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Gesellschaft: Debatte um jüdische Identität: Schriftsteller Max Czollek erhält Unterstützung

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Debatte um jüdische Identität: Schriftsteller Max Czollek erhält Unterstützung

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    Aktuell ist eine Debatte entbrannt zwischen den Schriftstellern Maxim Biller und Max Czollek. Die Frage ist: Wer darf sich als Jude bezeichnen?
    Aktuell ist eine Debatte entbrannt zwischen den Schriftstellern Maxim Biller und Max Czollek. Die Frage ist: Wer darf sich als Jude bezeichnen? Foto: Alexander Kaya, Symbol

    Am Anfang waren ein paar Worte, gewechselt zwischen zwei Autoren auf der Terrasse der Akademie der Künste in Berlin. Dann ein Tweet, eine Kolumne, Gastbeiträge in Zeitungen und nun: ein offener Brief, unterzeichnet von 278 Kulturschaffenden. Was also als persönlicher Disput zwischen Maxim Biller und Max Czollek begann, bei dem der eine dem anderen immerhin noch recht freundlich von der Bar einen Apfelsaft mitbrachte, ist zur aufgeregt geführten Debatte geworden. Im Kern geht es dabei um die Frage: Wer darf sich jüdisch nennen? Und auch: Wer darf als solcher im öffentlichen Diskurs reden? Und im Weiteren nun: Wie und von wem wird darüber jetzt geschrieben …

    Debatte zwischen Maxim Biller und Max Czollek: Wer darf sich jüdisch nennen?

    Max Czollek, Autor der Streitschrift „Desintegriert euch!“, dessen Großvater jüdischer Widerstandskämpfer war, gehört nach Ansicht des jüdischen Schriftstellers Maxim Biller jedenfalls nicht zum „exklusiven Judenclub“. An jenem Sommerabend muss Biller das so zu Czollek gesagt haben, wie Biller in seiner Zeit-Kolumne später selbst schrieb. Und auch, dass er angefügt hatte, dass er „Leute wie dich, die zurzeit als Faschings- und Meinungsjuden den linken Deutschen nach dem Mund reden, kaum noch aushalte“. Czollek wiederum twitterte die Aussage von Biller und merkte an: „Vielleicht sollten wir auch mal über innerjüdische Diskriminierung sprechen.“

    Der Großvater von Schriftsteller Max Czollek war jüdischer Widerstandskämpfer.
    Der Großvater von Schriftsteller Max Czollek war jüdischer Widerstandskämpfer. Foto: Hanser, Peter-Andreas Hassiepen, dpa

    Die innerjüdisch heftig geführte Diskussion aber gibt es natürlich seit langem. Dabei geht es um die Frage, ob tatsächlich sich nur als Jude bezeichnen darf, wer von einer jüdischen Mutter geboren wurde oder förmlich konvertiert ist? Oder ob nicht auch die Kinder jüdischer Väter zur jüdischen Gemeinschaft zählen – wie man es zum Beispiel im amerikanischen Reformjudentum nach der Bar oder Bat Mizwa handhabt. Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, bezog in der Jüdischen Allgemeinen dazu eine klare Position: Ob man jüdisch sei oder nicht, richte sich nach den Regeln der Religion, also der Halacha, des jüdischen Religionsgesetzes.

    Meron Mendel, Direktor der Bildungsstätte Anne Frank, wiederum vertritt die Meinung, es sei an der Zeit, diese Definition zu öffnen. In einem Beitrag in der Zeit verweist er unter anderem darauf, dass die Hälfte der jüdischen Kinder in Deutschland heutzutage in die Kategorie Vaterjuden fällt. Die gegenwärtige jüdische Kultur- und Kunstszene, zu der als streitbarer Intellektueller auch Czollek zählt, sei undenkbar ohne eben jene.

    Entsetzen über den Tonfall und Inhalt dieser Debatte

    Wie diese Diskussion über jüdische Identität aber nun am Beispiel Max Czollek in den Feuilletons und sozialen Medien geführt wird, ist wiederum selbst zum Gegenstand einer Debatte geworden. Unter anderem wurde Czollek vorgeworfen, er verschleiere die Tatsache, dass er den traditionellen Regeln nach eigentlich kein Jude sei. Die Kommentarspalten füllten sich. „Wir wollen in aller Deutlichkeit unserem Entsetzen über Tonfall und Inhalt dieser Debatte Ausdruck verleihen“, heißt es in dem offenen Brief, in dem sich jüdische und nichtjüdische Kulturschaffende, unter anderem auch Mendel, mit Czollek solidarisieren.

    Maxim Biller findet, dass der Großvater, von Schriftsteller Max Czollek nicht zum „exklusiven Judenclub" gehört.
    Maxim Biller findet, dass der Großvater, von Schriftsteller Max Czollek nicht zum „exklusiven Judenclub" gehört. Foto: Picture alliance

    „Wir sind zutiefst bestürzt über die Niveau- und Respektlosigkeit einer Diskussion, in deren Kommentarspalten auch nichtjüdische, mehrheitsdeutsche Stimmen einem Menschen, dessen Großvater die Shoah überlebt hat, seine jüdische Identität absprechen.“ Man erkenne das Interesse und eine ungehemmte Schadenfreude von konservativen Medien an einem innerjüdischen Konflikt als das, was es sei: „ein Vorwand, um einen engagierten Befürworter einer pluralistischen Gesellschaft zu diskreditieren.“

    Es gibt kaum Zwischentöne in der Debatte "Wer darf sich jüdisch nennen?"

    Was an dieser Debatte nun wiederum auffällt: dass Zwischentöne kaum mehr vorkommen – oder womöglich nicht registriert werden. Die gibt es wiederum bei Maxim Biller in seiner Kolumne „Partisanenlieder“ durchaus. Der Schriftsteller, der eben den hochgelobten Roman „Der falsche Gruß“ vorgelegt hat, argumentiert zwar wie immer durchaus mit Verletzungen einkalkulierender Schärfe. Aber endet dann auch mit dem Satz, auf der Heimfahrt von der Akademie habe er gemerkt, „dass ich plötzlich auch nicht mehr ganz sicher war, ob ich selbst wirklich recht hatte“.

    Verabschiedet hatte sich Biller von Czollek offenbar mit dem Versprechen, beim nächsten Treffen zahle er für die Getränke. Czollek wiederum twitterte später: „Ich möchte zur Sache nur so viel Sachliches beitragen: Biller lügt. Ich hatte kein Bier, sondern den ganzen Abend Weißweinschorle!“

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