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Genderkonforme Sprache: Der neue Duden und die Geschlechtergerechtigkeit

Genderkonforme Sprache

Der neue Duden und die Geschlechtergerechtigkeit

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    Der Duden will seine Online-Ausgabe um 12.000 Einträge mit ausschließlich weiblichen Personen- und Berufsbezeichnungen ergänzen.
    Der Duden will seine Online-Ausgabe um 12.000 Einträge mit ausschließlich weiblichen Personen- und Berufsbezeichnungen ergänzen. Foto: Picture alliance

    Der Duden ist nicht irgendwer. Wer wie der gleichnamige Verlag seine wirkmächtigste Veröffentlichung, den knallgelben Klassiker „Die deutsche Rechtschreibung“, als „Standardwerk auf der Grundlage der amtlichen Regeln“ bezeichnet, der weiß, dass er etwas zu sagen hat zur deutschen Sprache. Entsprechend Aufmerksamkeit ist dem Duden zuteilgeworden, als in der ersten Januarwoche die Absicht der Redaktion bekannt wurde, in die Online-Ausgabe des Wörterbuchs nach und nach 12.000 neue Begriffe mitsamt Bedeutungserläuterung einzufügen – und zwar ausschließlich weibliche Berufs- und Personennamen.

    Verweiblichung des Dudens sorgt für ablehnende Reaktionen

    Neben dem „Arzt“ hat bereits die „Ärztin“ ihren eigenen Eintrag erhalten. Mit praktischen Vorteilen bei der Online-Handhabung begründet der Duden sein Vorgehen, sagt aber auch, dass man Frauen mehr Sichtbarkeit geben wolle. Bisher verwies das Stichwort „Ärztin“ als weibliche Form auf den Eintrag „Arzt“.

    Sprache ist ein empfindliches Gut, wo in sie eingegriffen wird, gehen schnell die Wogen hoch, unvergessen die heftigen Debatten um die Rechtschreibreform. So war es nicht überraschend, dass die Ankündigung der Online-Überarbeitung des Duden auch ablehnende Reaktionen nach sich zog. Doch ob nun Zustimmung oder Kritik zur Duden-Reform, im Kern geht es dabei um die Frage, ob in der Sprache Geschlechtergerechtigkeit ihren Ausdruck finden müsse und wie das zustande gebracht werden solle. Es geht, neudeutsch gesprochen, um genderkonformes Deutsch.

    Generisches Maskulinum: Wenn der Lehrer geschlechtsneutral ist

    Im aktuellen Fall der Duden-Überarbeitung entzündet sich die Debatte vor allem am sogenannten generischen Maskulinum. Darunter versteht sich die männliche Form eines Worts, die jedoch alle Geschlechter mit einschließt. Der Satz „In der Schule gibt es 20 Lehrer“ trifft nach gängigem Sprachgebrauch keine Unterscheidung zwischen männlichen und weiblichen Lehrern, das Wort Lehrer ist hier geschlechtsneutral, eben als generisches Maskulinum gebraucht. Durch die Einschränkung grammatisch maskuliner Wörter auf die Bedeutung „männlich“, wie sie der Online-Duden nun vornimmt, werde das generische Maskulinum jedoch zum Verschwinden gebracht, lautet die Kritik nicht weniger Sprachwissenschaftler.

    Wenn die Bedeutung maskuliner Wörter im übergreifenden Sinne von „alle“ im Duden keinen Niederschlag mehr findet, könnte das bei Menschen, die die deutsche Sprache lernen, tatsächlich zu Problemen führen. Denn auch wenn der Duden durch die eigene Ausweisung rein weiblicher Wortformen und ihrer Bedeutung das generische Maskulinum nicht mehr führt, heißt das noch lange nicht, dass der breite Sprachgebrauch sofort Folge leistet. Das generische Maskulinum, steht zu vermuten, wird vielmehr weiter in Gebrauch sein, was bei Sprachneulingen, die dem „Lehrer“ in seiner „alle“ umfassenden Bedeutung begegnen, diese aber nicht mehr im Duden-„Standardwerk“ vorfinden, für Verwirrung sorgen dürfte.

