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Interview: Nach mehr als 25 Jahren: Terry Gilliam bringt Don Quixote in die Kinos

Interview

Nach mehr als 25 Jahren: Terry Gilliam bringt Don Quixote in die Kinos

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    Terry Gilliam mit "Don Quixote"-Darsteller Jonathan Pryce am Set. Nach mehr als 25 Jahren bringt der Regisseur seinen Don Quixote auf die Leinwand. Der Film startet am 27.09.2018.
    Terry Gilliam mit "Don Quixote"-Darsteller Jonathan Pryce am Set. Nach mehr als 25 Jahren bringt der Regisseur seinen Don Quixote auf die Leinwand. Der Film startet am 27.09.2018. Foto: -/Concorde Filmverleih /dpa

    Absurde Wendungen, bizarre Sackgassen: Die mehr als zwei Jahrzehnte dauernden Filmarbeiten zum Abenteuer "The Man Who Killed Don Quixote" könnten selbst aus einem Sketch der britischen Komiker-Truppe Monty Python stammen, mit der Regisseur Terry Gilliam (77, "Fear and Loathing in Las Vegas") einst berühmt wurde.

    Die ersten Drehs startete Gilliam im Jahr 2000, dann wurden die Arbeiten immer wieder unterbrochen. Pech und Rechtsstreitigkeiten belasteten das Werk über einen Werberegisseur, der einem Mann begegnet, der von sich behauptet, Don Quijote zu sein - Spaniens Kultheld aus den Büchern von Miguel de Cervantes (1547-1616).

    Herr Gilliam, nach so vielen Jahren ist der Film endlich fertig. Haben die Qualen sich gelohnt?

    Terry Gilliam: Ja, er ist endlich draußen - und raus aus meinem Leben! Es ist großartig, ich hätte alles getan, um endlich dieses Problem loszuwerden. Wenn ich darüber rede, fühlt es sich an, als hätte ich erst vor einem Jahr mit dem Film angefangen. Habe ich nicht, es hat natürlich etwas länger gedauert, aber so fühlt es sich an. Das ist das Gute an meinem Gehirn: Es erinnert sich nicht an das Schlechte, nur an das Gute. Deshalb bin ich auch töricht genug, weiter Filme zu machen. Wenn ich mich an das Schlechte erinnern würde, hätte ich schon lange aufgegeben!

    Im Vergleich zu der ursprünglichen Idee haben Sie ja doch einiges verändert - zum Beispiel sollte es in dem Film mal Zeitreisen geben, die sind jetzt weg. Wieso haben Sie sich dafür entschieden?

    Gilliam: Weil es eine sehr alte, ausgelutschte Idee war. Um weiter an diesem Film zu arbeiten, musste ich zumindest versuchen, mir immer wieder selbst vorzumachen, dass es um eine neue, bessere Idee ging. So macht man dann weiter. Also haben wir den Hintergrund von Tobys Charakter (gespielt von Adam Driver, Anm.d.Red.) völlig verändert. (...) Das hat alle anderen Figuren auch verändert und die ganze Geschichte wurde viel besser. Es gibt immer noch Szenen in diesem Film, die im Original waren, aber die allgemeine Idee, die Form des Films ist sehr anders.

    Wieso waren Sie eigentlich 25 Jahre lang von Don Quijote besessen?

    Gilliam: Nein, die Frage ist: Warum ist er so von mir besessen? Er lässt mich nicht in Ruhe. Er stalkt und belästigt mich schon seit so vielen Jahren. Ich gebe ihm die Schuld für all meine Probleme.

    Wie oft haben Sie denn das Buch gelesen? Ein einfacher Schmöker ist das ja nicht...

    Gilliam: Als ich beschloss, einen Film über Quijote zu machen, dachte ich, ich kannte Quijote schon - Windmühlen, Sancho Panza und so weiter. Also rief ich meinen Produzenten an und sagte, ich brauche 20 Millionen Dollar für Quijote. Er sagte "Hier ist das Geld". Und dann las ich das Buch. Es war so dick! Ich weiß nicht mal mehr, wie viele Wochen ich dafür brauchte. Und dann dachte ich, ich habe ein Problem. Man kann es nämlich nicht verfilmen. Man kann Teile davon nehmen, aber man kann daraus keinen Film machen. Es wäre öde und langatmig. Also habe ich aufgegeben und gesagt, ich werde an der Essenz von Quijote festhalten und auf das Buch scheißen. Scheiß auf Cervantes! Nur so konnte man es machen. Man muss sich davon frei machen. Aber ich habe versucht, dem treu zu bleiben, was er geschrieben hat, dem Geist davon, dem Charakter, den Ideen. 

