, die ich bisher noch gar nicht kenne. Etwa Asien. Ich hoffe, dass das in einem oder in zwei oder drei Jahren wieder möglich sein wird.

    Sie haben das Thema „Kolonialismus“ und die eigene Geschichte des Goethe-Instituts auf die Agenda gesetzt. War das Goethe-Institut einmal eine Einbahnstraße? Gab es koloniale Tendenzen in den letzten 70 Jahren?

    Lentz: Das neu gegründete Goethe-Institut von 1951 verstand sich nie als koloniales Projekt. In den ersten Jahrzehnten ging es aber stark darum, den guten Namen Deutschlands, des westdeutschen Staates, im Ausland wiederherzustellen. In gewisser Weise sollte es an die Kulturpolitik vor dem Nationalsozialismus wieder anknüpfen. Es ging in der Nachkriegszeit vor allem darum, Deutschlands Rolle in einer demokratischen Welt kulturell zu unterfüttern.

    Und wie hat das Goethe-Institut diese Aufgabe Ihrer Meinung nach bewältigt?

    Lentz: Die kulturelle Vielfalt der Welt nach Deutschland zu holen, war anfangs nicht das Ziel des Goethe-Instituts. Indirekt ist das aber doch geschehen, indem deutsche KünstlerInnen mit dem Goethe-Institut überallhin in die Welt gereist sind und dort in den Austausch mit lokalen Kulturproduzenten und Intellektuellen getreten sind. Dadurch haben die deutschen Künstler vielfältige globale Perspektiven in ihre Arbeit integriert. Das war etwa bei Günter Grass, bei Volker Schlöndorff, bei Edgar Reitz, die viel mit dem Goethe-Institut gereist sind, der Fall. Diese Begegnungen zwischen bundesrepublikanischen Intellektuellen mit Intellektuellen in Europa und jenseits von Europa haben vieles bewirkt und auch lebenslange Freundschaften gestiftet.

    Welche Rolle spielt das Goethe-Institut heute in einer multipolaren Welt?

    Lentz: Das Institut bietet einen Raum für Gespräche und Begegnungen. Dabei sieht sich das Institut bestimmten Werte verpflichtet: Demokratie, Gleichheit, Zusammenhalt, Vielstimmigkeit, kulturelle Vielfalt. Wir öffnen Foren und schaffen Plattformen, in denen sich unterschiedliche zivilgesellschaftliche und künstlerische Akteure austauschen können. Und das besonders Spannende an künstlerischen Formaten ist, dass sie uns in besonderer Weise erlauben, Möglichkeitsräume zu erkunden und neue Visionen der Zukunft zu entwickeln.

    Wie fühlt man sich als neue Goethe-Institut-Präsidentin, wenn diese Institution in fast 100 Ländern vertreten ist und die Perspektive der Institution dadurch tatsächlich einen globalen Maßstab hat?

    Lentz: Eine Herausforderung ist das schon. Ich bin zunächst – im Kontext der Pandemie – viel im Netz unterwegs. Und schon wenn ich auf die Homepage des Goethe-Instituts gehe, bin ich von der Fülle an Programmen und Projekten beeindruckt.

    Abschließend: Was ist Ihr zurzeit wichtigstes Projekt als neue Präsidentin?

    Lentz: Ich habe sehr viele Antrittsbesuche vor mir, auf die ich mich freue, die aber auch viel Zeit und Energie beanspruchen. Das zweite ist dann, mich über Weihnachten meinem Buchprojekt über die Geschichte des Goethe-Instituts zuzuwenden.

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