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Josef Holzhauser am Klavier (links) und Karla Andrä als Carola Neher (rechts) vor einer historischen Aufnahme mit der großen deutschen Schauspielerin Carola Neher aus München. Szene aus der Aufführung von „Kleiner Vogel Kukuli“.

Hommage
03.10.2021

„Text will Töne“ im Kulturhaus Abraxas: Ohne Plan B dem Theater verfallen

Von Claudia Knieß

Karla Andrä und Josef Holzhauser widmen der großen deutschen Schauspielerin Carola Neher einen lyrischen Abend im Abraxas. Berühmte Dichter wie Brecht und Klabund verehrten die Münchnerin.

Für eine einzelne Schauspielerin ist die Bühne des Kulturhauses Abraxas ziemlich groß. Karla Andrä vermag es jedoch, sie allein gänzlich zu füllen und darauf Raum zu geben für die Schauspielerin Carola Neher, der das aktuelle Programm des Duos „Text will Töne“ gewidmet ist: „Kleiner Vogel Kukuli“, betitelt nach einem Gedicht von Nehers Ehemann Klabund, hatte am Freitag Premiere.

Lyrik macht einen Gutteil des Abends aus, der sich mit dem Leben der 1900 geborenen Schauspielerin und der ihr gewidmeten Kunst von Bertolt Brecht und Klabund beschäftigt. „Kleiner Vogel Kukuli“ ist die poetische Essenz einer langen Recherche und Spurensuche zur großen Schauspielerin der Weimarer Republik. Wie Karla Andrä, selbst schon in jungen Jahren „ohne Plan B dem Theater verfallen“, spielte Neher sich Schritt für Schritt, unter anderem mit 32 Nebenrollen in 22 Produktionen am Theater Baden-Baden, hoch bis ans Burgtheater und die Münchner Kammerspiele, wo sie eines Abends im August 1924 eine Zufallsbekanntschaft aus der Straßenbahn vom gleichen Tag wieder traf: Alfred Henschke alias Klabund – Beginn einer künstlerisch fruchtbaren und ungeheuer turbulenten Beziehung.

Das Programm „Text will Töne“ beginnt mit einem Monolog voll romantischer Ironie

„Kleiner Vogel Kukuli“ startet mit dem „Damespiel“, einem Monolog voll romantischer Ironie, selbst- und theaterverliebten Räsonierens darüber, wie es wäre, den eigenen Auftritt gleichzeitig als Publikum zu erleben: „Oh – das war ja herrlich – ich selber trat heute Abend auf.“ Ähnlich herrlich wie in diesem Text auf sich selbst, muss Carola Neher auf manchen gewirkt haben, dem sie begegnete: Klabund schrieb Verse für sie wie „Dein Mund, der schön geschweifte“, Brecht schrieb ihr nicht nur die Polly Peachum in der „Dreigroschenoper“ sowie die „Heilige Johanna der Schlachthöfe“ auf den Leib, sondern auch Schönheits- und Achtsamkeitstipps in Gedichtform: „Erfrische Dich, Freundin / An dem Wasser aus dem Kupferkessel mit den Eisstücken“.

Ihr eigenes Schönheitsrezept veröffentlichte die Neher in den Modemagazinen der Zeit; sie ließ sich beim Besteigen des Berliner Funkturms filmen, konnte modeln im Pelzmantel mit laszivem Blick ebenso wie als Motorradfahrerin in androgyner Kleidung. Entsprechend spannendes Bildmaterial gibt es, und Deborah Uhde hat damit für „Text will Töne“ Bühnenwand füllende Projektionen kreiert: mal ein animiertes Porträt, das Neher selbst sprechen scheinen lässt, mal einen kecken Motorradausflug in die Landschaft, mal eine Collage der vielen Facetten dieser Künstlerin – bis hin zu Fotos, die in sowjetischen Lagern kurz vor ihrem Typhus-Tod 1942 entstanden: Carola Neher hatte einen bösen, letztlich tragisch-tödlichen Ausweg aus Nazi-Deutschland genommen.

Der Abend greift den Gestus der Neher-Zeit auf

Das intelligente Bühnensetting machte es möglich, dass Andrä all diese künstlerischen und biografischen Begebenheiten mit der ihr eigenen Intensität aufgreifen konnte: Mal steht sie vor der Leinwand zwischen lebensgroßen Projektionen Nehers und Klabunds, mal tanzt sie – von Ema Kawaguchi choreografiert – inmitten überschäumend swingender historischer Tanzaufnahmen, mal faltet sie am rechten Bühnenrand eine Art Triptychon mit Fotos Nehers in den Flügeln und kleinen Projektionen in der Mitte zu einer Grabtafel zusammen.

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Oder sie steht links am Klavier; auch Karla Andrä hat einen Künstler als Mann und Bühnenpartner: Josef Holzhauser, der nicht nur gewohnt lässig Gitarrenstücke komponierte, sondern auch einfühlsam in die Tasten griff – teils unterlegt mit eigenen Gitarren-Pattern von der Loop Station, um Andräs Spiel und Stimme musikalisch zu rahmen.

Abgerundet durch das Sounddesign von Titus Holzhauser entstand so ein Abend, der den Gestus der Neher-Zeit aufgreift, ohne altmodisch zu wirken, und gleichzeitig dank Karla Andräs Bühnenpräsenz etwas ganz Eigenes daraus macht.

Informationen: Zu sehen im Kulturhaus Abraxas am 21. November, 19 Uhr. Karten in der Bürgerinfo am Rathausplatz, der Buchhandlung am Obstmarkt oder über reservix.de.

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