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Interview: Kunstversteigerung im Internet: Auktionshäuser setzen auf Onlinehandel

Interview

Kunstversteigerung im Internet: Auktionshäuser setzen auf Onlinehandel

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    Auktionator Robert Ketterer vor einem Werk von Pierre Soulages.
    Auktionator Robert Ketterer vor einem Werk von Pierre Soulages. Foto: Schöllhorn

    Herr Ketterer, Online-Auktionen riechen so ein bisschen nach Ebay, oder?

    Robert Ketterer: Genau das ist das Problem. Bei Ebay werden sogenannte „Dachbodenfunde“ angeboten, die oft nicht echt sind. Und wenn doch, weiß man nichts über den Zustand. Im Grunde ist völlig unklar, worauf man sich einlässt, ich kann die Skepsis gut verstehen.

    Und wie gehen Sie dagegen an?

    Ketterer: Durch Aufklärung. Wir gehen mit den Online-Objekten genauso ernsthaft um wie bei einer Live-Auktion – von der Überprüfung der Herkunft bis zur Beschreibung und Taxierung. Bei uns kann man das Ersteigerte auch zurückgeben, wenn es nicht den Vorstellungen entspricht. Und wir übernehmen den Transport, auch wenn der Preis nur bei 100 Euro liegt.

    Trotzdem lebt Kunst von der Präsenz. Ist das nicht das Problem bei Online?

    Ketterer: Ganz offen: Wir sehen unsere Kunden bei den Live-Auktionen ja auch nicht mehr.

    Läuft das meiste übers Telefon?

    Ketterer: Ja, und die Mehrzahl hat sich die Bilder oder Skulpturen nicht vor Ort bei uns angesehen. Das gab’s in der Form früher nicht. Heute sind die Kunden bereit, für ein Kunstwerk bis zu 200000 Euro auszugeben, ohne sich einen Eindruck vom Original verschafft zu haben. Das ist eine enorme Veränderung. Und der Unterschied zwischen einer Live- und einer Internet-Auktion ist ja auch marginal. Entweder Hammerschlag aufs Pult oder Ende der

    Aber das Bieten verläuft doch anders?

    Ketterer: Bei den Online-Auktionen tut sich meistens erst in den letzten paar Minuten etwas; es kann zu verrückten Biet-Situationen kommen.

    Das heißt?

    Ketterer: Angenommen, wir haben eine „Victoria“. Das sind zwei Druckgrafiken, die Gerhard Richter für die Victoria-Versicherung gemacht hat. Die Blätter kosten jeweils um die 2500 Euro. Also setzen wir das bei der Saal-Auktion mit 1500 Euro an, dann geht das vielleicht auf 2600 Euro. Bei der Internet-Auktion beginnen die Blätter bei einem Euro. Wenn aber jemand kurz vor Schluss 3000 Euro bietet, kann das hochschießen in einer Geschwindigkeit, die bei einer Live-Auktion gar nicht möglich wäre. Wir hatten diesen Fall genau bei Richter – und am Ende waren es 8000 Euro für eine „Victoria“. Es gibt aber auch Objekte, die unterm Preis bleiben.

    Die weniger bekannten Namen?

    Ketterer: Ja, die haben es immer schwer und bei Online-Auktionen ganz besonders. Dabei können das ganz fantastische Werke sein.

    Sie hatten jetzt Bereiche der Sammlung Steinle aus Neu-Ulm in der Online-Versteigerung. Ist das die Ausnahme?

    Ketterer: Gar nicht, wir haben immer wieder Objekte aus guten Sammlungen, die bei einem Euro anfangen. Für uns ist das eine Möglichkeit, neue Interessenten in diese Auktionen zu ziehen. Es reicht ja, ins Netz zu gehen. Gerade im Fall der Fondation Steinle gab es schnell tausende Bieter, die sich in 1-Euro-Schritten bewegt haben. Das kann sich erst einmal jeder leisten.

    Gibt es Kunden, die eine Online-Versteigerung ihrer Objekte ablehnen?

    Ketterer: Natürlich, und jetzt sind wir wieder bei der Aufklärungsarbeit. Wobei die Online-Auktion auch nicht für jedes Objekt funktioniert. Gerade wenn es sich um Künstler handelt, die man nicht so gut kennt oder für die es einen eher kleinen Interessentenkreis gibt.

    Aber Filetstücke wie ein Gemälde von Pechstein oder Kirchner würden Sie doch nicht online versteigern?

    Ketterer: Sie würden online einen ähnlichen Preis erzielen. Aber wir brauchen natürlich die Öffentlichkeit, gerade bei einer Auktion mit solchen hochpreisigen Werken. Online-Auktionen funktionieren nämlich nur, wenn das Vertrauen durch Live-Auktionen geschaffen wurde. Bei einem Kunstwerk geht es immer um Fragen der Echtheit, um die Provenienz, um klare Eigentumsverhältnisse. Das sind alles Dinge, die wir intensiv prüfen.

    Das Geschäft nur online zu machen ist vermutlich schwierig, nicht?

    Ketterer: Der Kunstmarkt hat extrem viel mit Präsenz und Vertrauen zu tun. Die Werke der großen, der angesagten Künstler fliegen uns ja nicht zu. Solche Objekte werden einem nur anvertraut, wenn die Kunden von einem überzeugt sind.

    Kann ich mir die Objekte der Online-Auktionen ansehen?

    Ketterer: Natürlich, die Werke sind alle bei uns zu sehen. Kurze Anmeldung genügt.

    Wenn man das bei Ihnen im Netz verfolgt, fällt auf, dass etwa Grafik von bekannten Künstlern wie Baselitz oder Eduardo Chillida über zwei, drei Wochen bei gerade mal 200 Euro liegt.

    Ketterer: Das ist ganz normal, 30 Tage haben wir das im Angebot, und kurz vor Schluss kommt dann Bewegung ins Ganze. Die letzte Minute zählt! In vielen Fällen sind die erzielten Preise höher als bei den normalen Auktionen. Aber klar, man kann Glück haben und ein tolles Werk für wenig Geld ersteigern.

    Noch vor zehn Jahren hat Hans Neuendorf, der Gründer des Online-Kunstportals Artnet, behauptet, der Kunstmarkt würde sich komplett verändern. So ganz stimmt das ja nicht.

    Ketterer: Aber er wird recht behalten, es dauert nur etwas länger, als Hans Neuendorf gedacht hat. Der Aufwand für die Saal-Auktionen wird immer größer, von den Einladungen bis zur Herstellung teurer Kataloge. Das ist wichtig, geht aber nicht mehr bei allen Objekten.

    Wie hoch ist bei Ketterer Kunst der Anteil des Online-Geschäfts?

    Ketterer: Das sind momentan erst zwei bis drei Prozent unseres Umsatzes. Aber es wird mehr, und Online dürfte Live sicher bald überholen. Dennoch wird es die großen Live-Auktionen immer geben, das wollen die Käufer, das will der Markt.

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