Herr Hallervorden, Sie haben bereits in Til Schweigers „1½ Ritter“ eine kleine Rolle gespielt. Führte diese Begegnung zur neuerlichen Zusammenarbeit?
Nein. Til Schweiger hätte mir die Rolle nie angeboten, wenn er mich nicht vorher in „Sein letztes Rennen“ gesehen hätte. Das hat ihn davon überzeugt, dass ich tatsächlich glaubwürdige Charakterrollen spielen und eine gewisse Gefühlstiefe vermitteln kann. Eine Tiefe, die nicht gemacht, sondern wirklich innerlich empfunden ist. Er hat mir das Drehbuch zukommen lassen, und ich fand die Geschichte sehr gut. Trotzdem habe ich noch nicht zugesagt, weil ich erst Til Schweigers Tochter Emma kennenlernen wollte, die meine Enkelin spielen würde. Emma und ich haben uns auf Anhieb super verstanden. Sie ist ein sehr nettes Mädchen, das das Näschen nicht oben trägt. Deshalb habe ich zugesagt.
Wie haben Sie sich dem Thema Demenz angenähert?
Ich habe mich exakt darauf vorbereitet. Bei „Sein letztes Rennen“ hatte ich sechs Monate lang trainiert, um den physischen Anforderungen gerecht werden zu können. Hier lag die Herausforderung auf psychischem Gebiet. Ich war in zwei verschiedenen Demenz-WGs und habe dort tagsüber gewohnt. Ich habe mich schlaugemacht, wie sich demente Leute verhalten. Der Film ist eine Tragikomödie; man muss den schmalen Balanceakt zwischen Schmunzeln und Zutiefst-Berührt-Sein wagen.
Haben Sie selbst Angst vor einer Alzheimererkrankung?
Ich gehöre nicht zu den Menschen, die sich ständig darüber Gedanken machen, wann einen welche Krankheit ergreift. Wenn ich so denken würde, könnte ich gleich in Richtung Friedhof losmarschieren. Ich bin der Zukunft fröhlich und optimistisch zugewandt. Und ich bin schicksalsergeben. Ich kann nachher auf dem Heimweg überfahren werden, dann war das das letzte Interview. Aber ich denke nicht in solchen Kategorien. Bisher ist alles gut gegangen; ich bin jetzt 79 Jahre alt und sehe die weiteren Jahre quasi als Wettlauf. Ich will sehen, was ich noch erreichen kann. Natürlich weiß ich um die Gefahren, die das Älterwerden mit sich bringt. Aber davon lasse ich mich nicht unterkriegen, indem ich alles Mögliche befürchte.
Wie halten Sie sich in Form?
Einerseits dadurch, dass ich einen sechzehnjährigen Sohn habe, mit dem ich viel Zeit verbringe. Da sind natürlich Action, Unterhaltung und Austausch von Argumenten angesagt. Andererseits habe ich wohl von meinen Eltern gute Gene mitbekommen. Dazu kommt, dass ich diesen Beruf ausübe. Ich lerne ständig Text, das trainiert das Hirn. Und ich bin jemand, der sich gern bewegt. Ich surfe auch bei größeren Windstärken gern, ich fahre Wasserski und spiele mit Begeisterung Tischtennis.
Welche Meinung vertreten Sie beim Thema Sterbehilfe?
Wie gesagt, ich bin schicksalsergeben. Ich warte ab, was auf mich zukommt, und versuche, das Beste daraus zu machen. Ich pfusche dem Schicksal nicht vorher in die Karten. In früheren Kulturen hat man Stammesmitglieder, die ein Alter erreicht hatten und der Gemeinschaft nicht mehr dienlich waren, auf eine Eisscholle gesetzt und davontreiben lassen. Das läuft heutzutage ein bisschen humaner.
Gab es in Ihrer Karriere eine Zeit, in der Sie das Näschen oben getragen haben?
Ich kann Ihnen versichern, dass das überhaupt nicht meine Sache ist. Es ist toll, wenn eine Leistung anerkannt wird. Aber morgen kann ich auch wieder runterfallen. Wenn man das Näschen oben trägt und die Leute arrogant behandelt, kommt man auf dem Weg nach unten an all denen wieder vorbeigeflogen, die man mal schlecht behandelt hat. Das kommt für mich nicht infrage.
Wie beurteilen Sie den deutschen Film der Gegenwart?
Da bin ich nicht der richtige Ansprechpartner. Ich arbeite sehr viel. Ich gehe so gut wie nie ins Kino, und im Fernsehen schaue ich mir nur ab und zu ein Fußballspiel, die Nachrichten oder politische Talkshows an.
Keinen „Tatort“, keine Krimis?
Nein. „Tatort“ habe ich noch nie gesehen.
In „Honig im Kopf“ ergreift Ihre Filmfigur Partei für die SPD. Ist Ihnen das als FDP-Unterstützer schwergefallen? Und sehen Sie für die FDP einen Weg aus der Krise?
Das Drehbuch schrieb vor, dass man von der SPD zu sprechen hat. Da sehe ich auch kein Problem; die SPD ist eine hochanständige Partei mit einer langen Geschichte. Wie die FDP aus dem Jammertal herauskommen will, ist mir mittlerweile schleierhaft. Ich traue Lindner zu, Dinge in großen Zusammenhängen zu denken. Aber ich wage es, zu bezweifeln, dass er genügend Mitstreiter findet, um sich aus dieser Krise zu befreien.
Im nächsten Jahr steht Ihr 80. Geburtstag an. Wie begehen Sie ihn?
Ich werde nicht groß feiern. Ich werde wahrscheinlich in meinem Schlosspark Theater auf der Bühne stehen.
Interview: André Wesche