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Interview: Digitalisierung in der Kultur: Museen gibt es auch in 30 Jahren noch

Interview

Digitalisierung in der Kultur: Museen gibt es auch in 30 Jahren noch

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    Wie hier im Alten Museum in Berlin digitalisieren viele Museen ihre Bestände.
    Wie hier im Alten Museum in Berlin digitalisieren viele Museen ihre Bestände. Foto: Tim Brakemeier, dpa

    Frau Buschmann, kann man die Corona-Krise auch als Chance für die Kulturlandschaft betrachten?

    Renate Buschmann: Die Krise ist die Chance, die Museen müssen allerdings etwas dafür tun. Es ist für die Museen zeitraubend und kostenintensiv, die digitalen Möglichkeiten auszuweiten. Sie müssen auf den Websiten mehr anbieten als die üblichen Informationen. Das Digitale ist keine Konkurrenz, sondern gut angelegte Werbung, um die Besucher ins Museum zu bringen. Und es ist ein Service für die Allgemeinheit, ihr die Inhalte der Museen in einer anderen Form zugänglich zu machen.

    Was könnten die Museen konkret tun?

    Buschmann: Sie könnten die Ausstellungen anders anbieten, als man sie analog kennt: Man kann sich dann selbst etwas aussuchen aus der Sammlung. Diese Bestände sollten die Museen klug ins Internet stellen und so verschlagworten, dass auch Laien etwas Interessantes finden, von dem sie noch nichts wissen - das ist im Grunde wie bei den Empfehlungen bei Amazon.

    Was muss gegeben sein, damit eine digitale Ausstellung gelingt? Außerdem sind viele digitale Kulturangebote noch zeitlich begrenzt. Was müsste passieren, damit sie weiterlaufen?

    Buschmann: Erfahrenes Personal ist wichtig. Es sind immer Teamarbeit des gesamten Hauses und viel Energie notwendig. Das können zurzeit nur große Häuser mit viel Kapazität leisten. Es steckt nämlich unglaubliche Vorarbeit dahinter, eine Sammlung digital so aufzubereiten, dass die Besucher sie gern nutzen. Dafür sind die wenigsten Museen ausgerüstet. Städte und Kommunen müssten die Museen finanziell dabei unterstützen und diese Infrastruktur fördern. Daneben stellt das Copyright bei moderner und zeitgenössischer Kunst ein Problem dar: Museen dürften Werke nicht ohne Weiteres außerhalb der Ausstellungszeit online stellen.

    Museen: In Zukunft werden die Menschen doppelspurig fahren - analog und digital

    Welches dieser neuen, digitalen Formate wird sich in Zukunft halten?

    Buschmann: Das Streamen von Veranstaltungen wird weiterlaufen, denn wir sind eine sehr mobile Gesellschaft und hatten immer das Problem, die Angebote nicht wahrnehmen zu können, wenn wir an einem anderen Ort sind. Die Museen könnten sich auf ihren Seiten außerdem dadurch profilieren, dass sie Künstlerinnen und Künstler einladen, auf ihrer Internetseite Projekte umzusetzen. Nicht als Ersatz für das analoge Angebot, sondern als Ergänzung. Denn die Künstlerinnen und Künstler wollen für das Publikum spielen, sie brauchen das Publikum. Auch die Künstlerinnen und Künstler wollen weiter Räume füllen. Am besten stellen wir uns darauf ein, dass wir demnächst doppelspurig fahren - analog und digital.

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    Wie sehen Sie Kultur in 30 Jahren – komplett digital?

    Buschmann: Nein. Wir sind analoge Menschen. Wir verlangen häufig nach körperlicher Erfahrung, Erfahrung von Raum, Körper und Größenverhältnissen. Was analog produziert worden ist, zum Beispiel ein besonderes Gemälde, werden wir im Internet nie so wahrnehmen können. Legitim wäre: Ich gehe in einen Raum hinein und schaue mir die Ausstellung an, und das Internet dient als Bühne, als Zusatz. Selbstverständlich werden die Menschen in Zukunft immer noch mit analogen Materialien etwas schaffen, aber zunehmend auch Material und Verfahren unseres digitalen Lebens einbeziehen.

    Verdrängen die digitalen Formate aus großen Häusern die kleinen lokalen Häuser, zum Beispiel Theater?

    Buschmann: Nein, weil der Grund, warum wir dorthin gehen, vor allem die Atmosphäre des Live-Erlebnisses ist. Dazu gehört, dass wir uns dort hinbegeben, dass wir dort Menschen treffen, mit denen wir uns austauschen können, es ganzheitlich wahrnehmen. Das ist etwas anderes, als den ganzen Tag nur in einen kleinen Bildschirm zu schauen. Denn im Theater, Konzertsaal, Kino und Museum gibt es keine Ablenkung. Diese Qualitäten schätzen wir als Besucher: Das Eintauchen, das Immersive, das ganz und gar vor Ort sein. Und deshalb wird den Häusern durch das Streaming kein Besucher abhandenkommen.

    Zur Person: Prof. Dr. Renate Buschmann ist Lehrstuhlinhaberin für Digitale Künste und Kulturvermittlung an der Universität Witten/Herdecke. Sie lehrt dort unter anderem zu Kunst, die digitale Innovationen anwendet.

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