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Friedenspreis: Liao Yiwu, der unbeugsame Kritiker

Friedenspreis

Liao Yiwu, der unbeugsame Kritiker

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    Der chinesische Autor Liao Yiwu setzt sich gegen Gewalt und Verfolgung ein.
    Der chinesische Autor Liao Yiwu setzt sich gegen Gewalt und Verfolgung ein. Foto: dpa

    Der Literatur-Nobelpreis für seinen Landsmann Mo Yan hat ihn vor allem wütend gemacht: Ein "Staatsautor" sei der Preisträger, die Auszeichnung erzeuge in der chinesischen Gesellschaft "nichts als Wut", schimpfte Liao Yiwu am Freitag.

    Leben schien zerstört

    Im Gegensatz zu Mo, der den Konflikt mit Chinas Behörden  sorgfältig gemieden hat, musste der 54-Jährige für seine kritischen Gedichte und Reportagen von den Rändern der Gesellschaft Haft,  Folter und Repressalien ertragen. Am Sonntag erhält der im deutschen Exil lebende Liao mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels nun selbst eine hohe Auszeichnung.

    Preisträger lebt im deutschen Exil

    Schon Liaos Kindheit ist nicht einfach: Geboren wird der  Lehrersohn 1958 in Chengdu in der westchinesischen Provinz Sichuan.  Beide Eltern geraten in die Säuberungen der Kulturrevolution. Die  Mutter wird bei dem Versuch festgenommen, Stoff auf dem  Schwarzmarkt zu verkaufen, weil sie Geld für Essen braucht. Vor tausenden Menschen wird sie mit anderen "Kriminellen" öffentlich gedemütigt. "Als meine Klassenkameraden mir davon berichteten, war ich am Boden zerstört", erzählt Liao einmal.

    Nach der Schule schlägt sich der junge Mann mit Gelegenheitsjobs  durch, arbeitet als Küchenhilfe und Lastwagenfahrer. Er liest westliche Autoren wie den britischen Romantiker John Keats und den französischen Dichter Charles Baudelaire - und beginnt selbst zu  schreiben. Gehandelt als talentierter Avantgarde-Dichter veröffentlicht Liao sogar in offiziellen Zeitschriften. "Ich war  ein Propaganda-Autor wie alle anderen auch", sagt er 2010 in einem Interview zu dieser Phase.

    China, die Volksrepublik - Zehn Fakten

    China gilt mit etwa 1,3 Milliarden Einwohnern als bevölkerungsreichstes Land der Erde.

    Hauptstadt Chinas ist Peking.

    Das Land erstreckt sich auf einer Fläche von 9.571.302 Quadratkilometern.

    Die Amtssprache ist Mandarin, das als Hochchinesisch gilt.

    Die Währung ist der Renminbi, 10 Jiao entspricht.

    Die Nationalhymne Chinas ist der "Marsch der Freiwilligen".

    Die Internet-TLD ist .cn und die Telefonvorwahl Chinas die +86.

    China gilt nach den USA als kommende Militärmacht der Erde. Bereits heute gilt China als Werkbank des Planeten.

    China steht international in der Kritik wegen schlechter Arbeitsbedingungen, der Verletzung von Menschenrechten und dem Kopieren geistigen Eigentums.

    Außenpolitisch und militärisch zeigt sich das "Reich der Mitte" aber meist neutral bis defensiv.

    Damit ist Schluss, als Liao 1987 wegen seines Epos "Stadt des Todes" und kritischer Lyrik über den großen chinesischen Steuermann Mao auf eine schwarze Liste unliebsamer kritischer Autoren gerät. Am Vorabend der Niederschlagung der Demokratiebewegung auf dem Tiananmenplatz nimmt Liao in dem Gedicht "Massaker" fast  prophetisch das brutale Geschehen vorweg. Das düstere Poem wird -  auf Tonband-Kopien verteilt - im ganzen Land bekannt. Anfang 1990  wird er wegen "Verbreitung konterrevolutionärer Propaganda" zur vier Jahren Haft verurteilt.

    Die Haft wird zum Horrortrip: Weil Liao gegen die strengen  Gefängnisregeln rebelliert, wird er mit Elektroschocks gequält. In der Einzelhaft muss er einmal 23 Tage mit hinter dem Rücken  gefesselten Händen ausharren, wie er seinem Übersetzer Wen Huang  erzählt.

    Liao Yiwu: Schwierige Kindheit in China

    Nach mehreren Selbstmordversuchen und Zusammenbrüchen wird Liao  schließlich 1994 aus der Haft entlassen, doch sein Leben scheint  zerstört: Die Frau hat ihn mit Kind verlassen, die ehemaligen  Schriftstellerfreunde, darunter auch Literaturnobelpreisträger Mo Yan, brechen den Kontakt ab. Liao schlägt sich durch, verdingt sich als Straßenmusiker. Er schreibt weiter, sein Reportagezyklus  "Fräulein Hallo und der Bauernkaiser" über Chinesen am unteren Rand  der Gesellschaft, die er auf der Straße und im Gefängnis  kennenlernte, macht ihn mit einem Schlag im Westen berühmt.

    Der Mann mit der markanten Glatze bekommt Preise im Ausland,  doch seine Bücher sind in der Heimat bis heute verboten. Zu  Buchmessen und Literaturfestivals darf er nicht ausreisen, erst im September 2010 schafft er es einmal nach Deutschland, nachdem er Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in einem Brief um Hilfe gebeten hat. Wegen der anhaltenden Repressalien setzt er sich im Juli 2011  endgültig nach

    Liao selbst will sich nicht als Dissident sehen. "Ich interessiere mich nicht besonders für Politik, sondern für meine Geschichten", sagt er einmal. Dauerhaft im Ausland zu leben, kann  er sich nicht vorstellen. Der Boden für seine schriftstellerische  Arbeit sei "mitten unter dem Ameisenvolk der Chinesen", schrieb er damals an Merkel. Bald erscheint in Deutschland Liaos neues Buch -  über die Ereignisse am Platz des himmlischen Friedens. Die Chancen auf eine Rückkehr nach China dürfte das nicht erhöhen.

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