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Festival: Jazzfrühling Kempten: Diesmal kommen die Stars ins Wohnzimmer

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Jazzfrühling Kempten: Diesmal kommen die Stars ins Wohnzimmer

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    Beim Kemptener Jazzfrühling kamen die Stars – hier Bill Frisell – via Streaming direkt ins Wohnzimmer.
    Beim Kemptener Jazzfrühling kamen die Stars – hier Bill Frisell – via Streaming direkt ins Wohnzimmer. Foto: Matthias Becker

    Großes Kino – vor allem für die Ohren – lieferte Altmeister Bill Frisell beim Finale des Kemptener Jazzfrühlings, das wegen der Corona-Pandemie als Streaming-Festival über die Bühne ging. Über 10.000 Zuschauer verfolgten nach Veranstalterangaben die knapp 20 Konzerte am Fernseher, an PC, Laptop oder Handy. Die meisten Konzerte wurden aus dem Kemptener Stadttheater live übertragen. Die internationalen Stars des Festivals – neben dem US-amerikanischen Gitarristen waren das die französische Sängerin Camille Bertault und die polnische Bassistin Kinga Glyk – schickten exklusive Konzert-Videos aus ihrer jeweiligen Heimat. Während die Jungen – Glyk ist 24, Bertault 35 – optisch ansprechende Videos lieferten, konzentrierte sich der 70-jährige Frisell ganz auf die Musik.

    Wie immer lässig und unaufgeregt holt Bill Frisell die Töne aus der Tiefe hervor, lässt sie anschwellen, verändert sie mit Effektgeräten und überrascht mit raffinierten Wendungen. Blues, Folk, Country sind seine Wurzeln, und der Jazz gibt ihm die Möglichkeit, weit darüber hinaus zu gehen. Seine Neugier kennt keine Grenzen. Und so hat er sich Zeit seines Lebens von allem Möglichen inspirieren lassen – von einer Violin-Sonate von Bach wie von einem Song von Bob Dylan. Hat die Musik von Thelonious Monk, Charlie Parker und Miles Davis ebenso inhaliert wie die von Aretha Franklin, seines Lehrers Jim Hall oder der Komponisten Bernard Hermann und Aaron Copland.

    Die große Kunst des Bill Frisell gibt es im Kemptener Jazzfrühling zu bestaunen

    Frisells große Kunst ist es, aus kleinen, naiven Melodien etwas Großes, Eigenes, Wunderbares und Fesselndes zu erschaffen. Ton, Timing, Präzision sind ihm wichtiger als virtuose Schnelligkeit. Frisell, der Anfang der 90er Jahre mit Pat Metheny und John Scofield zu den Jazzgitarren-Superstars aufstieg, ist ein Stiller an den Saiten. Unnachahmlich und unaufgeregt bringt er seine Gitarre zum Singen. Bei seinem Jazzfrühling-Auftritt hat er zwei kongeniale Partner an seiner Seite. Mit Kontrabassist Thomas Morgan und Schlagzeuger Rudy Royston spielte er zuletzt das luftig-leichte Album „Valentine“ ein. Mit ihnen versinkt er 80 Minuten lang in seiner eigenen Welt. Die drei werfen sich gegenseitig ihre Ideen zu und spinnen sie freudig weiter.

    War ebenfalls per Stream beim Jazzfrühling zu erleben: Polens Jazz-Exportschlager Kinga Glyk .
    War ebenfalls per Stream beim Jazzfrühling zu erleben: Polens Jazz-Exportschlager Kinga Glyk . Foto: Ralf Lienert

    In einem normalen Konzert wäre wohl der Funke von Beginn an aufs Live-Publikum übergesprungen. Vor dem Bildschirm ist das nicht so leicht, vor allem, wenn die Video-Regie wenig Fantasie zeigt. Hinzukommt, dass die drei wie bei einer Probe im Kreis nur für sich zu musizieren scheinen. Der Zuschauer bleibt so weitgehend außen vor. Frisell selbst belässt es bei einer kargen Begrüßung und Verabschiedung.

    Ja, ins Netz verlegte Konzerte haben ihre Tücken, können im Grunde kein vollwertiger Ersatz für Live-Erlebnisse sein, auch wenn sich dabei andere Möglichkeiten, wie etwa die des Live-Chats, auftun. Gewöhnungsbedürftig für Musiker wie Zuschauer sind vor allem die „Applaus-Löcher“ zwischen den Stücken. Die stören freilich bei Bill Frisells Auftritt nicht: Hier fließt alles wundersam harmonisch ineinander. Normalerweise hatte er zuletzt seine Konzerte mit der Bürgerrechtshymne „We shall overcome“ ausklingen lassen. Hätte auch diesmal gut gepasst. Doch der Meister bietet mit seinem Trio etwas Beschwingteres: eine wunderbar-relaxte Fassung von „New York, New York“.

    So finanziert sich der Kemptener Jazzfrühling

    Den Jazzfrühling, der wegen der Pandemie bereits 2020 abgesagt wurde, erneut ausfallen zu lassen, war für die Organisatoren vom Kleinkunstverein Klecks kein Thema gewesen. Schließlich galt es auch, den Musikern und Technikern in Zeiten des Kultur-Stillstands ein Einkommen zu ermöglichen, wie Festival-Organisator Andreas Schütz betont. So erhielten alle Künstler ihre vereinbarten Gagen. Möglich wurde dies durch das bundesweite Rettungsprogramm „Neustart Kultur“: Bis zu 75.000 Euro steuert die „Initiative Musik“ bei, das ist die Hälfte des Corona-Sonder-Etats. Neben der finanziellen Unterstützung durch Sponsoren und Förderer hoffte der Klecks-Verein auf die Spenden der Zuschauer, die die Konzerte frei Haus bekamen. Und viele bedankten sich tatsächlich für diesen Sonderservice: Bis zum Sonntag kamen über 20.000 Euro zusammen. Damit ist das finanzielle Festival-Ziel „Plus-Minus-Null“ in greifbare Nähe gerückt, sagt Schütz und hofft noch auf weitere Spenden. Die Live-Streams, in guter audio-visuelle Qualität, sind weiterhin online abrufbar (www.klecks.de und YouTube).

    Vor Ort im Stadttheater galt ein strenges Hygiene- und Abstandskonzept. Musiker und Helfer unterzogen sich 200 Corona-Schnelltests, die alle negativ waren. „Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht. Ich hoffe, die Politik macht nun ihre und ermöglicht bald wieder Livekonzerte“, sagt Andreas Schütz.

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