    In Ihrem Film treffen wieder Fantasie, Wirklichkeit und Traum aufeinander - die Themen, die sich durch Ihre ganze Karriere gezogen haben. Was ist noch übrig vom jungen Terry Gilliam, der mit Animationen aus ausgeschnittenem Papier angefangen hat?

    Gilliam: Ich kenne diesen Kerl nicht mehr! Ich glaube, in mir lebt immer noch ein Minderjähriger. So ein Typ, der nie richtig erwachsen geworden ist. Er hat es jetzt schwerer, weil ich ihn mehr unter Kontrolle habe. Aber wenn die Dinge gut laufen, dann ist es, als wäre man wieder ein Kind. Und Animation... Das wurde irgendwann langweilig, weil man alles kontrollieren konnte. Papierschnipsel sind nicht so interessant wie lebendige Menschen wie Schauspielerinnen und Schauspieler. Also ja, es hat sich viel verändert. Ich hoffe nur, dass mein Sinn für Humor noch so stark ist wie früher. Wenn ich den jemals verliere, kann ich mir auch gleich eine Kugel in den Kopf jagen. Denn ich sorge mich schon darüber, dass es dieser Tage weniger Lachen auf der Welt gibt. Und wenn der Humor stirbt, ist das für mich das Ende der Zivilisation. Weil Humor das einzige ist, was uns irgendwie frisch hält - schauend, fragend, lernend, die lustige Seite an Dingen zu sehen. Es stört mich, dass die Leute die Dinge jetzt so ernst nehmen. Und nicht sehen, dass es Ironie, Humor und eine andere Art, die Welt zu sehen, gibt. Ich kämpfe also darum, das am Leben zu erhalten.

    Sie meinten mal: Wenn etwas unmöglich ist, versuchen Sie es...

    Gilliam: Ja. Deshalb wurde der Mount Everest erfunden! Es gab ihn nicht, bevor die Leute einen unmöglichen Berg brauchten. Und als er dann bezwungen war, wurde er zum Spielplatz. Ich denke, unmögliche Herausforderungen sind das Ding, das die Menschheit antreibt. Ich meine, bald schaffen wir es an einem Wochenende zum Mars, richtig? Irgendjemand gibt gerade sehr viel Geld aus, um zu versuchen, uns dahin zu bringen. Dabei ist Arizona viel näher und billiger in der Anreise, wieso müssen wir auf den Mars? Ich würde das Geld lieber dafür ausgeben, die Sauerei zu beseitigen, die wir hier auf diesem Planeten angerichtet haben.

    Im Film steckt auch eine politische Lehre über unsere heutige Gesellschaft. Was meinen Sie, brauchen wir heute einen Don Quijote?

    Gilliam: Cervantes schreibt in den Büchern viel über das Spanien der Mauren. Er schreibt über die Romantik der Mauren in Tunesien. Ich fand, das müsse auch ein Teil der modernen Welt sein. Der Islam ist wieder da, und der Islam, vor allem in Spanien, war Islam von seiner besten Seite. Granada zum Beispiel - schauen Sie sich die Welt an, die dort erschaffen wurde. Christen, Juden, alle lebten da zusammen. Nur die Katholiken kamen dann, Ferdinand und Isabella, kleine, kleine Menschen, und die brachten dann die Inquisition und weg waren die Juden und die Mauren, zack zack. Ich fand es sehr wichtig, das im Film zu haben. Wenn Quijote über die Wände aus Kristall im Palast des Sultans redet: Ich wollte, dass er verliebt in diese Welt ist. Es ist eine großartige Welt. Aber die negative Seite ist, dass da auch einige Fundamentalisten herumrennen. Aber die gibt es nicht nur im Islam. Christliche Fundamentalisten haben gerade auch viel Spaß. Ich bin kein großer Fan von Fundamentalismus in jeglicher Form.

    Zur Person: Der US-Amerikaner Terry Gilliam, 77, wurde als Mitbegründer der britischen Komikergruppe Monty Python bekannt. Ab Ende der 1960er Jahre wirkte er bei der TV-Serie "Monty Python's Flying Circus" sowie den späteren Kultfilmen wie "Wunderbare Welt der Schwerkraft", "Ritter der Kokosnuss" und "Leben des Bryan" als Co-Regisseur, Co-Autor und Darsteller mit. Der im US-Bundesstaat Minnesota geborene Gilliam realisierte auch alleine als Regisseur mehrere Filme. Dazu gehörten "Fear and Loathing in Las Vegas" mit Johnny Depp, "König der Fischer" mit Jeff Bridges und Robin Williams sowie der Science-Fiction-Thriller "12 Monkeys" mit Brad Pitt und Bruce Willis. (Interview: María Luz Climent, dpa)

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