Bad Wörishofen Unterschiedlicher konnten die Erwartungen kaum sein: David Garrett ante portas. Binnen zwei Stunden war sein Galakonzert mit dem jugendlichen vbw-Orchester beim Festival der Nationen ausverkauft. Vor dem Kursaal Szenen wie in Bayreuth: „Suche Karte“. Das Publikum war so gemischt wie bei kaum einem anderen Konzert des Musikfestes. Würde er sein Image des berserkerhaften Teufelsgeigers zwischen Rock/Pop und Klassik einlösen? Gibt’s einen neuen aufregenden Auftritt à la Nigel Kennedy wie letztes Jahr? Aber: Er spielt ja Beethovens Violinkonzert – reinste Klassik, kein Virtuosenreißer der Literatur ...
Beethoven mit klassischem Ernst in Jeans
Um es vorwegzunehmen: Er spielte Beethoven, keine Garrett-Show. Als nach Mozarts „Figaro“-Ouvertüre das Publikum auf das Erscheinen des Stars wartete, herrschte auf einen Schlag gespannte Stille. Dann: prasselnder Begrüßungsbeifall. Und David Garrett kam natürlich nicht in Frack und Schwarz-Weiß, sondern in Jeans, Stiefeletten, Designer-T-Shirt mit viel Platz für die Halskette auf der Brust, ringbewehrt glitzernd wie Keith Richards.
Doch was Garrett folgen ließ, war Musizieren auf höchstem Niveau mit allem interpretatorischen Ernst einer klassischen Herkunft. Er baute mit dem vbw-Orchester unter der Leitung von Christoph Adt so viel spannungsvollen Kontakt auf, dass er sich in der Darstellung dieses Meisterwerks spürbar alles abfordern ließ. Hier wurde klar: Die mit tollem Können verbundene frische Begeisterung des Elite-Nachwuchs-Orchesters und der als Weltstar ebenfalls noch junge Musiker (31 Jahre) waren eine verschworene Gemeinschaft. Nach den geheimnisvoll pochenden Paukenschlägen sowie den von Dirigent Adt inspirierten Klangwellen der Einleitung gab es zwischen Solist und Orchester einen künstlerischen Dialog, der von Garretts hinreißender Geigenkunst auf seiner Stradivari bestimmt wurde. Die beethovenschen Kraftströme aus der Orchestervorgabe aufzufangen, mitzunehmen, mit scharf präziser, doch geschmeidiger Metrik in den Läufen zu akzentuieren, das Gefüge der Triller und Arabesken sinnvoll im Gesamtfluss aufleuchten zu lassen, die lyrischen Passagen als Ruhepunkte auszukosten – dies zeugt von Garretts intelligenten analytischen Fähigkeiten. Er stellt sich konsequent in den Dienst der Partitur und beachtet die Reihenfolge: erst Beethoven, dann der Solist, der mit vielseitigem Virtuosentum lustvoll auf den Plan treten kann. Fast gebethaft innig dialogisierten Garrett und das Orchester im Larghetto.
Im Finalsatz führten die Jagdrufe im Horn und in den Bläsern, dazu die musikalischen Antworten des vital zupackenden Geigers, gipfelnd in der fulminanten Kadenz, das Konzert zum Höhepunkt. Den Jubel belohnte Garrett mit Zugaben schnell. In Paganinis bizarrer Ausformung des „Karneval in Venedig“ (vulgo: „mei Huat, der hat drei Ecken“) zeigte er hexenmeisterliches Virtuosenwerk, dann ein rabiates, Michael Jackson nachempfundenes Solostück. Zum Schluss aber gab Garrett den Friedensengel, mit einer mild ausschwingenden Sarabande aus Bachs erster Solo-Partita.
Internationaler Nachwuchs im jungen Orchester
Das von der bayerischen Wirtschaft gesponserte Orchester, internationaler Spitzennachwuchs, wird von Christoph Adt großartig geführt. Nach Beethovens Violinkonzert präsentierte es sich auch in Mendelssohns „Italienischer Sinfonie“ mit virtuosen Ensemble-Tugenden und ausgefeiltem Klang. Vielleicht war der 1.Satz noch etwas reserviert, doch die feinen Bewegungen des Andante und des tänzerischen „Con moto“ sowie der Triolensturm im Saltarello-Finale hatten Farbe, Kontur, Feuer. Das Publikum feierte stürmisch die jungen Musiker und wurde à la Neujahrskonzert mit Johann Strauß’ schmissigem „Vergnügungszug“ bedankt.