Die Krone trägt sie mit verhaltenem Stolz und beantwortet im Blitzlichtgewitter geduldig die Fragen der Presse. Nach ihrem Konzert im Regal Theatre von Chicago ist Aretha Franklin 1967 gerade zur „Queen of Soul“ gekürt worden – ein Titel, den sie bis zu ihrem Tod vor drei Jahren würdevoll verteidigte. Die Serie „Genius: Aretha Franklin“ macht die Krönung zum Ausgangspunkt einer Erzählung, die das bewegte Leben der Soul-Königin über acht Folgen hinweg ausleuchtet.
Das Projekt ist Teil einer Anthologie. Geoffrey Rush spielte in der ersten Staffel Albert Einstein. In der zweiten gab Antonio Banderas den Picasso. Beste geniale Gesellschaft also für die legendäre Sängerin, die in den 60er und 70ern – und weit darüber hinaus - zu den einflussreichsten Musikerinnen gehörte, vom Jazz zum Soul, vom Soul zum Pop wechselte und immer wieder zurück zu ihren Wurzeln als Gospel-Sängerin gefunden hat.
"Genius: Aretha" erzählt das Leben nicht chronologisch
Drehbuchautorin Suzan-Lori Parks („United States vs. Billie Holiday“) hält sich nicht an die chronologische Erzählstruktur eines klassischen Biopics, sondern lässt sich von den Songtiteln leiten. „Respect“, „Chain of Fools“ oder „Amazing Grace“ lauten die Überschriften der Episoden, die einzelne Aspekte von Franklins Leben in den Fokus rücken und sich dabei durch verschiedene Lebensphasen klicken.
Die ersten beiden Folgen, die der Presse vorab zugänglich gemacht wurden, widmen sich gleichermaßen frühen Kindheitserlebnissen und dem mühsamen Aufstieg zum Erfolg. Schon in jungen Jahren singt Aretha (Shaian Jordan) in der Kirche ihres Vaters (Courtney B. Vance), der als Prediger und Sänger von der Gemeinde gefeiert wird. „Ich werde dich immer beschützen“ sagt er zur sangesbegabten Tochter. Aber der väterliche Schutz ist nicht verlässlich, denn der Geistliche feiert gern in wechselnder Damengesellschaft, vernachlässigt seine Aufsichtspflicht und kann nicht verhindern, dass Aretha im Alter von 12 Jahren schwanger wird.
Der Vater glaubt an die Gabe seiner Tochter als Geschenk Gottes und will stets die Kontrolle über deren Karriere behalten. Durch die Ehe mit dem gelernten Zuhälter und späteren Manager Ted White (Malcolm Barrett) versucht Aretha (Cynthia Eviro) als Erwachsene dem väterlichen Einfluss zu entkommen und schlittert in eine Gewalt-Beziehung, aus der sie erst spät herausfindet.
Kritik: Die Serie erzählt geduldig, wie Franklin im Studio arbeitet
In der Musik wie im Privatleben geht es für die Sängerin darum ihren eignen Sound zu finden. Äußerst gelungen sind hier die Szenen, in denen Franklin im Studio mit einer Gruppe ausnahmslos weißer Musiker oder zuhause am Klavier mit ihren Schwestern den Weg zu einem neuen Songs findet. Hier lässt sich die Serie Zeit, das geduldige Vortasten, die sichere Intuition und das musikalische Genie in Bild und Ton zu fassen, welche den Prozess der Komposition bestimmen.
Wie die Sängerin so scheint auch der Film hier ganz bei sich zu sein, bevor es wieder hinaus geht in eine wilde, wendungsreiche Biografie, in der die talentierte Musikerin um die Kontrolle ihres künstlerischen Seins kämpft. Cynthia Erivo („Harriet“) spielt diese durchaus widersprüchliche Figur mit der richtigen Mischung aus Charisma und Sensibilität. Nicht große Oper, sondern leises Understatement bestimmen ihre Performance, um dann die Emotionen während der brillanten Gesangseinlagen ganz in die Musik fließen zu lassen.
„Genius: Aretha Franklin“ (ab 4.6. bei Disney+) von Suzan-Lori Parks, mit Cynthia Erivo, Courtney B. Vance, Malcolm Barrett, 8 Episoden
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