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Bücherverbrennung: Erst zerstört und dann vergessen

Bücherverbrennung

Erst zerstört und dann vergessen

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    Studentischer Mob wirft Bücher ins Feuer: Heute vor 80 Jahren brannten in deutschen Universitätsstädten zehntausende Bücher verschiedenster Autoren. Die Nationalsozialisten nannten ihre beispiellose Vernichtungsaktion "Aufklärungsfeldzug wider undeutschen Geist".
    Studentischer Mob wirft Bücher ins Feuer: Heute vor 80 Jahren brannten in deutschen Universitätsstädten zehntausende Bücher verschiedenster Autoren. Die Nationalsozialisten nannten ihre beispiellose Vernichtungsaktion "Aufklärungsfeldzug wider undeutschen Geist". Foto: Dpa

    Manche Autoren litten unter den Nationalsozialisten mehr als andere. Sie verloren ihre Karriere, ihre Heimat oder sogar ihr Leben. Nicht wenige der Verfemten und Verfolgten waren vor 1933 gefeierte Schreiber. Doch die Zäsur nach der „Machtergreifung“ Hitlers war radikal. Der 80. Jahrestag der Bücherverbrennung in Deutschland ist ein guter Anlass, an diese Schriftsteller und ihre Werke zu erinnern.

    Tausende wohnten der Kulturbarbarei bei

    Als die Flammen der Scheiterhaufen am 10. Mai 1933 in der Dunkelheit loderten, herrschte Volksfeststimmung in Deutschland. In München sahen sich 50000 Menschen das Spektakel an. In den folgenden Wochen verbrannten zehntausende Bücher in deutschen Städten. Es war die nazitreue „Deutsche Studentenschaft“, die die Kulturbarbarei vorantrieb und den Berliner Bibliothekar Wolfgang Herrmann um eine „schwarze Liste“ bat. Darauf standen 94 deutsche und 37 fremdsprachige Schriftsteller.

    Oskar Baum, Emil Ludwig: Ihr Erfolg verbrannte mit ihrem Werk

    Die Studenten verbreiteten die Namen, holten die Bände mit Lastwagen aus den Leihbüchereien und entzündeten am 10. Mai 1933 den ersten Scheiterhaufen in Berlin, angeheizt von Hitlers Propagandachef Goebbels. Es gingen Bücher von Karl Marx, Thomas Mann und Erich Kästner in Flammen auf, begleitet von Feuersprüchen zu den einzelnen Autoren. Doch es brannten auch Werke von Oskar Baum, Paul Kornfeld und Emil Ludwig. Autoren, deren Ruhm über Nacht mit ihren Werken unterging.

    Mit politischen Biografien den Ärger der Nazis erregt

    Einer von ihnen, Emil Ludwig, wird im fünften Feuerspruch geschmäht. Er hatte mit Biografien über politische Größen von Napoleon bis Bismarck den Ärger der Nationalsozialisten erregt. Bei der Verbrennung schrien die Studenten: „Gegen Verfälschung unserer Geschichte und Herabwürdigung ihrer großen Gestalten, für Ehrfurcht vor unserer Vergangenheit!“ Heute stehen Ludwigs Werke in der Salzmann-Sammlung der Augsburger Unibibliothek. Der 84-jährige Immobilienhändler Georg Salzmannaus Gräfelfing bei München hatte über Jahrzehnte 12000 Bücher der Autoren gesammelt, die im Mai 1933 brannten. Seit 2009 gehört die einmalige Sammlung der Universität Augsburg und ist öffentlich zugänglich. Die erste Bibliothek der verbrannten Bücher wurde übrigens bereits 1934 in Paris gegründet.

    In Augsburg stehen auch einige Bände von Oskar Baum. Ihn bezeichnet Salzmann als literarischen Vater des Prager Kreises um Franz Kafka. Baum war, anders als Ludwig, schon 1933 kaum bekannt. Doch seine Bücher wie „Die Tür ins Unmögliche“ seien trotzdem lesenswert, so Salzmann. „Ich finde sie hoch expressionistisch“, begründet Salzmann sein Urteil.

    Oskar Baum gilt heute als literarischer Vater Kafkas

    Baum war seit einer Schlägerei blind und machte die Blindheit der Sehenden zum Hauptmotiv seiner Werke. In „Die Tür ins Ungewisse“ will der Protagonist für die Lieblosigkeit aller Menschen büßen und bezichtigt sich eines Mordes, den er nicht begangen hat. Dabei sind deutliche Parallelen zu Franz Kafkas „Der Prozess“ zu erkennen.

    Von Expressionismus zum Drama: Den Prager Juden Paul Kornfeld verfolgten die Nationalsozialisten bis zu seinem Tod. Er starb bei seiner Deportation aus dem Prager Getto im Jahr 1942. Lesenswert findet Salzmann unter anderem Kornfelds Buch „Blanche oder das Atelier im Garten“. Bei Kornfeld gehe es immer um zwischenmenschliche Beziehungen, um Protagonisten, die Zuneigung suchten. Das sei vor allem mit Blick auf die NS-Zeit ein interessantes Motiv. Doch nicht nur Baum, Ludwig und Kornfeld seien heute noch aktuell, betont Salzmann. Viele Autoren hätten es verdient, zu spätem Ruhm zu kommen. „Aber sie waren so lange in Vergessenheit, da ist das schwer zu vermitteln“, seufzt er. (mit epd)

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