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Interview: Opernstar Golda Schultz: "Ich lernte, wie ich das Publikum berühre"

Interview

Opernstar Golda Schultz: "Ich lernte, wie ich das Publikum berühre"

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    "Ich war immer begeistert vom ,Freischütz'", sagt Golda Schultz über Carl Maria von Webers Oper.
    "Ich war immer begeistert vom ,Freischütz'", sagt Golda Schultz über Carl Maria von Webers Oper. Foto: Peter Kneffel, dpa

    Was war Ihre erste prägende musikalische Erinnerung?

    Golda Schultz: Das war die Musik auf einer langen Autofahrt von Südafrika nach Namibia, wo meine Eltern Freunde besuchten und wir auf Safari gingen. Als etwa Siebenjährige wollte ich auf dieser Autofahrt ständig Paul Simons „Graceland“-Album hören – meine armen Eltern damals! Es hat dann lange gedauert, bis ich meinen eigenen Geschmack entwickelte. Meine erste selbst gekaufte Platte – über die ich sehr stolz war – enthielt die größten Hits von Bryan Adams. Meine Mutter liebte die Musik von George Benson und Earth, Wind and Fire; mein Vater hörte viel Wiener Klassik von Haydn und Beethoven, aber auch Led Zeppelin.

    Bleiben wir noch eine Weile bei Ihren Eltern. Was haben Sie an Wichtigem von ihnen gelernt?

    Schultz: Eine wichtige Lektion war: Egal, was Du machst, höre für Entscheidungen nicht nur auf Dein Gefühl, sondern sei pragmatisch und hole Dir zuvor viele gesicherte Informationen ein. Meine Eltern gehören zu den klügsten Menschen, die ich kenne. Ich rufe sie immer an, wenn ich nicht recht weiß, wie es weitergehen sollte. Manchmal sagen sie dann auch: Golda, du hast doch deine Entscheidung längst getroffen, du möchtest dir doch nur eine Bestätigung einholen.

    Ihr Name Schultz klingt ja gar nicht afrikanisch. Wie ist er zu erklären?

    Schultz: Der kommt wohl aus der Zeit der Kolonisation, aber ich habe das nicht recherchiert. Mein Vater stammt aus Port Elizabeth, dort gab es viele deutsche Dörfer und Städte und wir haben sogar ein Hamburg! Möglicherweise half dies übrigens meinem Vater, schnell Deutsch zu lernen, als er in Deutschland ohne Sprachvorkenntnisse Mathematik studierte.

    Sie selbst studierten erst in Kapstadt, dann an der renommierten Juilliard School von New York. Was lernten Sie in Kapstadt und was in New York?

    Schultz: In Kapstadt lernte ich, dass ich auch als Sängerin zuerst Musikerin bin. Das heißt: Alle Musik ist wichtig, auch die Musik ohne Gesang, auch die Instrumentalstimmen bei Vokalmusik. Alles was auf einem Notenblatt steht, sollte verstanden werden. Erst wenn alles verstanden ist, kommen Interpretation, Herz, Emotion. Und später in New York lernte ich, wie ich nicht nur mich selbst, sondern vor allem auch das Publikum berühre und wie ich es mit meiner Art zu Spielen mitnehme.

    Ist Charisma auch erlernbar?

    Schultz: Das kommt darauf an, was man unter Charisma versteht. Aber ich denke, Teile davon kann man sich aneignen, andere nicht. (Lacht) Eine gemeine Frage.

    Davon gäbe es etliche. Doch erzählen Sie uns lieber darüber, dass mindestens drei namhafte ältere Kollegen Ihnen indirekt oder direkt weiterhalfen: die Callas, die Sie verehren, die Sopranistin Kiri Te Kanawa und der Tenor Johan Botha, der auch aus Südafrika stammte. Was wiederum konnten Sie von denen mitnehmen?

    Schultz: Durch die Callas wurde mir klar: Du musst Mut haben, du musst tapfer sein als Sängerin, du musst dein Leben und vielleicht auch deine schwierigen Lebenserfahrungen – wie Verzweiflung – einbringen, um eine Rolle zu verkörpern. Von Kiri Te Kanawa lernte ich zu entscheiden, wie viel und wieviel Schönheit beim Singen herauskommen soll; dazu bedarf es einer Balance zwischen Spontaneität und Kontrolle. Schließlich brachte mir Johan Botha in einem Meisterkurs bei, dass ich mich nicht gefangen nehmen lasse von den schwierigen hohen Passagen einer Partie, sondern mich jeweils auf die fünf Noten zuvor konzentriere. Dann kommt das Take off. Dann wird geflogen.