    Die Abschaffung des generischen Maskulinums ist seit langem ein Anliegen der feministisch orientierten Sprachwissenschaft, unter anderem hat sich die Linguistin Luise F. Pusch dafür starkgemacht. Sätze wie der genannte („In der Schule gibt es 20 Lehrer“) sind dieser Strömung ein Dorn im Auge, sobald unter den 20 nicht nur Lehrer, sondern auch Lehrerinnen zu finden sind.

    Nun ist der Sprachbenutzer mit der strikt getrennten Aufführung von Männern und Frauen freilich nicht gegen alle Eventualitäten gewappnet. Im oben aufgeführten Beispiel lässt sich das generische Maskulinum zwar problemlos durch „Lehrerinnen und Lehrer“ ersetzen, nicht aber in einer Konstruktion wie „Nur drei der 20 Lehrerinnen und Lehrer sind Männer“ – eine valentineske Wortfolge, die bei Verwendung des generischen Maskulinums nicht zustande gekommen wäre. Sprachwissenschaftler wie Peter Eisenberg plädieren denn auch dafür, in grammatikalisch männlichen Begriffen nicht nur deren maskuline, sondern eben auch ihre zweite, „alle“ Geschlechter umfassende Bedeutung zu sehen.

    Diverse Personen werden nicht im Duden erfasst

    Wenn der Online-Duden nun neben dem Arzt die Ärztin als eigenen Begriff führt, so bringt das fraglos eine größere „Sichtbarkeit“ weiblicher Personen- und Berufsbezeichnungen mit sich. Weiter aber reicht die Neuerung nicht – und trifft damit einen empfindlichen Punkt der Bemühungen um genderkonforme Sprache. Wie steht es nämlich um jene, die nicht unter die binäre Geschlechtsaufteilung männlich/weiblich fallen, Menschen, die das amtliche Personenstandswesen als „divers“ führt? Arzt oder Lehrer, als generisches Maskulinum verstanden, wird auch Transgender-Personen gerecht, nicht aber die Zweiteilung in Arzt/Ärztin und Lehrer/Lehrerin.

    Schluckaufatmung mit dem Gendersternchen

    Eingefleischte Verfechter genderkonformer Sprache sind hier freilich schon weiter als der Duden. Seit Jahren propagieren sie eine Lösung, die inzwischen bereits in manchen öffentlichen Institutionen und Medien ihren Einzug gehalten hat: das Gendersternchen, das die Gemeinschaft der Lehrer (generisch maskulin verstanden) zu Lehrer*innen zusammenfasst. Aber auch wenn das Sternchen inzwischen schon aus manch hochoffiziellem Schriftverkehr herausblinzelt, ist die Kritik an ihm nicht zum Erliegen gekommen. Sie reicht von der Lesbarkeit besternter Sätze („Was hat ein*e Lehrer*in zu tun?“ ist für empfindsame Sprachgemüter die reine Holperstrecke) über die Schluckauf-Anmutung beim Sprechen (wenn das Sternchen, wie bei Radio- oder TV-Moderationen schon zu hören, zur Minipause mutiert) bis hin zu grammatikalischen Problemen wie dem, auf welche Weise etwa mit zusammengesetzten Wörtern zu verfahren sei – Lehrer*innenzimmer jedenfalls hat das Zeug zum Wortungetüm. Die Gesellschaft für deutsche Sprache – auch sie eine in Sprachbelangen einflussreiche Organisation – hat sich denn auch klar gegen die Verwendung des Gendersterns ausgesprochen: Es sei schlichtweg nicht mit der deutschen Grammatik und den Regeln der Rechtschreibung vereinbar.

    Bestrebungen, das Deutsche genderkonform umzugestalten, wird das aber nicht aufhalten. Und den Duden, in dessen Verlag sich mehrere Publikationen zum Thema Sprache und Gendern finden, wohl schon gar nicht.

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