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Herta Müller: Schweigen nach dem Preis

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Herta Müller: Schweigen nach dem Preis

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    Herta Müller: Schweigen nach dem Preis
    Herta Müller: Schweigen nach dem Preis Foto: DPA

    Zwar ist die 56-Jährige bisher mit mehr als einem Dutzend Auszeichnungen gewürdigt worden - doch selbst Literaturliebhabern ist sie eine große Unbekannte. "Kennen Sie Herta Müller? (... seit gestern weltberühmt)" - so fasste das Boulevardblatt "Berliner Kurier" eine wohl weit verbreitete Ahnungslosigkeit zusammen.

    Doch wer ist Herta Müller? Sichtbar verlegen tritt die schmächtige Frau am Donnerstagabend vor Blitzlichter und Fernsehkameras in Berlin, um Selbstauskunft zu geben. Es sind kurze, knappe Sätze, in denen noch die Verwunderung über den plötzlichen Ruhm mitschwingt. "Ich bin die Person, die ich bin, nichts Besseres, nichts Schlechteres", versucht sie die Zäsur zu überbrücken, die sich nun in ihr Leben geschoben hat. Einer "großen Künstlerin der Worte", wie das Nobelkomitee sie gelobt hatte, verschlägt es fast die Sprache.

    Eher kühl als begeistert reagiert Nobelpreiskollege Günter Grass. "Oh, das ist schön für Herta Müller. Das ist eine sehr gute Schriftstellerin. Ich hatte mir was anderes vorgestellt, zum Beispiel der israelische Schriftsteller Amos Oz. Aber die Jury hat so entschieden, und die werden Gründe gehabt haben", gibt Grass im "heute journal" zu Protokoll. Besser hatten es die Londoner Buchmacher gewusst, die Müller mit

    Als sich das Raunen und das Klicken der Kameras etwas legt, erzeugt Herta Müller mit leiser Stimme im vollgestopften Büro der Buchhändler-Vereinigung in Berlin einen fast intimen Raum. Sie berichtet vom langen Schatten des rumänischen Geheimdienstes, der sie bis heute verfolge. Auch 20 Jahre nach dem Ende des Ceausescu-Regimes, dem Müller 1987 entkam, sei sie im Visier der Männer der Securitate. "Ich werde nicht mehr bedroht, aber wenn ich in Rumänien bin, dann will der Geheimdienst mir zeigen, dass es ihn noch gibt." Es zahle sich nicht aus, sie zu überwachen.

    Müller sieht sich noch immer als Heimatlose. "Ich bin insofern eine deutsche Schriftstellerin, als dass ich auf Deutsch schreibe." Rumänisch habe sie im Land der Banater Schwaben erst als Jugendliche gelernt, bis heute sei es aber nicht ihre Sprache. "Da braucht es eine Intimität, die ich nicht habe." Deutsche oder Rumänin? "Ich bin etwas von allem oder etwas oder nichts von beidem."

    Dreißig Jahre habe sie in einer Diktatur gelebt, "bis ich von dort weggegangen worden bin". Noch immer denke sie an die Freunde von damals, "auch an die Toten", es sei sehr bitter, diese Menschen verloren zu haben. Und bis heute frage sie sich, wie es möglich sein konnte, "dass eine Handvoll Mächtiger sich einen Staat unter den Nagel reißt". Erst in Deutschland habe sie sich in Sicherheit gefühlt, "dieses Land hat mich gerettet. Und als die Diktatur zusammengebrochen ist, hatte ich das Gefühl, jetzt werde ich nicht mehr bedroht."

    Immer wieder gibt Müller etwas von der Überwältigung preis, die sie seit dem Anruf am Donnerstagmittag von der Schwedischen Akademie begleitet. "Meine innere Sache ist das Schreiben, daran kann ich mich festhalten." So scheint es auch plausibel, wenn sie am Freitag über ihren Verlag mitteilen lässt, sie werde keine Interviews geben, "keinem, niemandem". Die Auszeichnung sei nur eine Äußerlichkeit, die sich auf ihrer Literatur nicht niederschlagen werde. "Ein Buch über den Nobelpreis werde ich nicht schreiben."

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