    2011 wurden Sie Mitglied des Opernstudios der Bayerischen Staatsoper, um 2014 dann ins feste Ensemble zu wechseln. Worauf, meinen Sie, gründete dieser Aufstieg?

    Schultz: In Deutschland, im Opernstudio lernte ich, dass die Kunst heilig ist und aus einer anderen Welt kommt, dass aber auch viel Arbeit dazu gehört: Egal, wie klein eine Rolle auch sein mag, du musst immer alles geben. Alles. Nun ist die Bayerische Staatsoper mit ihrem Weltklasse-Niveau meine musikalische Heimat.

    Gleichwohl sind Sie seit 2018 freischaffende Sängerin und treten an den ersten Häusern auf unter den renommiertesten Dirigenten wie Petrenko, Welser-Möst, Rattle, demnächst in Salzburg unter Thielemann – und mit den besten Orchestern. Wieso leben Sie eigentlich in Augsburg?

    Schultz: Warum nicht? Ich fühle mich sehr wohl in Augsburg. Die Stadt ist nicht zu groß, sie hat eine schöne Mitte, es gibt Wald, Lebensqualität und der nächste Flughafen ist nicht so weit. Augsburg ist ganz chillig. Und ich bin auch der Liebe wegen hier, mein Mann hat hier als Bühnenbildner am Theater gearbeitet.

    Was genau macht die Organisation „Opera for peace“, für die Sie Botschafterin sind?

    Schultz: „Opera for peace“ wurde am Weltoperntag 2019 gegründet. Die Organisation möchte die universelle Kraft der Musik und der Oper nutzen, um mehr Diversität im Kunstbetrieb zu fördern. Wir wollen jungen Sängern, die zum Beispiel in Lateinamerika, Indien und Südafrika wenige Chancen haben, in die Musiktheaterwelt einzusteigen, das vermitteln, was sie zu diesem Einstieg eben brauchen. Und wir schauen danach, was sich Intendanten wünschen, damit sie dies auch unterstützen können.

    Golda Schultz im "Freischütz" an der Staatsoper München.
    Golda Schultz im "Freischütz" an der Staatsoper München. Foto: Wilfried Hösl, Staatsoper

    Nun debütieren Sie in Webers „Freischütz“ als Agathe an der Bayerischen Staatsoper . Für Ihr vielseitiges Repertoire – von Mozarts Susanna bis Wagners Freia, von Bizets Micaëla bis Puccinis Liù – haben Sie erklärtermaßen vor allem Werke und Rollen ausgesucht, die Sie inhaltlich interessieren. Was fasziniert Sie am Individuum Agathe und an Webers „Freischütz“?

    Schultz: Ich war immer begeistert vom „Freischütz“. Weber hat eine wirklich schöne Partitur voller Atmosphäre komponiert. Was mich berührt an Agathe – obwohl sie gar nicht so viel zu singen hat –, das ist ihr etwas angstvoller Gang durch einen dunklen Wald hin zum Licht, zur Freude. Zusammen genommen ist das ein Kosmos. Auch hier habe ich geschaut, hinter die Noten zu kommen. Aber mehr verrate ich nicht, man muss auch ein paar Geheimnisse haben. Im Übrigen ist dieses Debüt nicht das Ende meiner Arbeit an Agathe.

    Zur Person: Golda Schultz wurde 1983 in Südafrika geboren. Sie studierte in Kapstadt und New York Gesang. 2011 trat sie in das Opernstudio der Bayerischen Staatsoper München ein; zwischen 2014 und 2018 war sie dann Ensemble-Mitglied der Staatsoper. Engagements führten sie in den letzten Jahren wiederholt zu den Salzburger Festspielen, an die Scala Mailand, Metropolitan Opera von New York, Staatsoper Wien, nach Zürich und Tokyo. Bei den anstehenden Osterfestspielen in Salzburg tritt Golda Schultz bei einem Gala-Konzert unter dem Dirigenten Christian Thielemann mit Anna Netrebko und Yusif Eyvazov auf. Die "Freischütz"-Premiere am 13. Februar wird ab 18.30 Uhr über die Website der Bayerischen Staatsoper kostenlos gestreamt.

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